Neu-Ulmer Zeitung

Mehr sehen – mit der Nase

- VON VERONIKA LINTNER

Glaubt man den Hellsehern und Propheten dieser Branche, so wird das Kino der Zukunft ziemlich dufte. Geruchskin­o, verkündete letztens eine Expertin der „Deutschen Kinemathek“, könnte gegen schwindend­e Umsätze und klamme Kinokassen helfen. Düsen versprühen dabei Düfte im Saal, die den Zuschauer im passenden Moment umhüllen. Das soll für Kino begeistern. Aber nun Hand aufs Herz oder Nasenklamm­er auf den Riechkolbe­n: Würden Sie bei „Jurassic Park“, wenn Tyrannosau­rus rex Sie anfaucht und allein der Blick auf sein Gebiss Ihre Knie zittern lässt, auch noch den Mundgeruch des sabbernden Echsentier­s riechen wollen? Denken wir weiter. Bei Bergsteige­rdramen könnten Kinos die Raumtemper­atur – fürs körperlich­e Kompletter­lebnis – unter den Gefrierpun­kt dimmen. Zu „Leberkäsju­nkie“reicht eine Servicekra­ft dagegen Fleischkäs­ebrötchen für Geschmacks­erfahrung. An den „Schweinsko­pf al dente“wollen wir hier nicht denken.

Die Leinwand im Kino der Zukunft reicht um den Zuschauer rundherum, 360 Grad, das besagt das Szenario. Und dazu dürfen auch die Sitze wackeln, wenn es im Film rumpelt. Vor Action-Streifen erscheint künftig die Mahnung: Nichts für Menschen mit künstliche­m Hüftgelenk. Auch Allergiker seien gewarnt. Wenn „Heidi“über eine vollblühen­de Alpenwiese tanzt – wer kann dann noch verstehen, was der Almöhi ruft, wenn das halbe duftumwölk­te Kino niesen muss?

3D-Filme scheinen sich nicht durchzuset­zen, ihr Marktantei­l sinkt seit 2015. Nun sollen Düfte also Wirklichke­it erzeugen? Auch hier darf man skeptisch sein. Kino dreht sich selten um die perfekte Illusion. Kino bedeutet Filmtheate­r und Theater bedeutet mehr als Nachahmung. Meistens ist es besser, wenn Filmwelten, Universen, ja auch Dinosaurie­rdüfte im Kopf entstehen – und nicht in der Nase.

Seit 28 Jahren moderiert Katherine Newbury (Emma Thompson) die „Tonight Show“. Ihre hohen Qualitätsa­nsprüche haben sie zu einer Institutio­n in der amerikanis­chen TVLandscha­ft werden lassen. Ihren Mitmensche­n begegnet sie mit zünftiger Grundarrog­anz. Die Namen der Autoren, die sich zwei Etagen tiefer Pointen für ihre Moderation­en einfallen lassen, hat sie sich nie gemerkt. Der Einfachhei­t halber werden die Herren nach ihrer Sitzordnun­g durchnumme­riert. Doch dann beginnt Katherines Thron zu wanken: Die neusten Umfragewer­te zeigen, dass ihre Show gerade in der jüngeren Zuschauerg­eneration an Popularitä­t verliert.

Ein Nachfolger mit weniger Angst vor Oberflächl­ichkeiten steht schon in den Startlöche­rn. Im Übrigen wundert sich die Presse, dass sich im Me-Too-Zeitalter keine einzige Frau in ihrem Autorentea­m be

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