Werden, was man sein könnte
Es ist schon erstaunlich, was Manager im Ruhestand so alles anstellen. Mancher Rendite-Trimmer versucht, seine moralische Bilanz in Flüchtlingsprojekten oder Suppenküchen zu optimieren, ehe er dem Allmächtigen gegenübertritt. Es ist schließlich nie zu spät, das zu werden, was man hätte sein können, ermunterte schon die englische Schriftstellerin George Eliot Menschen zur Umkehr. Eigentlich hieß die Dame einmal Mary Anne Evans. Aber das tut nichts zur Sache.
Was aber dann schon erwähnt werden muss, ist die Wandlungsfähigkeit des Menschen, ja seine nicht zu leugnenden geschmeidigen Gleitfähigkeiten in neue Existenz-Sphären. Dieter Zetsche konnte auf dem Gebiet geistig-moralischer Flexibilität schon immer einiges vorweisen. Im Windkanal des Seins lassen sich Managern wie ihm beste CW-Werte attestieren.
Der Ex-Daimler-Chef erweckte lange den Eindruck porentiefer Reinheit, wie es Ariels Klementine nicht besser vermocht hatte. Das sollte sich als Trugbild herausstellen. Dennoch ließ sich der Manager zum Abschied wegen früherer Verdienste feiern. Was macht nun aber ein im hauseigenen DieselSkandal angerußter Auto-Engel, wenn er abtritt? Soll er freiwillige Sozialarbeit in Kfz-Werkstätten leisten und auf eigene Kosten Dieselfahrern neue Software aufspielen? Oder wagt er ein die Öffentlichkeit von Dieseleien ablenkendes Ausweichmanöver? Zetsche scheint letztere Taktik zu bevorzugen.
Wie sollte sonst sein neuer Job als Beiratsmitglied von Aldi-Süd zu deuten sein. Daimler und Discounter – das scheint zunächst so wenig zusammenzupassen wie Daimler und Currywurst. Ja, das wäre in etwa so, als ob der Opel-Chef als Pensionär Gucci beraten würde.
Am Ende schließt sich aber der Lebenskreis des Dieter Zetsche. Müssen nicht viele Daimler-Käufer kräftig sparen, um sich einen Mercedes leisten zu können? Lässt sich damit nicht begründen, warum so häufig bullige SUVs auch mit dem Stern auf Aldi-Parkplätzen stehen? Und es ist dann nun wirklich gerecht, dass, wer günstige und gute Opel-Autos fährt, so viel Geld spart, dass er mal wieder kräftig bei Gucci einkaufen kann. Im wahren Leben fügt sich vieles zum Besten. Es ist nie zu spät, das zu werden, was man hätte sein können.