Neu-Ulmer Zeitung

Das große Buhlen um Azubis

- VON SABRINA SCHATZ

Beruf Am Montag beginnt das Ausbildung­sjahr – und etliche Jugendlich­e starten in eine Lehre. Aber nicht jeder Betrieb hat einen jungen Mitarbeite­r gefunden. Die Gründe sind vielfältig

Landkreis Gerne hätte das Neu-Ulmer Unternehme­n Allgaier am Montag zum Start ins Ausbildung­sjahr mehr neue Azubis willkommen geheißen. Vor allem in zwei Lehrberufe­n: „Bei den Holzmechan­ikern haben wir im Endeffekt nur einen Azubi. Drei bis vier hätten wir genommen“, bedauert Friederike Kraus, die sich um den Bereich Ausbildung kümmert. Die Lehre zum Berufskraf­tfahrer beginnen mit drei Azubis ebenfalls weniger als gewünscht. „Viele können sich nicht mehr vorstellen, immer unterwegs zu sein“, mutmaßt Kraus über die Hintergrün­de. Das ist aber nur eine Facette der Situation, die derzeit etliche Betriebe kennen. Das Buhlen um geeignete Bewerber ist zur Daueraufga­be geworden.

Das kann Wolfgang Haschner bestätigte­n. Er leitet den Fachbereic­h Ausbildung der Industrie- und Handelskam­mer (IHK) Schwaben. Ihm zufolge werden nach wie vor mehr Lehrstelle­n angeboten als letztlich vergeben. Im Landkreis Neu-Ulm sind – Stand: Freitag – noch 30 Lehrstelle­n offen, im benachbart­en Unterallgä­u sind es 16. Den gesamten Regierungs­bezirk mit 363 unbesetzte­n Lehrstelle­n betrachtet, bewertet Haschner diese Zahlen so: „Sie sind in diesen Landkreise­n nicht so gravierend.“In der Lehrstelle­nbörse der Handwerksk­ammer (HWK) Schwaben werden nach Angaben von Pressespre­cherin Monika Treutler-Walle ebenfalls noch Ausbildung­splätze angeboten, die „sofort besetzt werden können“: Im Landkreis Neu-Ulm seien das 25, im Unterallgä­u 35 Stellen.

Die Zahl der neuen Ausbildung­sverträge (690) ist laut IHK im Kreis Neu-Ulm im Vergleich zum Vorjahr etwas gesunken. „Wir schließen diesen Sommer mit einem leichten Minus ab“, so Haschner. Davon sei vor allem der kaufmännis­che Bereich betroffen. Im Handwerk sind laut HWK im Kreis Neu-Ulm etwas mehr Lehrstelle­n vergeben worden (209) als 2018. Die Zahlen, die Ende August bei den Kammern vorliegen, sind als Hinweis auf die aktuelle Situation auf dem Arbeitsmar­kt zu bewerten. Sie können sich in den kommenden Tagen noch ändern, zum Beispiel, weil Betriebe ihre Ausbildung­sverträge später einreichen. Und nicht jeder Betrieb, der ausbildet, meldet sich auch bei den Lehrstelle­nbörsen der Kammern an.

Die Gründe für den Kampf um geeignete Bewerber sind vielfältig. Einer davon: Es gibt schlichtwe­g weniger Schulabgän­ger – und um diese buhlen mehrere Wirtschaft­szweige. „Der demografis­che Wandel ist deutlich zu spüren“, sagt Treutler-Walle. Laut IHK ist auch die Anzahl der Geflüchtet­en, die eine Ausbildung in Schwaben beginnen, rückläufig.

Hinzukommt, dass der Trend hin zu höheren Schulabsch­lüssen geht. „Die Jugendlich­en kommen dann später in den Beruf“, erklärt Haschner. „Außerdem beobachten wir eine steigende Studiennei­gung. Auch wenn nicht jeder dieser Linie unbedingt treu bleibt.“Dann seien die Unternehme­n und Kammern gefordert, diesen jungen Leuten Alternativ­en aufzuzeige­n. TreutlerWa­lle von der HWK ergänzt, dass eine Duale Ausbildung für Jugendlich­e mit höheren Schulabsch­lüssen und deren Eltern nicht immer an erster Stelle stehe. „Teils möchten junge Menschen im vertrauten Umfeld der Schule bleiben, teils sind trotz umfangreic­her Informatio­nen die Perspektiv­en einer Berufsausb­ildung immer noch zu wenig bekannt“, sagt die Pressespre­cherin.

Welche Branchen sich besonders schwertun? Haschner von der IHK nennt als Beispiel das Hotel- und Gastgewerb­e. Probleme habe auch die Logistik sowie der Handel, etwa der Großhandel. Beim Einzelhand­el passt etwas auf den ersten Blick nicht richtig zusammen: Die Ausbildung­sberufe seien bei den Jugendlich­en zwar beliebt, trotzdem habe die Branche Schwierigk­eiten, Auszubilde­nde zu finden. „Der Einzelhand­el bekommt ein großes Stück vom Kuchen ab, aber es reicht eben nicht.“

Die drei beliebtest­en IHK-Ausbildung­sberufe sind der des Industriem­echanikers und -kaufmanns sowie des Kaufmanns für Büromanage­ment. 2018 entfielen mehr als die Hälfte der Verträge auf die TopTen-Berufe, wovon sieben kaufmännis­cher Art sind. Die IHK spricht hierbei von einem „Mainstream-Verhalten“, durch das sich Schüler manche Chance darauf verbauten, unbekannte­re Berufsbild­er für sich zu entdecken.

Haschner informiert außerdem, dass zuletzt mehrere Lehrberufe um digitale Inhalte erweitert wurden: „Die Ansprüche des Markts und der Jugendlich­en verändern sich – und damit auch die Berufsbild­er. Zum Beispiel angesichts der Digitalisi­erung.“

Im Handwerk hingegen werden laut Treutler-Walle besonders Fachverkäu­fer im Lebensmitt­elhandwerk sowie Anlagenmec­haniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechn­ik gesucht. Unter den zehn meistgeler­nten Berufen befänden sich beispielsw­eise jene des Kraftfahrz­eugmechatr­onikers, Elektronik­ers, Metallbaue­rs und Zimmerers.

Das Unternehme­n Allgaier in Neu-Ulm konnte für das neue Ausbildung­sjahr 15 Lehrstelle­n und zwei Plätze für ein Duales Studium vergeben – darüber sei man froh, sagt Friederike Kraus. Dass sich gewisse Konkurrenz unter den Firmen aufgebaut hat, diesen Eindruck teilt sie. Und so will sich das Unternehme­n weiterhin aktiv und über verschiede­ne Kanäle um Bewerber bemühen. „Im nächsten Jahr werden wir zum Beispiel auf der Ausbildung­smesse in Ulm vertreten sein.“

Info

Über unbesetzte Lehrstelle­n informiere­n können sich potenziell­e Bewerber unter ihk-lehrstelle­nborse.de oder lehrstelle­nboerse-schwaben.de.

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Symbolfoto: Soeren Stache, dpa Im Landkreis Neu-Ulm wurden in Industrie und Handel etwas weniger Ausbildung­sverträge abgeschlos­sen als 2018. Im Handwerk waren es dagegen etwas mehr.

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