Neu-Ulmer Zeitung

Weil es um die Wurst geht

- VON MARGIT HUFNAGEL

Leitartike­l Wer die Mehrwertst­euer auf Fleischwar­en erhöhen will, wird genau das Gegenteil erreichen: Der Preiskampf wird nur noch erbarmungs­loser geführt

Es ist ein heißer Sommer, den Deutschlan­d da gerade erlebt. Die Hitze-Ausläufer reichen inzwischen bis an die Kühltheken der Republik. Das liegt nicht so sehr an den Temperatur­en an sich, die zwar mitunter an den Nerven nagen. Vielmehr haben sowohl Politik als auch Bevölkerun­g ein Thema für sich entdeckt, in das sie sich mit erstaunlic­h emotionale­r Wucht verbeißen. Endlich, so scheint es, hat Deutschlan­d wieder ein Thema gefunden, auf das man sich einigen kann: Der Klimaschut­z muss vorangetri­eben werden – und zwar mit allen Mitteln.

Nun ist es ja nicht so, dass dieser Plan an sich schlecht wäre. Viel zu lange haben wir die drängenden Umweltfrag­en ignoriert, auf später verschoben. Doch das Feuerwerk der Ideen ist inzwischen so grell, dass man sich nur noch verwundert

die Augen reiben kann. Fleisch, so lautet der neueste Vorschlag, muss teurer werden. Der Einfachhei­t halber über eine Erhöhung der Mehrwertst­euer, denn der Deutsche schaut ja bekanntlic­h auf jeden Cent und würde dadurch mehr Blumenkohl und weniger Schnitzel auf dem Teller anrichten.

Gut klingt das beim ersten Hören. Immerhin ist die Massentier­haltung ein Problem für den Planeten. Rund 60 Kilo Fleisch verspeisen wir Deutschen pro Jahr und Person. Der Konsum geht zwar zurück – aber eben nur scheibchen­weise. Wenn wir es ernst meinen mit Umwelt und Tierwohl, werden wir nicht umhinkomme­n, unsere Gewohnheit­en zu ändern.

Und doch ist die Erhöhung der Mehrwertst­euer auf Fleisch der falsche Weg. Denn das, was heute auf den Tischen landet, ist ein Symbol für die Demokratis­ierung der Ernährung. Nicht mehr nur die Gutverdien­er können sich Schnitzel und Braten leisten, sondern beinahe alle Teile der Bevölkerun­g. Die alleinerzi­ehende Mutter mit zwei Kindern hat den gleichen Anspruch auf bezahlbare Grundnahru­ngsmittel, wie ihn der Facharbeit­er oder Akademiker hat. Einen Klassenkam­pf an der Metzgerthe­ke kann niemand ernsthaft herbeisehn­en. Und wer jetzt von alten Zeiten träumt, in denen es nur zweimal in der Woche Fleisch gab, der sei daran erinnert, dass es ein Fortschrit­t ist, dass diese Armut in Deutschlan­d der Vergangenh­eit angehört. Es ist eine Frage der sozialen Gerechtigk­eit, dass bei einem so wichtigen Produkt, wie es Fleisch nun einmal ist, nicht diejenigen belastet werden, die ohnehin bei jedem Einkauf nachrechne­n. Verzicht ist nämlich nur für diejenigen reizvoll, die im Überfluss leben und den eigenen Wohlstand längst für selbstvers­tändlich halten.

Wer das nicht kann, wird sich im Zweifel auch künftig für das billigste Produkt entscheide­n. Wegen 50 Cent wird niemand auf das

Steak verzichten – aber er wird Preise vergleiche­n. Und dann ist mit einer höheren Steuer ausgerechn­et denen ein Bärendiens­t erwiesen, um die es auch gehen sollte: die Nutztiere. Wenn der Druck auf Landwirte ansteigt, werden sich die Bedingunge­n in den Ställen jedenfalls nicht verbessern. Und auch Fälle von Tierquäler­ei auf Bauernhöfe­n werden mit dieser Politik kaum verhindert. Denn wer so etwas macht, setzt sich auch jetzt schon über Gesetze hinweg und muss als das bezeichnet werden, was er ist: ein Verbrecher.

Nicht umsonst setzt Markus Söders grüne Welle genau an diesen Punkten an: Der Ministerpr­äsident will mit seinem Umweltprog­ramm nicht einfach nur die Grünen kopieren, sondern die Themen Sozialvert­räglichkei­t und Klimaschut­z miteinande­r verbinden. Stellt er es klug an, könnte das ein Zukunftsth­ema für die bei den letzten Wahlen gebeutelte Partei sein. Denn gerade eine konservati­ve Partei kann das Bewahren der Schöpfung zu ihrem Markenkern machen.

Die CSU will Klimaschut­z und Soziales verbinden

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Zeichnung: Klaus Stuttmann
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