Ein Ort der Ruhe in der Neu-Ulmer Innenstadt
Geschichte Die Häuser an der Wallstraße gehören seit 1861 zum Stadtbild. Sie haben eine bewegte Vergangenheit – und teilweise eine ungewisse Zukunft
Neu-Ulm Eine Katze liegt entspannt auf einer Bank und genießt die Sonne. Geranien, Nelken und Hibiskus blühen prächtig in großen Blumentöpfen und eine alte Sitzbank lädt jeden Ruhesuchenden ein, in der Stille des Innenhofes zu verweilen. Wer hier ankommt, vergisst schnell, dass er sich inmitten einer lebhaften Stadt befindet: Der verträumte Platz liegt versteckt hinter einer Häuserzeile der Wallstraße in NeuUlm. Edeltraud Müller, die hier seit über 50 Jahren lebt, ist sich sicher, dass die kleinen Reihenhäuser zu den ältesten Gebäuden der Stadt gehören.
Der Schreinermeister Konrad Schuster hatte die meisten Häuser in Jahren 1861 bis 1865 gebaut. In den fast 160 Jahren habe sich Vieles ereignet, sagt Müller, die ausgiebig in den Archiven über „ihre“Straße und deren Geschichte nachgeforscht hat. So sei der Bebauungsplan streng nach den Richtlinien von König Maximilian erfolgt: „Die Reihenhäuser durften nur ohne größeren Zwerchgiebel und mit einem durchlaufenden, waagerechten Gesims in der Flucht der Fensterunterkante des ersten Stockes gebaut werden.“Als Sinnbild für den unendlichen Fluss in die Zukunft, sei diese Bauweise verordnet worden, erklärt Müller und weiter: „Damals war die Wallstraße eine noble Gegend mit namhaften Persönlichkeiten.“So war der aus München zugezogene Malermeister Otto Schober Ende des 19. Jahrhunderts Mitglied im Magistrat – wie auch Konrad Schuster, der zudem von 1873 bis 1875 Bürgermeister war.
Südwestlich, auf der Rückseite der Häuser, erstreckte sich die Friedenskaserne. Hinter der Hausnummer 27 konnten die Soldaten in der Gaststätte „Heimat“ihren Durst stillen. Zahlreiche Wirtschaften habe es damals in der Umgebung der Kaserne gegeben, erzählt Müller. Doch als die meisten Soldaten um 1870 in den Krieg an die französische Grenze geschickt wurden, trockneten viele Zapfhähne in NeuUlm aus.
Ein historischen Foto aus dem Jahr 1910 zeigt, dass die Wallstraße damals noch am Stadtrand lag: Jenseits der Gartenzäune ist eine Wiese zu sehen. Recht kurios und makaber erscheint aus heutiger Sicht der Vorgarten von Adolf Schobel: Der Steinmetz präsentierte im schicken Wohnviertel ein reichhaltiges Angebot von Grabsteinen.
Das Ende der beschaulichen Wallstraße kam, wie so oft, mit den Luftangriffen des Zweiten Weltkrieges. Wegen der Nähe zum Bahnhof und der Kaserne wurde die Straße nahezu zerstört. Nur Bombenkrater und Brandruinen blieben von der schicken Straße noch übrig. Müller erinnert sich: „Das Eckhaus zur Bahnhofstraße wurde völlig zerstört. An der Giebelwand der Ruine hing in luftiger Höhe eine Kloschüssel, auf die wir als Kinder mit Steinen gezielt haben.“Nach dem Krieg hielt sich bis in die 1950er Jahre eine Landwirtschaft. „Die Bäuerin hat mit einem Pferdewagen Speiserest eingesammelt und damit ihre Schweine gemästet“, erzählt Müller.
Mit Blick auf die Gegenwart zeigt sich Müller selbstbewusst: „Unsere Häuser sind ökologisch wertvoll, weil unsere Grundstücke kaum versiegelt sind“, sagt sie und zeigt auf die grünen Vorgärten. Ungewiss bleibt die Zukunft von zwei Reihenhäusern, die schon seit vielen Jahren leer stehen und einen sichtlich verwahrlosten Eindruck machen. Der Abbruch eines Hauses wurde bereits von der Stadtverwaltung genehmigt. Gerüchte, wonach ein Investor die Häuser abreißen lassen möchte, um dort einen siebenstöckigen Wohnblock zu errichten, wurden vom Rathaus auf Anfrage unserer Redaktion nicht bestätigt. Eine Bebauung in dieser Höhe sei dort mit Sicherheit nicht drin, erklärte Stadtbaumeister Markus Krämer, auch wenn der neue Bebauungsplan mehr zulassen soll als bisher.