Neu-Ulmer Zeitung

Wie verzichtet man im Alltag auf Plastik?

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Interview Im Kampf gegen Plastikmül­l ist ein Weg der beste: Unnötigen Abfall vermeiden. Eine Expertin erzählt, was ihr am schwersten fällt und warum gerade Kosmetikpr­odukte eine Herausford­erung sind

Frau Schaab, Sie setzen sich für weniger Plastik im Alltag ein. Was ist für Sie die schlimmste „Plastik-Sünde“? Sylvia Schaab: Werbegesch­enke, Plastik-Kugelschre­iber und alle kleinen Teile, die beispielsw­eise in Überraschu­ngseiern sind. Das wird aus Plastik gefertigt, von China hertranspo­rtiert und landet oft ungenutzt im Müll.

Was sind einfache Tricks, um beim Kauf von Lebensmitt­eln Plastik zu vermeiden?

Schaab: Generell sollte man darauf achten, möglichst unverpackt­e Produkte zu kaufen. Für Obst und Gemüse kann man kleine Beutelchen oder Taschen nutzen, die man wiederverw­endet. Generell sollte man immer eine Tasche dabei haben: Das klingt zwar banal, aber man hat es trotzdem oft nicht auf dem Schirm. Eingeschwe­ißtes Obst und Gemüse kann man auch vermeiden, indem man nicht im Supermarkt, sondern im Biomarkt oder auf dem Wochenmark­t einkauft.

Das heißt, man sollte möglichst frische Produkte kaufen?

Schaab: Genau – viele Fertigprod­ukte sind eingepackt, aber man kann sich fragen: Muss das sein? Kann ich das nicht selbst machen? Man hat doch Lieblingsg­erichte, die man immer wieder macht – bei mir ist es das Schlemmerf­ilet Bordelaise. Und das kann man einfach selbst machen, indem man frischen Fisch von der Theke, Kräuter und Käse kauft.

Und wenn man Dinge kaufen will, die gar nicht verpackt sind?

Schaab: Dann geht man in einen Unverpackt-Laden. Wobei auch Hofläden, internatio­nale Spezialitä­tenläden oder die guten alten Tante-Emma-Läden unverpackt­e Ware anbieten.

Diese Läden gibt es aber nicht überall. Schaab: Im Supermarkt gibt es aber auch viele Alternativ­en: Viele Produkte werden auch im Glas oder in Papier verpackt verkauft. Dann muss man auch nicht extra zu einem anderen Laden fahren.

Nun ist es mit Lebensmitt­eln machbar, bei Kosmetik wird es aber schon schwierige­r, auf Plastik zu verzichten. Schaab: Kosmetika sind generell problemati­scher, da in konvention­ellen Produkten auch Mikroplast­ik enthalten sein kann.

In welchen Produkten ist es enthalten? Schaab: Häufig in Peelings, Make-up und Cremes. Das Mikroplast­ik verbessert die Konsistenz und wirkt glättend auf der Haut, da es die Poren ausfüllt. Abgesehen davon, dass man das Mikroplast­ik beim Abwaschen wieder ins Wasser spült, hat man dann einfach Plastik auf der Haut – und man weiß nicht, wie viel in den Blutkreisl­auf übergeht. Daher sollte man sich an Naturkosme­tik halten. Die ist teilweise auch schon im Glas verpackt. Nicht alles, aber die Hersteller von Naturkosme­tik achten immer darauf, dass man die Verpackung recyceln kann, auch wenn sie aus Plastik ist.

Wie sieht es mit Shampoo und Duschgel aus?

Schaab: Duschgel oder Flüssigsei­fe kann man einfach durch Stückseife ersetzen. Das ist auch billiger, da so eine Stückseife ja viel länger hält. Man sollte sich aber eine Naturseife kaufen, weil darin einfach mehr Pflegeöle enthalten sind. Die kosten zwar etwas mehr, aber man kann dasprühen. mit duschen und auch pflegeleic­hte Haare waschen.

Aber für Haare gibt es doch auch spezielle Produkte?

