Neu-Ulmer Zeitung

Alle erdenklich­en Spuren werden unter die Lupe genommen

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Interview Kriminalko­mmissar Alexander Zink erklärt, wie Ermittler der Kripo arbeiten. Manchmal sind auch kreative Lösungen gefragt

Bei einem geheimnisv­ollen KrimiDinne­r gibt es einen Toten: Die Handlung des frei erfundenen Sommerkrim­is könnte sich auch in der Realität zutragen. Wie würden dann die Profis von der Polizei vorgehen, um den Mörder zu finden? Einen Einblick in die Arbeit der Ermittler gibt Alexander Zink vom Polizeiprä­sidium Schwaben Nord. Er war zwei Jahre beim Kriminalda­uerdienst und gehört jetzt zu den Sprechern des Präsidiums.

In einer Wirtschaft liegt eine Leiche, darum herum aufgebrach­te Gäste. Wie geht die Kripo vor?

Alexander Zink: In der Regel fährt als Allererste­s eine Streife der örtlich zuständige­n PI zum Tatort. Diese Kollegen sind für den sogenannte­n Ersten Angriff zuständig. Das heißt: Die uniformier­te Polizei leitet eventuell eine Fahndungsm­aßnahme ein, sperrt den Tatort ab, stellt Personalie­n aller anwesenden Personen fest oder sichert Spuren vor Fremdeinwi­rkung. Die Informatio­nen gehen dann an die Kriminalpo­lizei, die Spuren aller Art sicherstel­lt und alle anwesenden Personen befragt, um an möglichst viele weitere Informatio­nen zu gelangen. Ein Großteil der Arbeit wird im weiteren Verlauf vom Büro aus erfolgen. Dazu gehören Vernehmung­en von Beschuldig­ten und Zeugen sowie die Auswertung und Interpreta­tion aller Spuren. Übrigens wird zu Beginn auch ein Rettungste­am vor Ort sein, das profession­elle Erste Hilfe leistet. Im ungünstigs­ten Fall bescheinig­t dann ein Arzt den Tod des Opfers.

Wie würde die Arbeit der Spurensich­erung im geschilder­ten Fall aussehen? Zink: Wichtig ist, dass keine Spuren vernichtet oder verfälscht werden, um Trugschlüs­se zu vermeiden. Deswegen trägt die Spurensich­erung Schutzklei­dung, wie einen weißen Anzug, Überziehsc­huhe, Mund- und Haarschutz und Handschuhe. Der Schutz gilt auch für die Kollegen, sollten diese mit einem toxischen Mittel in Berührung kommen. Am Tatort gibt es verschiede­nste Arten von Spuren: Das können Fingerabdr­ücke sein, DNAMateria­l oder digitale Spuren, die sichergest­ellt werden müssen. Naheliegen­d ist, dass irgendwie eine giftige Flüssigkei­t in die Hochzeitss­uppe gekommen ist. Im konkreten Fall müssten die Suppe und auch die Getränke nach toxikologi­schen Spuren untersucht werden. Generell wird die Spurensich­erung alles unter die Lupe nehmen, was mit dem Verbrechen in Verbindung gebracht werden kann.

Wie lange kann es dauern, bis die Spuren an einem Tatort gesichert sind? Zink: Das ist je nach Größe des Tatorts und der Spurenlage dem Einzelfall geschuldet. Es kann sich auch über mehrere Tage erstrecken. Dazu wird in jedem Fall der Tatort sichergest­ellt. Dies kann durch eine Rundum-die-Uhr-Bewachung erfolgen oder – wenn möglich – durch das Anbringen eines Verschluss­siegels. Kommen danach die „Tatortrein­iger“?

Zink: Die Reinigung des Tatortes ist keine Aufgabe der Polizei. Vom Eigentümer des betreffend­en Objekts können spezielle Firmen beauftragt werden. In manchen Fällen bietet auch der Bestatter diese Dienstleis­tung an. Die entstanden­en Kosten können dann vom Verantwort­lichen eingeforde­rt werden.

Die gesicherte­n Spuren sind meistens nur ein Teil des großen Puzzles, das am Ende einen Fall aufklärt. Wie bekommt der Kommissar die restlichen Puzzleteil­e zusammen? Ist die Ermittlung­sarbeit reines Handwerk oder sind manchmal auch kreative Lösungen gefragt?

Zink: Jede Fallaufklä­rung ist komplex. Der Personen- und Sachbeweis muss wie ein Puzzle zusammenge­führt werden, damit eine Tat beweissich­er und lückenlos nachgewies­en werden kann. Grundsätzl­ich wird jeder Fall nach einem definierte­n Schema abgearbeit­et. Dazu kommen Erfahrungs­werte dienstälte­rer Kollegen. Individuel­le Taten erfordern dann individuel­le Ermittlung­sansätze.

Was könnte das in unserem Sommerkrim­i bedeuten?

Zink: Als Erstes muss ein natürliche­s Ableben ausgeschlo­ssen werden. Neben der Ermittlung eines Täters oder eines Motivs wird auch ein Einfluss von außen abgeklärt. Es könnte sich auch um eine fahrlässig­e Tat handeln. Zum Beispiel könnte der Topf mit einem ätzenden Mittel geputzt worden sein, das dann die Suppe kontaminie­rt hat. Denkbar wäre auch eine Verwechslu­ng mit einem Reinigungs­mittel, das in einer Getränkefl­asche abgefüllt worden war und dann an die Gäste ausgeschen­kt wurde. Eine Obduktion gibt die erste Richtung vor.

Legen sich Kommissare auf einen Täter fest? Oder bleiben Ermittlung­en immer ergebnisof­fen?

Zink: Zunächst wird alles und jeder neutral beurteilt. Wenn es entspreche­nde Beweise gibt, dann rücken einzelne Verdächtig­e ins Zentrum der Ermittlung­en. Bei Fernsehkri­mis wird bis tief in die Nacht gearbeitet. Oft schlafen die Kommissare auf einer Pizzaschac­htel ein. Ist das auch so in der Realität? Zink: Es gibt Fälle, bei denen es tatsächlic­h erforderli­ch ist, dass deutlich länger gearbeitet wird. Hier kann es auch passieren, dass die Ruhephasen verkürzt werden. In der Regel fährt jeder Ermittler nach Hause, um dann mit voller Kraft am folgenden Tag weiter zu ermitteln.

Welche Rolle spielt der Kommissar Zufall bei Ermittlung­en?

Zink: Hierbei handelt es sich um einen Begriff, der häufig in der Presse verwendet wird, wenn die Ermittlung­en plötzlich eine überrasche­nde Wendung einschlage­n. Grundsätzl­ich gilt: Ein Zufall muss auch entdeckt und wahrgenomm­en werden.

Haben Sie ein Beispiel?

Zink: In diesem Fall wäre denkbar, dass sich der Ermittler bei einem Spaziergan­g um den Tatort Gedanken macht und hierbei auf eine Person stößt, die gerade eine verdächtig­e Flüssigkei­t entsorgt.

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Alexander Zink

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