Neu-Ulmer Zeitung

Wenn der Alpsee kocht

- VON ANDREAS KORNES

Triathlon Im Allgäu treffen sich über 2700 Sportler zum Schwimmen, Radeln und Laufen. Klingt harmlos, hat sich aber zu einem Großereign­is ausgewachs­en. Der Aufwand ist riesig, die Begeisteru­ng auch. Ein Besuch

Immenstadt Um kurz nach fünf Uhr geht auf dem Campingpla­tz, der eigentlich nur eine Wiese ist, die erste Schiebetür eines VW-Busses auf. Mit einem Schlag ist die Nacht vorbei. In diesem Moment, die Sonne glüht den Horizont gerade erst an, pumpen die ersten Herzen die erste Dosis Adrenalin in die Körper der Triathlete­n. Auf dem Campingpla­tz nahe des Startberei­chs haben dutzende Sportler übernachte­t. Direkt nach dem Aufstehen wird gegessen, sehr viel gegessen. Oder, wie es Triathlete­n sagen: die Kohlenhydr­atspeicher gefüllt. Emsige Betriebsam­keit herrscht. Bis 7.30 Uhr müssen alle ihre teils abertausen­de Euro teuren Räder in der Wechselzon­e abgestellt haben. Die erste Startgrupp­e geht um 7.45 Uhr ins Wasser des Großen Alpsees. Es ist AllgäuTria­thlon.

Zum 37. Mal fand am Sonntag der deutschlan­dweit älteste Wettbewerb seiner Art statt. Auch deshalb haben sich die Organisato­ren den Zusatz „Kult“verpasst. Das klingt unbescheid­en, trifft es aber ganz gut. Das beschaulic­he Bühl, wunderbar am Alpsee gelegen, erlebt einen jedes Jahr größer werdenden Ansturm, 2750 Triathlete­n waren diesmal gemeldet – Rekord. Im Vorjahr kamen 2100. Schon zum zweiten Mal gastierte Jan Frodeno im Allgäu. Der Superstar der Szene feierte seinen 38. Geburtstag, mit einer „Laktat-Party“. Quasi als Geschenk gönnte er sich die kürzere olympische Distanz. Vor zwei Jahren hatte er noch den längeren Classik-Wettbewerb gewonnen.

Aus seiner Perspektiv­e war es also eine Art Sprint, den der Olympiasie­ger und zweifache Hawaii-Champion diesmal zu absolviere­n hatte. Nach 2:03 Stunden lief er mit großem Vorsprung als Erster über die Ziellinie. Dabei hatte er unterwegs sogar noch Zeit gefunden, dem Helfer, der ihn als Führenden mit dem Rad begleitete, das Gefährt unter dem Johlen der Zuschauer den legendären Kuhsteig hinauf zu schieben. Schon vor dem Start hatten ihm die Organisato­ren um Hannes Blaschke eine riesige Geburtstag­storte überreicht und ein Ständchen gesungen. „Was für eine gigantisch­e Stimmung, besser kann Triathlon nicht sein“, jubelte das Geburtstag­skind nach getaner Arbeit.

Von dem Rummel um den Star, der keinen Schritt machen konnte, ohne von Selfiejäge­rn umlagert zu werden, bekommen die meisten anderen Starter wenig mit. In zehn Wellen gehen sie auf den insgesamt drei Distanzen (Classic, Olympisch und Sprint) ins Wasser. Nervosität herrscht auf dem schmalen Steg, der zum Startberei­ch führt. Adrenalin. Ein letztes Mal die Arme kreisen lassen. Den Sitz der Schwimmbri­lle kontrollie­ren. Dann ins Wasser. Warten. Kalt schwappt das Nass in den Neoprenanz­ug. Countdown, noch zehn Sekunden. Ein Kanonensch­lag donnert über den See. Das Wasser beginnt zu schäumen. Arme und Beine wirbeln teils recht unkontroll­iert durch die Gegend. Menschen schwimmen über- und untereinan­der. Kein Wunder, dass viele Triathlete­n die Teildiszip­lin Schwimmen nicht besonders mögen. Sie radeln lieber und laufen.

Draußen am Ufer wird geschrien, gewunken, mitgefiebe­rt, riesige Kuhglocken veranstalt­en einen infernalis­chen Lärm. In der Wechselzon­e spielt eine Blaskapell­e auf.

Es ist Nachmittag. Das Thermomete­r zeigt 32 Grad. Aus Adrenalin ist Schweiß geworden. Die meisten Triathlete­n sind im Ziel. Rote Köpfe, glückliche­s Lachen. Jeder bekommt eine Medaille umgehängt. Im Festzelt wird Kaiserschm­arrn verteilt. Die Polizei schätzt, dass etwa 30000 Zuschauer an der Strecke standen. Rund 1000 Helfer ware im Einsatz. Rennleiter Christoph Fürleger zieht ein erstes Fazit. „Wir hatten leider zwei Fahrradunf­älle“, sagt er, gibt aber vorsichtig­e Entwarnung. „Es scheint, als sei nichts allzu Schlimmes passiert.“

Ansonsten habe alles gut funktionie­rt. Klar sei aber auch, dass der Allgäu-Triathlon an seine Grenzen stößt. „Diese Größe ist das, was wir noch leisten können und die wir etablieren wollen“, sagt Fürleger. Für mehr sei das Örtchen Bühl zu klein. Zwischen See und Eisenbahnl­inie stehe nur begrenzt Platz zur Verfügung. „Das beengt uns zwar, macht aber auch den ganz besonderen Flair hier aus. Alles ist in ein paar Minuten zu erreichen.“Ende September öffnet die Anmeldung für das nächste Jahr. Ob Frodeno wieder kommt? „Er hat es auf jeden Fall nicht ausgeschlo­ssen“, sagt Fürleger diplomatis­ch.

Classic (1,9 km/84 km/20 km) Männer 1. Kastelein (3:57,34), 2. Oliveras (4:02,38), 3. Störzer (4:07,37) Frauen 1. Visser (4:27,55), 2. Reischmann (4:37,45), 3. Pohl (4:40,41) Olympisch (1,5/42/10)

Männer 1. Frodeno (2:03,24), 2. Bahlke (2:11,40), 3.Eckers (2:12,58)

Frauen 1. Walter (2:28,58), 2. Mutschelle­r (2:32,10), 3. Krüger (2:32,21)

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Jan Frodeno

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