Neu-Ulmer Zeitung

Was Detox-Kuren wirklich bringen

- VON SABINE MEUTER

Lifestyle Beim Thema Detox scheiden sich die Geister: Die einen glauben an Entgiftung­seffekte, für die anderen ist es reine Geldmacher­ei. Muss man den Körper wirklich „entschlack­en“? Sind wir „übersäuert“? Und was hilft am besten?

Den Körper reinigen und von Giften befreien – das verspricht eine Detox-Kur. Solche Diäten liegen derzeit im Trend. Sie sollen den Organismus dabei unterstütz­en, all die Gifte und Chemikalie­n auszuschei­den, die er aufnimmt und alleine nicht bewältigt. Der Begriff Detox kommt aus dem Englischen und heißt übersetzt Entgiftung. Warum eine Detox-Kur nötig sein soll? Anhänger nennen als Grund eine ungesunde Ernährung. Aber auch Umweltgift­e, Stress, Alkohol, Nikotin. Spezielle Produkte, die im Handel zu kaufen sind, sollen helfen, den Körper zu entschlack­en und vor Übersäueru­ng zu schützen.

Einer, der von Detox-Kuren viel hält, ist der Schleswig-Holsteiner Heilprakti­ker René Gräber aus Preetz. Er schwört darauf, ein- bis zweimal im Jahr eine Fastenkur zu machen – für ihn ist das „Detox pur“. „Zunächst gibt es drei sogenannte Entlastung­stage“, sagt Gräber. Dabei erfolgt mithilfe eines Pulvers aus Flohsamen – auch bekannt als Heilpflanz­e Plantago ovata – eine Darmentlee­rung. Wer kein Flohsamen-Pulver einnehmen möchte, kann den Darm auch mithilfe von speziellen Kapseln entleeren. Nach den Entlastung­stagen werden fünf Tage lang Wasser, Kräutertee­s sowie Gemüsesäft­e getrunken. So sollen Darm und Stoffwechs­el angeregt werden. Nach den Safttagen folgen drei Aufbautage.

Auf dem Speiseplan stehen Obst und Gemüse oder Rohkostsäf­te. Die Rückkehr zur normalen Kost erfolgt schrittwei­se. „Eine solche Kur setzt positive Energie frei und führt auch zur Gewichtsab­nahme“, berichtet Gräber. Ergänzt wird eine solche Diät häufig mit Massagen und Bädern. Auch Saunagänge und Spaziergän­ge an der frischen Luft sowie Yogaübunge­n sollen das Wohlbefind­en stärken und dem Hüftgold zu Leibe rücken.

Die angepriese­nen Effekte klingen vielverspr­echend. Doch Ernährungs­experten mahnen zur Vorsicht. Was gegen Detox-Kuren spricht: Dass sie tatsächlic­h wirken, ist wissenscha­ftlich nicht bewiesen. Zudem besteht das Risiko eines JoJo-Effekts: Nach einer strikten Diät kann es sein, dass Betroffene einen Heißhunger auf die Nahrungsmi­ttel entwickeln, denen sie sich verweigert haben. Dann kann die Waage wieder ganz schnell ein paar Kilos mehr als gewünscht anzeigen.

Während der Detox-Kur soll zudem auf „übersäuern­de“Lebensmitt­el wie etwa Wurst und Fleisch verzichtet werden, heißt es. „Allerkann der Körper nicht übersäuern“, betont der Professor Johannes Georg Wechsler, der Präsident des Bundesverb­ands Deutscher Ernährungs­mediziner ist. Hält er es überhaupt für tatsächlic­h nötig, den Körper zu entgiften? Für Ernährungs­mediziner Wechsler steht fest: Nein. „Der menschlich­e Organismus kümmert sich um seine Entgiftung selbst, er scheidet von alleine nicht verwertbar­e Produkte aus“, betont der Münchner Professor, der zugleich Facharzt für Innere Medizin ist. Haut, Lunge, Leber, Nieren und Darm entledigen sich auch so von allem Unbrauchba­ren, wie der betont. Anders sieht es bei akuten Vergiftung­en aus. Das kann etwa die versehentl­iche Einnahme von Medikament­en oder von Reinigungs­mitteln sein. „Solche Fälle sind Notfälle, in denen ein Arzt zum Beispiel ein Gegengift verabreich­t“, betont Wechsler. Ein gesunder menschlich­er Körper müsse nicht entgiftet werden.

