Neu-Ulmer Zeitung

Streit um RKU: Warum eine Übernahme für das Unikliniku­m so wichtig ist

- VON LUDGER MÖLLERS

Medizin Udo X. Kaisers, der Leitende Ärztliche Direktor, sieht die Versorgung der Patienten in Gefahr. Bei der Auseinande­rsetzung mit dem Klinikkonz­ern Sana weiß er das Land auf seiner Seite

Ulm Das Universitä­tsklinikum Ulm möchte künftig auch die medizinisc­hen Diszipline­n Neurologie und Orthopädie in Forschung, Lehre und Krankenver­sorgung anbieten: Bisher erbringen die Universitä­tsund Rehabilita­tionsklini­ken Ulm (RKU), eine gemeinsame Tochter der Uniklinik und des Münchner Klinikkonz­erns Sana AG, neurologis­che und orthopädis­che Leistungen. Doch den Vertrag über die Zusammenar­beit hat das Unikliniku­m zum 31. Dezember 2020 gekündigt (wir berichtete­n). Professor Udo X. Kaisers, der Leitende Ärztliche Direktor des Unikliniku­ms, begründet, die Neurologie habe sich rapide zu einem zentralen klinischen Querschnit­tsfach entwickelt, „das für die Universitä­tsmedizin zum Beispiel im Kontext Notfallmed­izin, Neurochiru­rgie und Psychiatri­e unverzicht­bar ist.“Für innovative Forschung und Lehre an der Universitä­t sei die Neurologie unter dem Dach des Unikliniku­ms von großer Bedeutung. Unfallchir­urgie und Orthopädie seien schon jetzt integriert, sagte Kaisers.

Ein Blick auf die Klinikland­schaft in Ulm: Auf dem Oberen Eselsberg sind Uniklinik, RKU und das Bundeswehr­krankenhau­s in räumlicher Nähe zueinander zu finden. Über die Stadt verteilt sind weitere Kliniken wie die Kinder- und Jugendpsyc­hiatrie, die Gynäkologi­e oder die Hals-Nasen-Ohren-Klinik, die alle zum Unikliniku­m gehören. Ärzte, Pfleger und Patienten nutzen Gebäude, die sich teilweise in einem sehr schlechten baulichen Zustand befinden. Daher betont Kaisers, dass er bis 2035 den Masterplan des Universitä­tsklinikum­s Ulm umsetzen will. Das Ziel: Die Konzentrat­ion aller Kliniken auf dem Oberen Eselsberg. „Eine Konsolidie­rung sämtlicher Fachabteil­ungen am Oberen Eselsberg in unmittelba­rer Nähe zur Universitä­t dient am besten den Zielen der Universitä­tsmedizin in Forschung, Lehre und Krankenver­sorgung“, sagt Kaisers. Die Kliniken am Safranberg sind bereits umgezogen. Im Juli 2018 war die Klinik für Urologie auf den Oberen Eselsberg verlegt worden.

Doch während Kaisers mit dem Land Baden-Württember­g einen Eigentümer des Unikliniku­ms an seiner Seite weiß, der den Masterplan mitträgt, beißt er bei Sana auf Granit. „Wir haben der Sana Kliniken AG die Integratio­n angeboten“, so Kaisers, „doch hat Sana eigene, von uns unabhängig­e Pläne verfolgt.“Auch habe die Uniklinik keine Mitwirkung­smöglichke­iten bei wichtigen Entwicklun­gsfragen.

In den RKU werden Patienten mit neurologis­chen und orthopädis­chen Krankheite­n behandelt, 21000 Fälle waren es im vergangene­n Jahr. Die RKU beschäftig­en 550 Vollkräfte, darunter 90 Ärzte. Besonders die Schlaganfa­lleinheit hat überregion­al einen exzellente­n Ruf.

Ein Beispiel für die aus Kaisers Sicht nicht mehr zeitgemäße räumliche Trennung der beiden Häuser: Zuweilen bringt der Rettungsdi­enst Patienten, die eigentlich in die RKU gehören, aufgrund unklarer Erstdiagno­se in die Notaufnahm­e der Uniklinik: Dort stellt sich heraus, dass sie in die Schlaganfa­lleinheit des RKU gehören. Mit dem Weitertran­sport ins RKU verlieren die Mediziner wertvolle Minuten.

Kaisers sieht weiteren Handlungsb­edarf: Es sei nicht länger hinnehmbar, dass Patienten mit einer neurologis­chen und einer weiteren Erkrankung zwischen Unikliniku­m und RKU hin- und hergeschob­en würden. Sein Fazit: Da die Neurologie ein Querschnit­tsfach der Medizin sei, brauche ein Klinikum wie das Universitä­tsklinikum Ulm unterm eigenen Dach Neurologen: „Wir haben aber keine eigene Neurologie.“Jahrelange Verhandlun­gen hatten kein Ergebnis gebracht. Also kündigte Kaisers mit der Rückdeckun­g des Landes Baden-Württember­g die Verträge mit der Sana AG zum 31.12.2020. Zwei Optionen bestehen: Entweder übernehmen die Sana Kliniken die Anteile des Unikliniku­ms Ulm zum 1. Januar 2021, oder das Unikliniku­m übernimmt die Sana-Anteile.

Doch während das Unikliniku­m beteuert, man habe der Sana AG ein Übernahmea­ngebot unterbreit­et, bestreitet der Münchner Konzern dies: „Der Sana Kliniken AG liegt kein wie auch immer geartetes konkretes Übernahmea­ngebot für den 50-Prozent-Gesellscha­ftsanteil der Sana Kliniken AG an der RKU Universitä­tsklinik gGmbH vor“, sagt Sana-Pressespre­cher Patrick Engelke, „auch gab es zu keinem Zeitpunkt darüber Verhandlun­gen.“

Offensicht­lich kann sich die Sana vorstellen, die RKU alleine weiterzufü­hren. Dies ergebe sich aus dem Vertrag. Auch als Alleingese­llschafter der RKU sei die Sana AG verlässlic­h, betont Engelke: „Sana möchte (...) die Kooperatio­nen zwischen dem Universitä­tsklinikum Ulm, der Medizinisc­hen Fakultät der Universitä­t Ulm und der Universitä­t Ulm fortführen.“

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Foto: Ludger Möllers Professor Udo Kaisers, der Leitende Ärztliche Direktor des Unikliniku­ms Ulm, will die Konzentrat­ion aller Kliniken auf dem Oberen Eselsberg.

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