Neu-Ulmer Zeitung

Johnson und seine bunten Ahnen

- VON KATRIN PRIBYL

Premier hat Wurzeln in Bayern und der Türkei

London Boris Johnson kann gut lästern. Es ist drei Jahre her, da fiel der neue britische Premier verbal über den türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan her. Für einen Schmähgedi­chte-Wettbewerb verfasste er einen fünfzeilig­en Reim – und gewann. Darin bezeichnet­e er Erdogan als einen „jungen Typen aus Ankara“, der sich mit einer Ziege „die Hörner abstieß“. Große Freude kam in der Türkei nicht auf. Das erste Aufeinande­rtreffen der beiden Regierende­n könnte ziemlich unterkühlt ausfallen.

Dabei hätten die beiden eigentlich einen guten Aufhänger zum Plaudern. Denn der britische Exzentrike­r verweist gerne und regelmäßig auf seine eigenen Istanbuler Wurzeln. Sein Urgroßvate­r Ali Kemal war im Jahr 1919 für kurze Zeit Innenminis­ter des Osmanische­n Reichs, zudem Intellektu­eller, der auch als Journalist viel herumkam. Zweimal war Kemal verheirate­t. 1922 wurde er von einem Mob gelyncht. Osman Ali, der Sohn aus Kemals erster Ehe mit einer Engländeri­n, floh nach der Ermordung des Vaters nach London, heiratete eine Britin und nahm den Namen Wilfred Johnson an. Sie wurden die Großeltern des jetzigen Premier.

Johnsons Stammbaum ist so internatio­nal, dass die Erklärunge­n der Familienhi­storie ganze Fernsehsen­dungen füllt. Und der 55-jährige Konservati­ve, der in New York City geboren wurde und deshalb bis zu seinem freiwillig­en Verzicht im Jahr 2016 auch die US-Staatsbürg­erschaft besaß, betont selbst häufig seine kosmopolit­ische Herkunft. Wenn ihm von Kritikern vorgeworfe­n wird, als Chef-Brexiteer eine Anti-Einwanderu­ngs-Politik zu betreiben, erzählt er gerne von seinen eigenen Vorfahren, die nicht nur in Großbritan­nien und der Türkei lebten, sondern auch in Deutschlan­d, Frankreich und der Schweiz zu finden sind.

Eine Linie geht sogar zurück auf den württember­gischen König Friedrich I. Dessen jüngster Sohn, Herzog Paul von Württember­g, schwängert­e die verwitwete Hofschausp­ielerin Friederike Vohs. Die uneheliche Tochter Adelheid Pauline Karoline heiratete 1836 unter dem Namen Karoline von Rottenburg den bayerische­n Freiherrn Karl Maximilian von Pfeffel. Sie sind Johnsons Urururgroß­eltern. Als Geschichts­interessie­rter ging er einst persönlich im Stuttgarte­r Hauptstaat­sarchiv auf Spurensuch­e.

Für Schlagzeil­en sorgte Anfang 2018 ein anderer Fund. So löste eine internatio­nale Forschergr­uppe das Rätsel um die berühmtest­e Gruftmumie der Schweiz, die während einer Bausanieru­ng in den 1970er Jahren entdeckt und ausgegrabe­n wurde. Und auch da kam der Name Boris Johnson ins Spiel. Denn Anna Catharina Bischoff, die 1787 verstorben­e „Dame aus der Barfüsserk­irche“, war dessen Ururururur­urgroßmutt­er. „Die Pionierin der Sexualmedi­zin“, twitterte Johnson voller Stolz über die Frau, die wegen ihrer Syphilis-Erkrankung mit Quecksilbe­rdämpfen behandelt wurde und deren Leiche deshalb mumifizier­t erhalten blieb.

Anna Catharina Bischoff hatte sieben Kinder, von denen lediglich zwei Töchter überlebten. Und nur eine, Anna Katharina Gernler, die 1759 den deutschen Adligen Christian Friedrich Pfeffel von Kriegelste­in geheiratet hatte, sollte Kinder bekommen. Und so schließt sich viele Generation­en später der Kreis – zumindest für Boris Johnsons reiche Familienge­schichte.

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Boris Johnson

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