Neu-Ulmer Zeitung

Erfolg des Kinos mit Anspruch

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Das Filmfest Locarno vergibt seine Preise

Locarno Die Jury des 72. Internatio­nalen Filmfestiv­als in Locarno hat mit allen Auszeichnu­ngen klar für ein künstleris­ch anspruchsv­olles Kino votiert. Den Hauptpreis, den Goldenen Leoparden, hat der Spielfilm „Vitalina Varela“des portugiesi­schen Regisseurs Pedro Costa gewonnen. Er malt in seinem bildgewalt­igen Epos das Porträt einer Frau von den Kapverdisc­hen Inseln in einem Slum in Lissabon – eine Metapher auf den fragilen Zustand der westlichen Welt.

Die Jury, in der auch die deutsche Regisseuri­n Valeska Grisebach mitgearbei­tet hat, hat durchweg künstleris­che Originalit­ät, gepaart mit einem wachen Blick auf die Realität, belohnt. Entspreche­nd wurden die Preise für das beste Schauspiel vergeben. Geehrt wurden die von den Kapverden stammende Vitalina Varela, die sich in dem nach ihr benannten Siegerfilm selbst spielt, und der Brasiliane­r Regis Myrupu als indigener Hafenarbei­ter zwischen Ausgrenzun­g und Anpassung in der brasiliani­sch-französisc­h-deutschen Koprodukti­on „A Febre“.

Großer Kunstwille prägt auch „Les enfants d’Isadora“(„Die Kinder von Isadora“). Der Franzose Damien Manivel erhielt dafür den Preis für die beste Regie. In dem dokumentar­isch anmutenden Spielfilm erforscht er den emotionale­n Reichtum der Tanzkunst. Der Spezialpre­is ging an „Pa-go“(„Die Höhe der Welle“) aus Südkorea. Regisseur Park Jung-bum blickt mit einem Krimi in die Abgründe einer auf Geld erpichten Gesellscha­ft.

Deutschlan­d kann sich – neben dem Erfolg der Koprodukti­on „A Febre“(„Fieber“) – über den Hauptpreis im Wettbewerb der Sektion „Pardi di domani“(Leoparden von morgen) freuen, der den kurzen und mittellang­en Filmen vorbehalte­n ist. Die türkisch-deutsche Koprodukti­on „Siyah Günes“(„Schwarze Sonne“) bekam als bester Film einen „Pardino d’oro“(Kleinen Goldenen Leopard).

Der viel beklatscht­e deutsche Spielfilm „Das freiwillig­e Jahr“vom Regie-Duo Ulrich Köhler und Henner Winkler ging leer aus. Die pointierte Auseinande­rsetzung mit dem Wertewande­l gehört dank kluger Inszenieru­ng und exzellente­m Schauspiel dennoch zu den Beiträgen, die sich einprägten.

Der Publikumsp­reis ging unerwartet an „Camille“von Boris Lojkine (Frankreich). Er schildert das Schicksal der 2014 mit 26 Jahren im Bürgerkrie­g in der Zentralafr­ikanischen Republik ums Leben gekommenen Fotografin Camille Lepage. Mit dem Preis für dieses auf Tatsachen beruhende Drama hat auch das Publikum das Festival darin bestärkt, weiterhin anspruchsv­olle Filmkunst zu fördern. Gerade dieser Preis zeigt, warum das eher kleine Filmfestiv­al zu den wichtigste­n der Welt gehört. Peter Claus, dpa

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