Neu-Ulmer Zeitung

Urlaubsfot­os machen?

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Wenn Jemand eine Reise thut // So kann er was verzählen“, wie wir seit Matthias Claudius wissen. Wie wir aber auch wissen, wird heute gar nix mehr verzählt, sondern es wird gezeigt, geshared, gepostet, das heißt: Es werden Millionen Fotos digital verschickt oder auf Plattforme­n wie Instagram hochgelade­n, auf dass die Welt weiß, wo man gerade ist, was man gerade isst, wie doll der eigene Urlaub doch ist. Die Smartphone­Bildchen müssen daher oft den eigenen sonnenverb­rannten Schädel zeigen als Beweis, auch wirklich da gewesen zu sein. Und im besten Fall – man will ja Likes und Klicks – noch dazu recht spektakulä­r sein, was zur Folge hat, dass immer öfter Meldungen von verunglück­ten SelfieKnip­sern auftauchen, die beim finalen Schnappsch­uss die Klippe runterraus­chen. Und wäre es nicht so traurig – man müsste laut lachen. Traurig aber auch, dass mit der Bilderflut ein digitaler Ikonoklasm­us einsetzt,

der die einzelne Aufnahme, die Landschaft, den Moment entwertet. Es ist halt doch etwas anderes, mit einem 24er-Film behutsam die Motive für den nächsten salzstänge­lsatten Dia-Abend auszuwähle­n – oder einfach drauflos zu knipsen, die halbwegs gelungenen Bilder zu versenden und die restlichen 573 dann unbesehen vergammeln zu lassen im Zwischensp­eicher der Erinnerung. Überhaupt bringen sich viele, die die Welt nur noch im Schein des Displays wahrnehmen und trotz der gegenteili­gen Intention, genau um diese. Was verzählen? In einem der berühmtest­en deutschen Verse, auch von Claudius, heißt es: „Der Mond ist aufgegange­n, // Die goldnen Sternlein prangen // Am Himmel hell und klar. // Der Wald steht schwarz und schweiget, // Und aus den Wiesen steiget // Der weiße Nebel wunderbar.“Schwierig, das in ein geiles Handy-Pic zu packen, selbst mit automatisc­hem Nacht-Modus.

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