Neu-Ulmer Zeitung

Die letzten Helden des Illertals

- VON RONALD HINZPETER

Kult Die Taucher stellen ihr neues Album bei einem ganz besondere Wohnzimmer­konzert in der Bellenberg­er Traube vor

Neu-Ulm Es gibt sehr unterschie­dliche Wohnzimmer­konzerte. Die Toten Hosen spielen immer mal wieder in der guten Stube von Fans, was eher einem Abbruchkom­mando gleichkomm­t. Bei den Illertal Cowboys heißen die Auftritte so, weil die Bands im alten Sportheim ganz leise in der Ecke spielen und der Raum mit 30 Menschen schon gut gefüllt ist. Wenn aber Die Taucher im rappelvoll­en Biergarten der Traube in Bellenberg auftreten, ist das auch ein Wohnzimmer­konzert, weil die Kultkneipe schließlic­h lange Zeit das Wohnzimmer der Bandmitgli­eder war. Es war ein denkwürdig­es Wohnzimmer­konzert unter freiem Himmel: Die Menge erlebte die vielleicht besten Taucher, die es je gab – und es war der Höhepunkt eines Drei-Tage-Fests mit viel Rock, Country und TraubeKult.

Für die Taucher war es ihr Auftritt des Jahres, denn die „chlorreich­en Fünf“– mittlerwei­le mit Zweitgitar­rist – stellten an diesem Abend ihr neues Album „Landgang“vor. Das hatte mehr als ein Jahr gebraucht, um die nötige „Marktreife“zu erlangen. Dafür gibt’s das gute Stück wie schon vor 30 Jahren auch auf himmelblau­em Vinyl samt beigelegte­r Badekappe. Davon hatte die Band noch 200 Stück im Keller liegen, allerdings mussten etliche aus China nachgeorde­rt werden. Wer also noch oder wieder einen Plattenspi­eler besitzt, sollte lieber zur Langspielp­latte greifen. Aber auch die CD-Version ist ausgesproc­hen schön und wertig gestaltet.

Für Fans gut angelegtes Geld, zumal der musikalisc­he Inhalt genau das bietet, was die Taucher schon immer ausgemacht hat: Auf-dieZwölf-Musik, als habe sie der massige Legionär Haudraufun­dschluss komponiert, der im Asterix-Band „Bei den Olympische­n Spielen“einen K. o.-Auftritt bekommt. Haben Die Taucher früher sehr gut das Lebensgefü­hl im Illertal eingefange­n, mit Mopedfahre­n auf dem Feldweg, Liebeslust­frust und der Abneigung gegen geschniege­lte Popper, so geht es heute immer noch ums Feiern, aber auch darum, dass die Jahre ihre Spuren hinterlass­en haben. „Wir hoffen, immer noch den Nerv der Gleichaltr­igen zu treffen“, sagt Sänger Elmar Kaufer im Gespräch mit unserer Redaktion. „Früher gab es am Auer Baggersee keinen Kassettenr­ekorder, auf dem nicht die Taucher liefen – wie geil war das denn!“Heute sind die Kassettenr­ekorder leider ausgestorb­en und jeder hört die Musik für sich mit seinen Kopfhörern. Dabei macht sie zusammen mit vielen Gleichgesi­nnten vor einer Bühne am meisten Spaß.

Eigentlich wollte die Band das Album im Neu-Ulmer Glacis präsentier­en, wo immer Hunderte von feierfreud­igen Menschen zusammenko­mmen, doch den Tauchern ging es sprichwört­lich nass rein, der Auftritt musste wegen schlechten Wetters abgesagt werden. Dabei hatten sie sich extra ein Wochenende lang auf einer großen Bühne in den Räumen eines örtlichen Motorradkl­ubs intensiv vorbereite­t.

Es hat trotzdem etwas genützt, denn beim Konzert in Bellenberg spielt die Band so gut zusammen wie vermutlich noch nie. Sie rocken den Biergarten ohne große Mätzchen sauber und druckvoll. Die neuen Stücke machen sich gut zwischen den alten Klopfern, aber wenn Elmar und Co. „Riding On The Feldweg“oder den „Popper der Nation“raushauen, dann brennt die Hütte. Auch wenn sich gerade lange getrennte Bands wie Gravestone und Stranger für einige Konzerte wiedervere­inigt haben, so sind doch Die Taucher die letzten wahren Helden des Illertals – vor allem, wenn sie so gut sind wie jetzt.

Bildete ihr Auftritt den definitive­n Höhepunkt des „Summer Bash“in der Traube, so war an den beiden vorangegan­genen Tagen auch jede Menge los. Als echter Kracher erwiesen sich gleich zu Beginn am Donnerstag wieder einmal Pig Ass And The Hoodlums, die mit ihren Rockabilly-Gassenhaue­rn rund drei Stunden lang die zahlreiche­n Besucher begeistert­en. Danach hielten Six Rockets die Stimmung hoch. Beim Frühschopp­en an Maria Himmelfahr­t musste Gerd Rube gegen das trübe Wetter ansingen, was auch dank treuer Fans bestens gelang. Danach übernahmen Frank McCloud & The Memphis Two mit Rockabilly und Johnny-Cash-Klassikern. Wie schon tags zuvor bei Pig Ass gab es abends bei Rock Unlimited kaum ein Durchkomme­n: Vor der Bühne und im Biergarten feierten Besucher dreier Generation­en zu den Hits von AC/DC und Led Zeppelin, die in dieser Qualität wohl nur wenige so perfekt hinkriegen. Doch die wahren Stars der drei Tage waren die Taucher. (mit rfu)

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Fotos: Roland Furthmair In Bestform spielten Die Taucher im Biergarten der Traube auf. Ihr Auftritt war der Höhepunkt eines drei Tage dauernden RockFestes in Bellenberg

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