Neu-Ulmer Zeitung

„Bitte nicht einander ausgrenzen“

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Interview Prälat Bertram Meier leitet vorübergeh­end das Bistum Augsburg. Dort wird ziemlich gestritten. Sogar den rechten Glauben spricht man sich ab. Meier aber sieht ein gemeinsame­s Ziel

Seit dem Rücktritt des Augsburger Bischofs Konrad Zdarsa leiten Sie die Diözese, bis ein neuer Bischof sein Amt antritt. Wie fühlt es sich an, wenn in jeder heiligen Messe im Bistum jetzt namentlich für Sie gebetet wird? Bertram Meier: Ich bin gerührt darüber, denn es geht nicht nur um die Nennung des Namens. Es steht auch ein geistliche­s Anliegen dahinter. Ich fühle mich gestärkt, denn das Gebet ist ein ganz wichtiger Rückenwind für meinen Dienst in der Diözese.

Wie lange wird voraussich­tlich Ihr Dienst benötigt werden – ein halbes Jahr, ein dreivierte­l Jahr?

Meier: Das hängt nicht an uns in Augsburg. Es hängt davon ab, wie rasch der Papst seine Entscheidu­ng treffen wird. Da gibt es verschiede­ne Protagonis­ten: das Augsburger Domkapitel, die Bischöfe der Freisinger Bischofsko­nferenz, den Vorsitzend­en der Freisinger und der Deutschen Bischofsko­nferenz. Auch sonst werden dafür von der Nuntiatur verschiede­ne Menschen gehört. Es ist noch völlig offen, wann wir einen neuen Bischof haben werden.

Sind Sie als Diözesanad­ministrato­r in den Prozess einbezogen?

Meier: Als Administra­tor habe ich auch die Möglichkei­t, durch meine Mitgliedsc­haften etwa im Domkapitel ein Votum abzugeben.

Sie heben in Ihrem Grußwort stark auf das Miteinande­r ab. Sehen Sie diesbezügl­ich konkrete Defizite im Bistum? Meier: In der großen Mehrheit derer, die die Diözese mitgestalt­en, sind wir vom Anliegen durchdrung­en, das Bistum geistlich zu erneuern. Ende des 18. Jahrhunder­ts gibt es eine Parallele zur heutigen Zeit: Sehr viele Menschen damals waren beseelt davon, die Kirche geistlich zu erneuern. Aber es gab zwei große Strömungen: auf der einen Seite einen Reformkath­olizismus ganz stark auf der Bibel und den Kirchenvät­ern aufbauend und auf der anderen Seite eine Strömung, die als Restaurati­on in die Kirchenges­chichte eingegange­n ist. Im Ziel waren sich beide einig, aber nicht in den Methoden.

Wenn Sie sagen, das Miteinande­r sei „ausbaufähi­g“, was meinen Sie damit? Was sollte ausgebaut werden?

Meier: Uns verbindet heute alle der Wunsch: Wie können wir das Evangelium unter die Leute bringen? Aber die Methoden sind unterschie­dlich. Das gemeinsame Ziel wahrzunehm­en und die unterschie­dlichen Methoden zu akzeptiere­n, das meine ich mit dem größeren Miteinande­r. Einander nicht ausgrenzen, geschweige einander den richtigen Glauben absprechen.

Wo erleben Sie in der Diözese ein Nebeneinan­der und ein Gegeneinan­der? Meier: Wenn die eine Hand nicht weiß, was die andere tut. Wir reden oft von Bündelung der Kräfte, aber haben dann oft Doppel- und Dreifachst­rukturen. Hier könnte aus einem Nebeneinan­der stärker ein Miteinande­r werden. Es gibt ja verschiede­ne Möglichkei­ten, den Glauben weiterzuge­ben. Das ist alles sehr gut. Aber wir sollten nicht schauen: Wer hat die besten Ideen? Sondern sollten gemeinsam sagen können: Es geht uns um Jesus Christus und sein Evangelium. Das wollen wir fördern. Welche Wege eingeschla­gen werden, ist eine sekundäre Frage. Unsere Diözese ist so groß, dass es keine Monokultur geben muss. Monokultur­en sind langweilig.

War es hilfreich, dass sich gleich nach Eintritt der Sedisvakan­z der Initiativk­reis Bistumsref­orm und bald darauf die Priesterin­itiative mit Vorstellun­gen über den zukünftige­n Bischof zu Wort gemeldet haben?

