Mit Wein und Tafelsilber ins Gefecht
Napoleon Bonaparte I Auch der schwäbisch-oberbayerische Raum wurde in die Kriege seiner Zeit hineingezogen. Zum 250. Geburtstag des „korsischen Ungeheuers“ein süffiges neues Buch
Reformrausch perfektionierte er auch noch die zentralistische Verwaltung Frankreichs. Zu guter Letzt präsentiert uns Müchler den „verpassten Schriftsteller“. 60 Veröffentlichungen von ihm liegen vor, darunter Novellen und Essays.
Hierzulande setzte der „gekrönte Jakobiner“die größte Territorialreform durch, die es je in deutschen Landen gab: Napoleon zertrümmerte das 1000-jährige Heilige Römische Reich Deutscher Nation und sorgte für Mediatisierung (kleinere Territorien gingen in größeren auf) und Säkularisation (25 Fürstbistümer wurden enteignet).
Der Autor der Biografie navigiert mit profundem Wissen durch diese aufwühlenden Zeitläufte. Er leuchtet die Szenerie bis in die Hinterzimmer der Provinz aus und stellt in rascher Folge Fraktionen und Bewegungen, Royalisten, Robespierristen, Jakobiner, Dantonisten, Girdondisten und Thermidorianer auf die Bühne. Langweilig wird’s dem Leser bei diesem bluttriefenden Monopoly auf dem Weg des korsischen Kleinadligen zum Kaiserthron und retour ganz gewiss nicht.
Für unterhaltsamen Mehrwert sorgt auch die Liebe zu Zitat und Detail. So bleibt uns Müchler die Grobheit des Usurpators gegenüber Talleyrand („Sie sind ein Stück Scheiße im Seidenstrumpf“) ebenso wenig schuldig wie etwa die Zusammensetzung der Kapelle, die Napoleon im Exil auf Elba empfing (drei Violinen, zwei Bassgeigen).
Das Fazit des Autors: Die widersprüchliche Persönlichkeit mache es schwer, sich ein eindeutiges Bild dieses Oberkönigs von Europa zu rahmen. Er sei jedenfalls kein skrupelloser Schlächter noch eine Lichtgestalt gewesen, auch kein Dämon, weder Tyrann noch Massenmörder.
Mit seiner süffigen Erzählung hat sich Müchler diesem Cäsar jetzt bereits zum vierten Mal genähert. Am Anfang stand ein Werk über die Begegnung Napoleons mit Metternich 1813; es folgten Publikationen über die Verbannung auf Elba und den Sohn Napoleon II. Diesen fulminanten Erkundungsritten vorausgegangen war eine Arbeit über die Cottasche Allgemeine Zeitung, die 72 Jahre in Augsburg erschien und als bedeutendste Gazette ihrer Zeit galt.
Der 73-jährige Journalist, der für die heutige Augsburger Allgemeine in Günzburg und Augsburg und als Korrespondent in Bonn tätig war, später dann als Programmdirektor des wirkte, hat uns jetzt alles in allem 1464 Seiten über die „Eroberungsbestie“und ihre Ära in die Regale gestellt.
Irgendwie auch leicht napoleonesk, dieses OEeuvre. Es hat Maßstäbe gesetzt. Werner Reif
Günter Müchler: Napoleon / Revolutionär auf dem Kaiserthron
wbg Theiss, 623 Seiten, 24 Euro