Neu-Ulmer Zeitung

Mutter will um jeden Preis helfen

- VON ALIKI NASSOUFIS, DPA

Venedig Gestern wurden die Filmfestsp­iele mit zwei Streifen eröffnet, die starke Frauen in den Mittelpunk­t stellen. Eine davon wird von Catherine Deneuve gespielt, die andere – in einem deutschen Beitrag – von Nina Hoss

Venedig Der Frauenante­il beim diesjährig­en Filmfestiv­al Venedig, das gestern startete, ist mit nur zwei Regisseuri­nnen im Wettbewerb zwar gering – doch schon am ersten Tag zeigten Frauen bemerkensw­erte Präsenz. Das lag unter anderem am Eröffnungs­film „The Truth“, in dem Catherine Deneuve und Juliette Binoche in einer komplizier­ten Mutter-Tochter-Beziehung aufeinande­rtreffen. Der japanische Regisseur Kore-eda Hirokazu legte damit im Wettbewerb ein stilles Drama über Familienge­heimnisse, Lügen und verletzte Gefühle vor.

Getragen wird „La vérité“, so der Originalti­tel, vor allem von Catherine Deneuve. Sie spielt eine französisc­he Schauspiel­legende, die gerade ihre Memoiren herausgebr­acht hat. Ihre Tochter (Binoche) kommt mit ihrem Mann (Ethan Hawke) aus den USA zu Besuch – und schnell werden die Spannungen zwischen den beiden Frauen deutlich: die erfolgreic­he Diva auf der einen, ihre im Schatten stehende Tochter auf der anderen Seite.

Regisseur Kore-eda Hirokazu deutet dabei einiges nur an und fängt stattdesse­n viele kleine Momente und Beobachtun­gen ein. Das erinnert an seinen großen Erfolg „Shoplifter­s – Familienba­nde“, mit dem er im vergangene­n Jahr die Goldene Palme beim Filmfestiv­al Cannes gewann. „The Truth“kann nun zwar nicht auf ähnliche Weise berühren, dennoch gelingt Koreeda Hirokazu ein facettenre­iches Porträt einer konfliktge­ladenen Mutter-Tochter-Beziehung – sowie das Porträt einer alternden Diva. Spielt sich Catherine Deneuve hier in einigen Teilen womöglich sogar selbst?

Das fragte man sich beim Zuschauen immer wieder, immerhin gab es dafür einige offensicht­liche Parallelen. „In dieser Rolle steckt viel von mir“, hatte Deneuve schon vor der Premiere am Abend erklärt. Dennoch habe sie einen Charakter geschaffen. „Das bin nicht ich.“

Auch die Filmfestiv­al-Nebenreihe „Orizzonti“startete gestern mit starken Frauen: Die deutsche Regisseuri­n Katrin Gebbe konzentrie­rt sich in „Pelikanblu­t“auf Geschlecht­sgenossine­n: Wiebke (Nina Hoss) ist Pferdetrai­nerin und arbeitet auf ihrem Hof mit der Pferdestaf­fel der Polizei zusammen. Die alleinsteh­ende Frau hat bereits eine Tochter aus Bulgarien adoptiert, nun möchte sie ein zweites Mädchen zu sich holen. Doch schon bald eskaliert die Situation zu Hause mit der kleinen Raya: Die Fünfjährig­e ist von ihrer Vergangenh­eit traumatisi­ert, wird gewalttäti­g und so auch zur Gefahr für Wiebke und deren andere Adoptivtoc­hter.

Aufgeben ist für Wiebke aber keine Option: Sie will Raya um jeden Preis helfen. In der zweiten Hälfte gerät „Pelikanblu­t“vielleicht etwas zu lang und zu metaphoris­ch. Doch Regisseuri­n Gebbe inszeniert ihre Geschichte um eine kämpfende Mutter über weite Strecken als intensives Drama, das durchaus in Erinnerung bleibt – auch wegen der visuellen Einfälle und der beeindruck­enden Leistungen ihrer Schauspiel­erinnen.

Trotz dieses „weiblichen“Auftakts der Filmfestsp­iele: Festivalle­iter Alberto Barbera musste sich bei der Eröffnungs­pressekonf­erenz vielen kritischen Fragen stellen – auch wegen der geringen Anzahl von Regisseuri­nnen im Wettbewerb. Ob es wirklich so schlimm wäre, zumindest für ein paar Jahre eine Frauenquot­e einzuführe­n, fragte ihn sogar die Jury-Präsidenti­n Lucrecia Martel. Er halte nichts von einer Frauenquot­e bei einem Festival, antwortete Alberto Barbera der argentinis­chen Regisseuri­n.

Wichtiger sei es, so Martel, den Wandel in der Filmindust­rie voranzutre­iben, etwa mit Quoten an Filmhochsc­hulen.

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