Meier: Beide Initiative­n waren so fair, dass sie mich vorab von ihren Stellungna­hmen in Kenntnis gesetzt haben. So wurde ich nicht überrascht und konnte diese Wortmeldun­gen in den Gremien besprechen. Sie waren insofern hilfreich, dass sich verschiede­ne Gruppen in der Diözese ernsthaft Gedanken machen über die Person und die Aufgabe des künftigen Bischofs.

Sie haben vorgeschla­gen, die Zeit der Sedisvakan­z dazu zu nutzen, „in uns zu gehen und innerlich still zu werden“. Wollen Sie damit den Stillstand beschwören?

Meier: Stille zu werden hat nichts mit Stillstand zu tun. Im Gegenteil: Stille bewegt! Mir schwebt vor, dass wir in uns gehen und uns über das Wesentlich­e des Evangelium­s bewusst werden. Aus dieser Mitte heraus können wir dann alle zur geistliche­n Erneuerung unseres Bistums beitragen. Wir sollten in der Zeit der Sedisvakan­z kein Feuerwerk von Events abbrennen, sondern uns auf das innere Wachstum konzentrie­ren.

Sie appelliere­n an die Freude am Glauben. Ist sie noch steigerung­sfähig? Meier: Freude kann man nicht verordnen. Aber in der Besinnung auf unsere geistliche Mitte kann sie durchaus stärker werden. Der heilige Augustinus sagt: Nur ein Herz, das vor Liebe brennt, kann andere Menschen in der Liebe entflammen.

Sie sind in verschiede­nen hohen Funktionen im Bistum tätig und schaffen einiges weg. Das erfordert sicher eine hohe Disziplin. Wie sieht Ihr Tag aus? Meier: Mir ist es wichtig, einen festen Altar zu haben. Jeden Morgen um sieben Uhr feiere ich mit den Schwestern von Maria Stern die Messe. Und abends gehe ich nicht ohne einen geistliche­n Tagesabsch­luss zu Bett. So schlafe ich auch gut. Ebenso wichtig ist für mich, gute Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r zu haben. Das fängt in meinem Haushalt an und setzt sich im Seelsorgea­mt fort. Auf sie kann ich mich verlassen. Als ich zum Diözesanad­ministrato­r gewählt wurde, haben sie sofort gefragt: „Können wir Ihnen noch etwas abnehmen?“

War es bitter, den Dienst als Diözesanad­ministrato­r damit zu beginnen, einen Priester zu verlieren, weil er den Zölibat nicht mehr leben kann?

Meier: Ja, sehr. Wir kennen uns seit dem Studium. Ich schätze Pfarrer Anton Zech, er hat 34 Jahre lang hervorrage­nde seelsorger­liche Arbeit geleistet. Ich respektier­e, dass er nun glaubt, einen neuen Weg einschlage­n zu müssen. Wir werden ihn bei seinem Neustart unterstütz­en.

Der Zölibat wird derzeit stark diskutiert. Sollte sich etwas ändern?

Meier: Der Zölibat ist eine segensreic­he Lebensform. Niemand weiß natürlich, welchen Personen er im Laufe seines Lebens begegnet, und welche schicksalh­aften Ereignisse eintreten. Deshalb muss auch die priesterli­che Lebensform im Laufe der Jahre reifen und sich bewähren. Ich würde den Zölibat nicht prinzipiel­l infrage stellen. Aber wir sollten uns überlegen, wie wir Priester, die ihr Amt niederlege­n, etwa bei einem Neuanfang im sozial-caritative­n Bereich zur Seite stehen können.

Diözesanad­ministrato­r ist ein ziemlich sperriger Titel. Geht’s auch etwas kürzer und einfacher, die Funktion zu benennen? Eine Art Spitzname?

Meier: Einen Ministrant­en habe ich gefragt, wie lange er gebraucht hat, den Titel auszusprec­hen. „Zehn Minuten schon“, meinte er. Man kann auch nur Administra­tor oder Verwalter sagen, dann passt’s auch.

Interview: Alois Knoller

Bertram Meier, 1960 geboren und in Kaufering aufgewachs­en, wurde 1985 in Rom zum Priester geweiht. Von 1996 bis 2002 arbeitete er im Vatikan, seit 2012 leitet er im Bistum Augsburg das Seelsorgea­mt.

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Foto: Ulrich Wagner „Unsere Diözese ist so groß, dass es keine Monokultur geben muss“: Prälat Bertram Meier ist derzeit Augsburger Diözesanad­ministrato­r.

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