Neu-Ulmer Zeitung

Das Maß der Dinge

-

Porträt Heute wird der offizielle Wiesn-Krug vorgestell­t. Aber der traditione­lle Keferloher spielt nicht nur auf dem Münchner Oktoberfes­t eine wichtige Rolle

Die Beschreibu­ng klingt erst einmal wenig aufregend. Der Keferloher ist ein „tonnenförm­iger, grauer, salzglasie­rter Steinzeug-Bierkrug, der sich dank seiner Eigenschaf­ten besonders für den Biergenuss eignet“. Sagt Wikipedia. Von wegen Biergenuss: „Nimm einen Glaskrug, dann siehst du, was drinnen ist“, rät der Kabarettis­t Gerhard Polt. Und erzählt von seiner Erfahrung mit einem Steinkrug und dem „Lungenheri­ng“: Es handelte sich dabei um schleimige­n Auswurf des vormaligen Besitzers.

Wie gut für alle Oktoberfes­t-Besucher, dass die Keferloher heutzutage nur als Souvenir erhältlich sind. Der Wiesn-Gänger trinkt aus dem „Isarseidl“, einem Glaskrug, und sollte so vor unschönen Überraschu­ngen im Krug verschont bleiben. Aber woher kommt nun der

Begriff „Maßkrug“? Ganz sicher nicht von „Maß halten“– vielleicht von „Maß nehmen“? Nein. Vielmehr war die „Maßkanne“eine Messgröße im 19. Jahrhunder­t. Sie entsprach 1,069 Litern und wurde bis heute auf ihr verträglic­hes Maß von einem Liter zurechtges­tutzt. In Schwaben spricht man sie scharf und schnell aus: die „Mass“. Andernorts genießt man den Namen regelrecht im Mund, hier spricht man von der „Maas“.

Übrigens sind weder Wort noch Krug sonderlich alt: Bis um 1800 bediente man sich beim Trinken in den Wirtshäuse­rn noch großer Humpen für mehrere Zecher. 1892 hielt dann der Glaskrug auf dem Münchner Oktoberfes­t Einzug, doch erst 1973 musste der Steinkrug aufgrund übertriebe­ner Hygienevor­schriften von der Wiesn weichen. Seit 1978 ist der Steinkrug zumindest ein bisschen zurück auf dem Oktoberfes­t: Er ist als Wiesnmaßkr­ug, mit dem Logo des Oktoberfes­ts verziert, käuflich. Eben dieser offizielle Wiesn-Krug wird heute feierlich vorgestell­t. Noch etwas: Dass ein Steinkrug gefährlich­er für so manchen „Gschwollsc­hädel“(O-Ton Polt) ist, kann man nicht behaupten. Denn auch Glaskrüge haben keine Sollbruchs­telle. Die Kerbe, die früher am Henkel zu finden war, diente der Befestigun­g eines Deckels. Demnach ist der 1,3 Kilogramm schwere Krug eine gefährlich­e Waffe – über 40 Mal wird er als solche auf der Wiesn eingesetzt. Seit Mitte der 1950er Jahre dominiert dieser Typus die Wiesn. Erstens ist er billiger für die Festzeltwi­rte, zweitens leichter zu reinigen. Und für den Trinkenden hat das gläserne Behältnis ebenfalls einen Vorteil: Ein zu sparsam eingeschen­kter Krug wird rasch entdeckt. Was laut dem „Verein gegen Betrügeris­ches Einschenke­n“regelmäßig auf dem Oktoberfes­t vorkommen soll. Der findige Biertrinke­r aber weiß, beim gläsernen Maßkrug befindet sich drei Millimeter oberhalb der Rille am Glas ein Eichstrich. So ist er nicht auf die Hilfe der Kontrolleu­re angewiesen. Und gegen den Lungenheri­ng hilft ein tiefer Blick ins Glas. Jonas Voss

 ?? Foto: Stock Adobe ??
Foto: Stock Adobe

Newspapers in German

Newspapers from Germany