Bellenberger meißelt am Münster mit
Porträt Am höchsten Kirchturm der Welt gibt es für Felix Bobke einiges zu tun. Den Steinmetzgesellen hat es auf der Walz von Berlin in die Region verschlagen. Warum auch sein neuer Heimatort von der Handwerkskunst profitiert
Bellenberg/Ulm Wenn Felix Bobke das Tor seiner Arbeitsstätte in Ulm passiert hat, steht er mitten im Mittelalter. Der Steinmetzgeselle und gebürtige Berliner führt ein Leben zwischen den Zeiten. Denn er arbeitet in der Münsterbauhütte. Mit dem Meißel in der Hand restauriert er den jahrhundertealten Sandstein des Ulmer Münsters. Er bessert aus, flickt schadhafte Stellen oder fertigt neue Teile an, damit die höchste Kirche der Welt auch künftigen Generationen erhalten bleibt.
Handwerkliches Geschick und Geduld sind dabei gefragt, denn die Arbeit ist detailreich und zeitaufwendig. Meist beginnt alles mit einem Quader. „Aus dem wird der gewünschte Stein grob herausgeschlagen“, erklärt der 27-Jährige. Dann werde das Arbeiten immer kleinteiliger, bis zu feingliedrigen gotischen Ornamenten. „Die wenigsten haben eine Vorstellung davon, wie die Verzierungen zustande kommen“,
Die Walz sah er als Chance und Privileg zugleich
sagt der Experte. Doch jedes Detail entstehe in traditioneller Handarbeit. Geschmack und Formgefühl seien vonnöten: „Im Vergleich zu früher hat sich beim Werkzeug und in der Technik nicht viel geändert.“Doch eine Erleichterung gebe es: Der Meißel, mit dem der Sandstein für das Münster bearbeitet wird, läuft elektrisch.
Die Walz hat den 27-Jährigen von seiner Heimatstadt Berlin in den Süden verschlagen. Auf dem Weg hat der Handwerksgeselle viele Kirchen gesehen und festgestellt: „Am Ulmer Münster kommt kein Steinmetz vorbei.“In Bellenberg wohnten Freunde von ihm, hier fand er seine neue Wahlheimat. Er habe lange genug in der Bundeshauptstadt gelebt. „Nun möchte ich das andere Extrem, das Landleben kennenlernen“, sagt der Ex-Berliner. Von Bellenberg habe er sich sofort angesprochen gefühlt.
Der Steinmetzgeselle hatte sich vorgenommen, alles an Berufserfahrung und Wissen mitzunehmen, was geboten ist. Auf der Walz befolgte er die strengen Regeln der Schächte, welche auf die mittelalterlichen Gesellenvereinigungen zurückgehen. Sie stellten einst den Gegenpol zu den Zünften dar. Bobke erzählt, er habe sich gleich den ältesten Schacht mit besonders strengen Regeln herausgesucht: „Mir imponierte, wie sie auf Tradition, Werten, aber auch Idealismus aufbauten.“Die Walz sah er als Chance und Privileg zugleich. Er habe sich immer interessante Plätze heraussuchen können und sei viel herumgekommen.
Seine Leidenschaft für den Stein hat Felix Bobke früh entdeckt. Als
Schüler habe er ein Praktikum bei einem Steinmetz absolviert und dieser habe ihm Talent bescheinigt, erinnert sich der 27-Jährige. Das Handwerk interessierte ihn und sein Berufsweg stand fest. „Ich musste mir nie Gedanken über meine Zukunft machen“, sagt er zurückblickend. Der Weg für ihn war klar.
In Berlin absolvierte er seine Steinmetzlehre, danach ging er auf die Walz. Zwar sei diese traditionelle Möglichkeit der Weiterbildung für frischgebackene Gesellen heute nicht mehr gefordert. „Doch ich kann nur empfehlen, auf die Walz zu gehen. Ich habe noch nie so viel in so kurzer Zeit gelernt.“
Inzwischen ist die Walz beendet
der 27-Jährige bereitet sich auf die Meisterprüfung vor. Für seine praktische Abschlussarbeit hat er nach einem Objekt gesucht, von dem ein Nutzen ausgeht, wie er sagt. Es sollte einen Sinn haben. „Da hatte ich die Idee, mich mit meiner Kunst für die freundliche Aufnahme in Bellenberg erkenntlich zu zeigen“, sagt der Steinmetzgeselle. Also meißelte er das Wappen der Kommune in Stein. Dafür wählte er die Form eines Steinkreises mit gotischem Zierwerk – das Gemeindewappen Bellenbergs in Grün und Gold prangt in der Mitte. Demnächst soll das Kunstwerk auf einem Metallgestell am südlichen Ortseingang stehen.
Wie es sich für die Arbeit mit historischen Werkstücken gehört, befasste sich der Steinbildhauer mit der Heraldik, um Wappen und Farben detailgetreu wiederzugeben. Für das in Stein gemeißelte Wappen hat er ein besonders geeignetes Naturmaterial mit „toller Farbgebung“gewählt: den Thüster Kalkstein, der im südlichen Niedersachsen gebrochen wird. Die Materialkosten übernimmt die Gemeinde.
Bobkes Idee ergänzt sich mit dem neuen Bewusstsein in Bellenberg für die eigene Geschichte. Dort entsteht derzeit der Rundweg „Zeitreise“mit Infotafeln zu historischen Plätzen im Dorf. Im Frühjahr soll er eingeweiht werden. Das in Stein geund
meißelte Wappen ist eine weitere Bereicherung für die Gemeinde.
Für Felix Bobke heißt es danach aber erst einmal wieder: die Schulbank drücken – in Vollzeit. Sich nur mit Kursen nebenher das nötige Wissen anzueignen, damit fühlte sich der 27-Jährige zu wenig vorbereitet auf seinen Abschluss. Deshalb tauscht er für ein Jahr Meißel und Hammer gegen die Schulbank ein. Um danach als Steinmetzmeister neue Kunstwerke zu schaffen. Was ihm an seinem Handwerk noch gefällt, ist die Nachhaltigkeit: „Stein geht nie aus, die Erde bildet ihn nach.“Es würden immer wieder Erdschichten erkalten und zu Stein werden.