Neu-Ulmer Zeitung

Ein Ort der Ruhe in der Neu-Ulmer Innenstadt

- VON ANDREAS BRÜCKEN

Geschichte Die Häuser an der Wallstraße gehören seit 1861 zum Stadtbild. Sie haben eine bewegte Vergangenh­eit – und teilweise eine ungewisse Zukunft

Neu-Ulm Eine Katze liegt entspannt auf einer Bank und genießt die Sonne. Geranien, Nelken und Hibiskus blühen prächtig in großen Blumentöpf­en und eine alte Sitzbank lädt jeden Ruhesuchen­den ein, in der Stille des Innenhofes zu verweilen. Wer hier ankommt, vergisst schnell, dass er sich inmitten einer lebhaften Stadt befindet: Der verträumte Platz liegt versteckt hinter einer Häuserzeil­e der Wallstraße in NeuUlm. Edeltraud Müller, die hier seit über 50 Jahren lebt, ist sich sicher, dass die kleinen Reihenhäus­er zu den ältesten Gebäuden der Stadt gehören.

Der Schreinerm­eister Konrad Schuster hatte die meisten Häuser in Jahren 1861 bis 1865 gebaut. In den fast 160 Jahren habe sich Vieles ereignet, sagt Müller, die ausgiebig in den Archiven über „ihre“Straße und deren Geschichte nachgefors­cht hat. So sei der Bebauungsp­lan streng nach den Richtlinie­n von König Maximilian erfolgt: „Die Reihenhäus­er durften nur ohne größeren Zwerchgieb­el und mit einem durchlaufe­nden, waagerecht­en Gesims in der Flucht der Fensterunt­erkante des ersten Stockes gebaut werden.“Als Sinnbild für den unendliche­n Fluss in die Zukunft, sei diese Bauweise verordnet worden, erklärt Müller und weiter: „Damals war die Wallstraße eine noble Gegend mit namhaften Persönlich­keiten.“So war der aus München zugezogene Malermeist­er Otto Schober Ende des 19. Jahrhunder­ts Mitglied im Magistrat – wie auch Konrad Schuster, der zudem von 1873 bis 1875 Bürgermeis­ter war.

Südwestlic­h, auf der Rückseite der Häuser, erstreckte sich die Friedenska­serne. Hinter der Hausnummer 27 konnten die Soldaten in der Gaststätte „Heimat“ihren Durst stillen. Zahlreiche Wirtschaft­en habe es damals in der Umgebung der Kaserne gegeben, erzählt Müller. Doch als die meisten Soldaten um 1870 in den Krieg an die französisc­he Grenze geschickt wurden, trockneten viele Zapfhähne in NeuUlm aus.

Ein historisch­en Foto aus dem Jahr 1910 zeigt, dass die Wallstraße damals noch am Stadtrand lag: Jenseits der Gartenzäun­e ist eine Wiese zu sehen. Recht kurios und makaber erscheint aus heutiger Sicht der Vorgarten von Adolf Schobel: Der Steinmetz präsentier­te im schicken Wohnvierte­l ein reichhalti­ges Angebot von Grabsteine­n.

Das Ende der beschaulic­hen Wallstraße kam, wie so oft, mit den Luftangrif­fen des Zweiten Weltkriege­s. Wegen der Nähe zum Bahnhof und der Kaserne wurde die Straße nahezu zerstört. Nur Bombenkrat­er und Brandruine­n blieben von der schicken Straße noch übrig. Müller erinnert sich: „Das Eckhaus zur Bahnhofstr­aße wurde völlig zerstört. An der Giebelwand der Ruine hing in luftiger Höhe eine Kloschüsse­l, auf die wir als Kinder mit Steinen gezielt haben.“Nach dem Krieg hielt sich bis in die 1950er Jahre eine Landwirtsc­haft. „Die Bäuerin hat mit einem Pferdewage­n Speiserest eingesamme­lt und damit ihre Schweine gemästet“, erzählt Müller.

Mit Blick auf die Gegenwart zeigt sich Müller selbstbewu­sst: „Unsere Häuser sind ökologisch wertvoll, weil unsere Grundstück­e kaum versiegelt sind“, sagt sie und zeigt auf die grünen Vorgärten. Ungewiss bleibt die Zukunft von zwei Reihenhäus­ern, die schon seit vielen Jahren leer stehen und einen sichtlich verwahrlos­ten Eindruck machen. Der Abbruch eines Hauses wurde bereits von der Stadtverwa­ltung genehmigt. Gerüchte, wonach ein Investor die Häuser abreißen lassen möchte, um dort einen siebenstöc­kigen Wohnblock zu errichten, wurden vom Rathaus auf Anfrage unserer Redaktion nicht bestätigt. Eine Bebauung in dieser Höhe sei dort mit Sicherheit nicht drin, erklärte Stadtbaume­ister Markus Krämer, auch wenn der neue Bebauungsp­lan mehr zulassen soll als bisher.

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