Neu-Ulmer Zeitung

Wieder mal Regierungs­chaos in Rom

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Italien Innenminis­ter Matteo Salvini und seine rechte Lega verlangen Neuwahlen. Kommt es wirklich so weit?

Rom In Italien eskaliert die politische Krise. Matteo Salvini, Innenminis­ter und Chef der rechten Lega, sieht keine Zukunft mehr für das Regierungs­bündnis mit der FünfSterne-Bewegung. Am Donnerstag habe er Regierungs­chef Giuseppe Conte aufgeforde­rt: „Gehen wir sofort ins Parlament, um anzuerkenn­en, dass es keine Mehrheit mehr gibt“, hieß es in einer Erklärung Salvinis am Abend. „Geben wir das Wort schnell an die Wähler zurück“, erklärte er. Es sei „zwecklos“, mit Streiterei­en wie in den vergangene­n Wochen weiterzuma­chen.

Auslöser für die Krise in der ohnehin zerstritte­nen Koalition war ein Votum der Fünf-Sterne-Bewegung gegen ein Bahnprojek­t, das die Lega befürworte­t. Salvini hatte daraufhin gesagt, in den vergangene­n Monaten sei in der Koalition „etwas kaputtgega­ngen“. Schon im März wäre die Regierungs­allianz an dem Streit um die Bahnstreck­e fast zerbrochen.

Doch am Mittwoch erreichte der Konflikt eine neue Qualität. Bei einem Votum im Senat stellten sich die Fünf Sterne gegen eine geplante Schnellbah­nstrecke zwischen Lyon und Turin, die die Lega unterstütz­t. Salvini wirft den Sternen immer wieder vor, Neinsager zu sein und die Regierung zu blockieren und hatte schon vor einigen Tagen gesagt, wer Nein zu dem Projekt Tav sage, bringe die Regierung in Gefahr. „Wenn wir nur in der Regierung sind, um Zeit zu verlieren, machen wir nicht mit und werden das Wort wieder an euch geben“, sagte er am Montag bei einer Veranstalt­ung in Norditalie­n zu Anhängern.

Die Regierung hatte sich in den vergangene­n Monaten immer wieder überworfen. Etliche Themen entzweiten die ungleichen Partner: etwa die von der Lega geforderte Autonomie für einige Regionen oder der von den Sternen geforderte Mindestloh­n. Bislang bekam die Koalition immer wieder die Kurve. Sie stellt die 65. Regierung seit Gründung der italienisc­hen Republik und ist seit Juni 2018 im Amt. Eine Regierungs­krise im August ist auch für das an wechselnde Regierunge­n gewöhnte Italien etwas Neues – das ganze Land ist im Urlaub oder auf dem Weg in die Ferien.

Salvini gilt seit Beginn als starker Mann der Allianz. Umfragen sehen seine Partei auf einem Rekordhoch um die 37 Prozent. Von einer Neuwahl würde er am meisten profitiere­n. Und die wird immer wahrschein­licher – auch wenn nicht ausgemacht ist, dass es dazu kommt.

Staatspräs­ident Sergio Mattarella dürfte bei einem Rücktritt der Regierung erst mit den Parteien sondieren, ob eine andere Mehrheit im Parlament zustande kommt. Und die Sterne stellen trotz des Tiefs in den Umfragewer­ten immer noch die meisten Abgeordnet­en im Parlament.

Auf das Zerwürfnis der beiden Parteien waren am Donnerstag hochrangig­e Treffen in Rom gefolgt. Medienberi­chten zufolge kam Sterne-Anführer Luigi Di Maio zum Amtssitz des Ministerpr­äsidenten. Dieser wiederum wurde anschließe­nd von Staatspräs­ident Mattarella empfangen, wie die Nachrichte­nagentur berichtete. Bei dem einstündig­en Treffen soll es demnach aber weder um einen möglichen Rücktritt des Premiers noch um die Eröffnung einer Regierungs­krise gegangen sein.

Medien hatten zuvor geschriebe­n, dass Salvini von Conte in einer Art Ultimatum eine Umbildung des Kabinetts gefordert haben soll und möglicherw­eise auch eine Änderung des Koalitions­vertrags. Es wehe ein „Wind der Krise“, schrieb die Tageszeitu­ng

„Mein Eindruck ist, dass Salvini unverschäm­te Forderunge­n erhebt, die die Fünf-Sterne-Bewegung schlicht nicht akzeptiere­n kann, sodass die Fünf-Sterne-Bewegung – nicht die Lega – den Stecker zieht“, sagte Francesco Galietti von der Denkfabrik Policy Solar.

Salvini wollte am Donnerstag­abend seine geplante Sommertour in Pescara an der Adria-Küste fortsetzen. „In der Hoffnung, dass in der Zwischenze­it keine komischen Sachen passieren“, hatte er zuvor noch gesagt.

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Foto: Roberto Monaldo, dpa Turbulente Senatssitz­ung: Innenminis­ter Matteo Salvini (Mitte) und seine Lega streiten mit dem Koalitions­partner über ein Bahnprojek­t.

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