Weil es um die Wurst geht
Leitartikel Wer die Mehrwertsteuer auf Fleischwaren erhöhen will, wird genau das Gegenteil erreichen: Der Preiskampf wird nur noch erbarmungsloser geführt
Es ist ein heißer Sommer, den Deutschland da gerade erlebt. Die Hitze-Ausläufer reichen inzwischen bis an die Kühltheken der Republik. Das liegt nicht so sehr an den Temperaturen an sich, die zwar mitunter an den Nerven nagen. Vielmehr haben sowohl Politik als auch Bevölkerung ein Thema für sich entdeckt, in das sie sich mit erstaunlich emotionaler Wucht verbeißen. Endlich, so scheint es, hat Deutschland wieder ein Thema gefunden, auf das man sich einigen kann: Der Klimaschutz muss vorangetrieben werden – und zwar mit allen Mitteln.
Nun ist es ja nicht so, dass dieser Plan an sich schlecht wäre. Viel zu lange haben wir die drängenden Umweltfragen ignoriert, auf später verschoben. Doch das Feuerwerk der Ideen ist inzwischen so grell, dass man sich nur noch verwundert
die Augen reiben kann. Fleisch, so lautet der neueste Vorschlag, muss teurer werden. Der Einfachheit halber über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, denn der Deutsche schaut ja bekanntlich auf jeden Cent und würde dadurch mehr Blumenkohl und weniger Schnitzel auf dem Teller anrichten.
Gut klingt das beim ersten Hören. Immerhin ist die Massentierhaltung ein Problem für den Planeten. Rund 60 Kilo Fleisch verspeisen wir Deutschen pro Jahr und Person. Der Konsum geht zwar zurück – aber eben nur scheibchenweise. Wenn wir es ernst meinen mit Umwelt und Tierwohl, werden wir nicht umhinkommen, unsere Gewohnheiten zu ändern.
Und doch ist die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Fleisch der falsche Weg. Denn das, was heute auf den Tischen landet, ist ein Symbol für die Demokratisierung der Ernährung. Nicht mehr nur die Gutverdiener können sich Schnitzel und Braten leisten, sondern beinahe alle Teile der Bevölkerung. Die alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern hat den gleichen Anspruch auf bezahlbare Grundnahrungsmittel, wie ihn der Facharbeiter oder Akademiker hat. Einen Klassenkampf an der Metzgertheke kann niemand ernsthaft herbeisehnen. Und wer jetzt von alten Zeiten träumt, in denen es nur zweimal in der Woche Fleisch gab, der sei daran erinnert, dass es ein Fortschritt ist, dass diese Armut in Deutschland der Vergangenheit angehört. Es ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, dass bei einem so wichtigen Produkt, wie es Fleisch nun einmal ist, nicht diejenigen belastet werden, die ohnehin bei jedem Einkauf nachrechnen. Verzicht ist nämlich nur für diejenigen reizvoll, die im Überfluss leben und den eigenen Wohlstand längst für selbstverständlich halten.
Wer das nicht kann, wird sich im Zweifel auch künftig für das billigste Produkt entscheiden. Wegen 50 Cent wird niemand auf das
Steak verzichten – aber er wird Preise vergleichen. Und dann ist mit einer höheren Steuer ausgerechnet denen ein Bärendienst erwiesen, um die es auch gehen sollte: die Nutztiere. Wenn der Druck auf Landwirte ansteigt, werden sich die Bedingungen in den Ställen jedenfalls nicht verbessern. Und auch Fälle von Tierquälerei auf Bauernhöfen werden mit dieser Politik kaum verhindert. Denn wer so etwas macht, setzt sich auch jetzt schon über Gesetze hinweg und muss als das bezeichnet werden, was er ist: ein Verbrecher.
Nicht umsonst setzt Markus Söders grüne Welle genau an diesen Punkten an: Der Ministerpräsident will mit seinem Umweltprogramm nicht einfach nur die Grünen kopieren, sondern die Themen Sozialverträglichkeit und Klimaschutz miteinander verbinden. Stellt er es klug an, könnte das ein Zukunftsthema für die bei den letzten Wahlen gebeutelte Partei sein. Denn gerade eine konservative Partei kann das Bewahren der Schöpfung zu ihrem Markenkern machen.
Die CSU will Klimaschutz und Soziales verbinden