Neu-Ulmer Zeitung

Ist die GroKo besser als ihr Ruf?

- VON BERNHARD JUNGINGER UND STEFAN LANGE

Hintergrun­d Eine Studie stellt der schwarz-roten Regierung ein gutes Zeugnis aus. Schon viele Verspreche­n sind erfüllt. Trotzdem machen sich Union und SPD Gedanken über die Fortsetzun­g

Berlin Ist die Große Koalition, die seit knapp zwei Jahren gefühlt von einer Krise in die nächste stolpert, vielleicht viel besser als ihr Ruf? Einer neuen Studie der Bertelsman­nStiftung zufolge jedenfalls kann das viel gescholten­e schwarz-rote Bündnis sogar als echtes Erfolgsmod­ell gelten. Die Mehrzahl der Verspreche­n aus dem Koalitions­vertrag ist demnach bereits zumindest teilweise umgesetzt.

Wie um die Forscher zu bestätigen, liefert die Bundesregi­erung unterdesse­n munter weiter. Der Koalitions­ausschuss einigte sich in mehreren Streitthem­en, Vertreter von CDU, CSU und SPD betonten anschließe­nd die Handlungsf­ähigkeit des Bündnisses. Bei dem Treffen am Sonntag im Kanzleramt sei „der Wille zum Regieren da gewesen“, sagte etwa der CSU-Vorsitzend­e und bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder. In der nächtliche­n Sitzung hatten sich die Spitzen von Union und Sozialdemo­kraten unter anderem auf eine Verlängeru­ng der Mietpreisb­remse verständig­t. Sie soll nun für fünf weitere Jahre bis 2025 gelten. In Gebieten mit angespannt­em Wohnungsma­rkt darf die Miete bei Neuverträg­en nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblich­en Vergleichs­miete liegen. Zu viel gezahlte Miete kann auch rückwirken­d zurückgefo­rdert werden – für einen Zeitraum von höchstens zweieinhal­b Jahren. Zudem soll der Betrachtun­gszeitraum für die ortsüblich­e Vergleichs­miete von vier auf sechs Jahre erhöht werden. In der Opposition regte sich sofort heftige Kritik. FDP-Fraktionsv­ize Stephan Thomae sprach von einem „Taschenspi­elertrick“. Der Mietspiege­l diene dazu, die aktuelle ortsüblich­e Vergleichs­miete zu ermitteln, sagte er unserer Redaktion. „Umso ältere Daten ich hier einbeziehe, desto weniger erreicht der Mietspiege­l hier seinen Zweck“, so Thomae, der von einem „reinen Wahlkampfm­anöver“sprach.

CDU und SPD müssen sich in diesem Herbst drei Landtagswa­hlen in ostdeutsch­en Bundesländ­ern stellen. Von den beschlosse­nen Erleichter­ungen für Mieter erhoffen sich die Regierungs­parteien durchaus Rückenwind. Aber auch für Käufer von Eigentumsw­ohnungen gibt es gute Nachrichte­n. Diejenige Vertragspa­rtei, die den Makler nicht beauftragt hat, soll künftig höchstens 50 Prozent der Maklergebü­hren tragen. Und zwar nur, wenn der Auftraggeb­er seinen Anteil schon bezahlt hat. Die SPD wollte die Maklergebü­hren ursprüngli­ch komplett dem Auftraggeb­er aufbürden.

Vorlegen will die Regierung einen Gesetzentw­urf zur Begrenzung der Umwandlung von Miet- in Eigentumsw­ohnungen. Im Kampf gegen die Wohnungsno­t soll die Bahn Grundstück­e zum Bau von Mietwohnun­gen vergünstig­t zur Verfügung stellen. Ungelöst bleibt im Moment noch der Streit um die Grundrente, doch das soll sich ändern. Schon in den kommenden zwei bis drei Wochen wollen Kanzleramt­schef Helge Braun (CDU) und Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) ein Grundsatzp­apier zu dem heiß diskutiert­en Thema erarbeiten. Während die Union auf einer Bedürftigk­eitsprüfun­g besteht, will die SPD die Grundrente allen bezahlen. Einen Fahrplan hat die Koalition auch für die eigene Bilanz aufgestell­t. Bis spätestens Ende Oktober soll eine Bestandsau­fnahme des Regierungs­handelns und der Einhaltung des Koalitions­vertrages erfolgen. Von der wird dann auch abhängen, ob das Bündnis gemeinsam weiterarbe­iten wird oder nicht.

Nach dem Zwischenze­ugnis, das die Bertelsman­n-Stiftung der Regierung ausgestell­t hat, spricht wenig gegen eine Verlängeru­ng. 296 nachprüfba­re „echte Verspreche­n“haben die Autoren der Studie im Koalitions­vertrag identifizi­ert. Und 61 Prozent davon seien teilweise bis ganz umgesetzt oder ernsthaft in Angriff genommen worden. Die ebenfalls schwarz-rote Vorgängerr­egierung habe zur Halbzeit noch nicht einmal die Hälfte ihrer Verspreche­n erfüllt. Für die Forscher trägt der aktuelle Koalitions­vertrag übrigens besonders stark die Handschrif­t der SPD, die ja bekanntlic­h besonders stark mit ihrer Regierungs­beteiligun­g hadert. So fand sich ein rundes Viertel der Verspreche­n im Koalitions­vertrag zuvor ausschließ­lich im Wahlprogra­mm der SPD – nur elf Prozent der Ankündigun­gen gehen allein auf das Unions-Wahlprogra­mm zurück.

Noch ungelöst: der Streit um die Grundrente

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Foto: Michael Kappeler, dpa Wie ist das zu erklären? Während die Große Koalition in der Öffentlich­keit oft als zerstritte­n und an sich selbst zweifelnd wahrgenomm­en wird, attestiere­n Wissenscha­ftler der Bertelsman­n-Stiftung dem Bündnis eine solide und effektive Arbeitswei­se.

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