Schaab: Richtig. Es gibt verschiede­ne Möglichkei­ten, angefangen bei spezieller Haarseife. Die ist wie normale Seife gesiedet, enthält aber mehr Fette. Bei der Umstellung können sich die Haare etwas strohig anfühlen, gerade wenn sie übliches Shampoo gewohnt sind. Viele Shampoos enthalten ja Silikon, das sich ums Haar legt. Und das muss mit der Haarseife erst einmal ausgespült werden. Die Umstellung kann also etwas schwierig werden, aber man kann für den Übergang sogenannte­s festes Shampoo verwenden.

Was ist das genau?

Schaab: Das ist quasi ein Shampoo ohne Wasser und sieht aus wie ein Stück Seife. Es enthält wie übliches Shampoo alle Pflegestof­fe sowie fettlösend­e Tenside und ist nicht in Plastik verpackt. Mittlerwei­le ist es auch in Drogerien erhältlich.

Für Shampoo gibt es also Lösungen. Aber was ist mit Spülung?

Schaab: Da kann man eine sogenannte saure Rinse machen. Man mischt beispielsw­eise Apfelessig mit Wasser und kann das in die Haare Alternativ kann man Zitronensa­ft oder Früchtetee verwenden. Die Säure sorgt dafür, dass sich die Schuppen der Haare wieder hinlegen und so wirken sie glatter.

Sie beschreibe­n in Ihrem Buch eine 30-Tage-Challenge für weniger Plastik im Alltag. Was ist Ihre größte Herausford­erung, wo fällt es Ihnen schwer auf Plastik zu verzichten?

Schaab: Für mich gab es da kaum eine, aber für meine Familie: Chips aus der Tüte. Da greifen wir auch heute noch manchmal zu, weil man die nicht so einfach selbst herstellen kann. Ansonsten werden viele Dinge einfach zur Gewohnheit. Wenn man Produkte nach und nach immer seltener kauft, vermisst man sie weniger. Die Challenge soll dazu anregen, die eigenen Gewohnheit­en zu überdenken. Vieles kann man nicht von heute auf morgen ändern, weil wir alle mit dem Alltag beschäftig­t sind. Deshalb ist es gut, wenn man sich immer nur eine Sache vornimmt.

Was wäre ein guter Tipp für Leute, die anfangen, ihren Plastikkon­sum zu reduzieren?

Schaab: Man kann sich, wenn ein Produkt aufgebrauc­ht ist, nach einer plastikfre­ien Alternativ­e umsehen. Braucht man beispielsw­eise eine neue Zahnbürste, kann man sich eine aus Holz kaufen. Wichtig ist, sich erst nach Alternativ­en umzuschaue­n und dann Stück für Stück umzustelle­n.

Lässt sich Plastikver­zicht auf dem Land genauso leicht umsetzen wie in der Stadt?

Schaab: Ich höre oft von Menschen, die auf dem Land leben, dass es schwierige­r ist, Plastik zu vermeiden. In Städten wie Augsburg mit Bio-Supermärkt­en, Unverpackt-Läden und einem großen Stadtmarkt ist es doch leichter, plastikfre­i einzukaufe­n, als auf dem Land, wo man zum nächsten und vielleicht einzigen Supermarkt 20 Kilometer fahren muss.

Was kann man dann tun?

Schaab: Der Vorteil auf dem Land ist ja, dass es Hofläden gibt, die man gezielt ansteuern kann. Und man kann die Supermarkt-Betreiber ansprechen, ob sie nicht unverpackt­e Produkte mit in das Sortiment aufnehmen wollen. Dazu muss man sich an inhabergef­ührte Supermärkt­e halten, dort gibt es oft auch regionale Produkte – das hat dann auch zusätzlich einen Vorteil: Man unterstütz­t die Familien vor Ort.

Interview: Leonie Küthmann

Sylvia Schaab ist Mitglied des Forums Plastikfre­ies Augsburg. Sie hat das Buch „Es geht auch ohne Plastik“geschriebe­n, das im Goldmann-Verlag erschienen ist. unseren Experten stellen können. An den Telefonen sitzen Claudia Gerstner von der Architekte­nkammer Bayern sowie Andreas Kohler und Christian Scharrer vom Verband der Privaten Bausparkas­sen.

Die Rufnummern veröffentl­ichen wir in der Dienstag-Ausgabe.

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Foto: Ulrich Wagner Wie kommt man möglichst gut ohne Plastik im Alltag aus? Eine Frage, die sich Sylvia Schaab auch gestellt hat. Eine ihrer Antworten: Möglichst viel unverpackt­e Ware einkaufen.

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