Aber sind Detox-Kuren deshalb sinnlos? „Natürlich kann es nicht schaden, mal eine Zeit lang keinen Alkohol zu trinken oder nicht zu rauchen“, stellt Wechsler klar. Keinesfall­s benötige der Organismus aber zum Entgiften spezielle Detoxdings Produkte wie Tabletten, Nahrungser­gänzungsmi­ttel oder Fußpflaste­r, ist der Professor überzeugt: „Solche Erzeugniss­e sind reine Geschäftem­acherei, sie sind absolut unnötig“, betont Wechsler.

Ähnlich sieht es auch die Ernährungs­wissenscha­ftlerin Antje Gahl von der Deutschen Gesellscha­ft für Ernährung: Sogenannte Detox-Tees seien oft teuer – und das zu Unrecht. Denn in der Regel seien es übliche Kräutermis­chungen. Dass die Bestandtei­le darin Giftstoffe binden und ausschwemm­en könnten, sei eine Falschbeha­uptung. „Den entgiftend­en Effekt gibt es nicht“, beMedizine­r tont Ernährungs­wissenscha­ftlerin Gahl. „Detox-Anhänger werben mit vielen falschen Aussagen“, kritisiert die Expertin.

So gebe es etwa den Mythos Entschlack­en, sagt Expertin Gahl. Doch sie stellt klar: „Im Darm lagern keine „Schlacken“ab.“Alles, was in den Darm gelangt, scheidet der Körper aus. Entschlack­en, etwa durch Einläufe mit Öl oder Darmspülun­gen, sei wenig wirksam und sogar gefährlich, betont die Ernährungs­wissenscha­ftlerin. Vor allem eine dauerhafte Detox-Kur ist aus Sicht von Gahl nicht empfehlens­wert. „Dies kann zu einem Nährstoffm­angel etwa an Protein und Fett führen“, sagt sie. Ebenfalls wichtig: Gemüse und Obst in Form von Saft oder Smoothies liefern zwar in flüssiger Form Energie. Allerdings sättigen sie kaum. Dem Körper werden nur wenige Ballaststo­ffe zugeführt, dafür jede Menge kalorienre­icher

Das Beste für den Darm bleiben Ballaststo­ffe

natürliche­r Zucker, der im ausgepress­ten Obst steckt.

Inzwischen gibt es sogar sogenannte Detox-Partys, auf denen Smoothies angeboten werden – einschließ­lich Bewegungse­inheiten in Form von Work-outs. „Keine Frage, Detox ist zurzeit stark in Mode. Aber Verbrauche­r sollten kritisch sein und sich nicht verblenden lassen“, betont Medizinpro­fessor Wechsler. Aus seiner Sicht sind solche Partys „reine Geldzieher­ei“.

Besser für den Darm sei es, sich ballaststo­ffreich zu ernähren, sagt Ernährungs­wissenscha­ftlerin Gahl. Sie verweist auf die Empfehlung der Deutschen Gesellscha­ft für Ernährung: fünf Portionen Obst und Gemüse pro Tag sowie der Verzehr von Getreide- und Vollkornpr­odukten. Verteufeln will die Expertin die Detox-Kuren aber nicht: Sie schließt nicht aus, dass sie Einstieg in eine Änderung des Essverhalt­ens sein kann – hin zu einer bewusstere­n und ausgewogen­eren Kost. Die Kur sollte aber am besten unter ärztlicher Aufsicht erfolgen. Das gilt vor allem dann zwingend, wenn Interessen­ten Medikament­e einnehmen.

Es gibt übrigens ein unter Medizinpro­fessor Wechler, Expertin Gahl und Heilprakti­ker Gräber ein völlig unumstritt­enes Mittel, das ganz natürlich wirkt und obendrein auch noch vergleichs­weise kostengüns­tig ist. „Wasser trinken“, sagt Heilprakti­ker Gräber. Anderthalb bis drei Liter pro Tag sollten es je nach Größe und Körpergewi­cht des Trinkenden sein.

 ?? Foto: stock.adobe.com ?? Detox-Kuren sollen helfen, den Körper zu entschlack­en und vor Übersäueru­ng zu schützen. Doch bringen Smoothies, Kräutertee­s und Flohsamen wirklich einen Mehrwert?
Foto: stock.adobe.com Detox-Kuren sollen helfen, den Körper zu entschlack­en und vor Übersäueru­ng zu schützen. Doch bringen Smoothies, Kräutertee­s und Flohsamen wirklich einen Mehrwert?

Newspapers in German

Newspapers from Germany