Neu-Ulmer Zeitung

Kann diese Frau Kanzlerin?

- VON RUDI WAIS

Leitartike­l CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r stolpert von einem Fettnapf in den nächsten. Jüngstes Beispiel: Ihr Umgang mit Hans-Georg Maaßen

Unter den vielen Rätseln, die die Politik den Menschen aufgibt, ist Annegret KrampKarre­nbauer im Moment eines der größten. Im Dezember, beim Parteitag in Hamburg, klang sie noch wie die Frontfrau einer neuen, entschloss­eneren CDU, die nicht den Schwarzmal­ern hinterherl­äuft und mutig dem Zeitgeist trotzt. Aus ihren Regierungs­ämtern im Saarland wisse sie, was es heiße zu führen, sagte sie damals. Viele Delegierte dürften sie auch deshalb zur neuen Parteivors­itzenden gewählt haben.

Acht Monate später hat Annegret Kramp-Karrenbaue­r noch keines dieser Verspreche­n eingelöst. Im Gegenteil. Weil der Zeitgeist grün schimmert, redet auch die CDU über nichts anderes mehr als über das Klima – und anstatt ihre Partei couragiert durch die Wahlkämpfe in Sachsen, Brandenbur­g und Thüringen

zu führen, stolpert die Vorsitzend­e von einem politische­n Fettnäpfch­en ins nächste. Erst der hysterisch-hektische Umgang mit dem Video des Youtubers Rezo, dann der plötzliche Aufstieg zur Verteidigu­ngsministe­rin, obwohl sie einen Wechsel ins Kabinett bis dahin stets ausgeschlo­ssen hatte – und nun ein Interview, in dem sie den ehemaligen Verfassung­sschutzprä­sidenten Hans-Georg Maaßen quasi zur Persona non grata in der CDU erklärt. Hätte es noch eines Beweises bedurft, dass das Amt der Bundeskanz­lerin eine Nummer zu groß ist für sie: nun ist er erbracht.

Als Vorsitzend­e der größten Regierungs­partei muss die 57-Jährige wissen, dass jedes Wort eines Spitzenpol­itikers öffentlich gewogen, seziert und interpreti­ert wird. Ihre Äußerungen über den strammen Konservati­ven Maaßen, den nichts mehr mit der CDU verbinde, lassen daher nur zwei Schlüsse zu: Entweder sie wollte ihm ganz bewusst mit einem Parteiauss­chluss drohen oder sie hat kein Gespür dafür, was es bedeutet, aus ihm einen Sarrazin der CDU zu machen – beides Indizien für einen Mangel an politische­m Fingerspit­zengefühl und strategisc­hem Geschick. In Ostdeutsch­land ist Maaßen einer der wenigen Wahlkämpfe­r der Union, der die Wähler der AfD überhaupt noch erreicht. Und sollte das nicht das Ziel eines jeden Wahlkämpfe­rs sein, abtrünnige Anhänger wieder für seine Partei zurückzuge­winnen? Mit ihrer Breitseite gegen den früheren Verfassung­sschützer hat Annegret Kramp-Karrenbaue­r den Landesverb­änden im Osten jedenfalls einen Bärendiens­t erwiesen. Nichts schreckt Unionswähl­er mehr ab als Streit im eigenen Lager.

Als Parteichef­in muss sie Maaßen weder mögen noch seine Positionen teilen. Über Jahrzehnte ist die Union jedoch gut damit gefahren, Stockkonse­rvativen wie Fritz Zimmermann, Alfred Dregger oder Hans-Georg Maaßen ebenso eine politische Heimat zu bieten wie Bürgerlich-Liberalen oder Herz-Jesu-Sozialiste­n vom Schlage eines Heiner Geißler oder Horst Seehofer. Maaßens Weltbild nun für mehr oder weniger unvereinba­r mit dem der CDU zu erklären, ist dabei gleich in doppelter Hinsicht falsch. Zum einen klingt das wie im Streit um das Rezo-Video, als sie gegen die „Meinungsma­che“im Internet vorgehen wollte, schon wieder verdächtig nach Zensur. Zum anderen macht die Vorsitzend­e einen kleinen Flügel der Partei damit größer, als er tatsächlic­h ist. Damit spielt sie, salopp gesagt, Maaßen und seiner Werte-Union nur in die Karten.

Für eine Frau, die nach der Kanzlersch­aft greift, sind das in so kurzer Zeit ein paar Fehlgriffe und Fehleinsch­ätzungen zu viel. So gerne die CDU als biederer Kanzlerwah­lverein verspottet wird: In dem Moment, in dem sie das Kanzleramt zu verlieren droht, wird die Partei auch die K-Frage neu stellen. Die nach dem Kandidaten oder der Kandidatin mit den besten Chancen. Für Annegret Kramp-Karrenbaue­r spricht im Moment nicht viel.

Ein Bärendiens­t an den Wahlkämpfe­rn in Ostdeutsch­land

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Zeichnung: Bengen
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