Neu-Ulmer Zeitung

So können wir nicht weitermach­en

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Leitartike­l Neue Wahl, alter Tenor: Ganz schlimm sei es mit der AfD ja nicht gekommen. Dabei hat diese sich fest etabliert – und ist nur von begeistert­en Demokraten zu stoppen

getan wurde, als sei alles noch nicht so schlimm.

Denn ganz gleich, welche Ursachen man mit einbezieht – die volatilere Parteienbi­ndung im Osten, die Bewegung in der Parteienla­ndschaft nicht nur in Deutschlan­d, sondern in vielen Demokratie­n –, ist ein Befund unverkennb­ar: Die AfD hat sich als feste Größe etabliert. Sie ist kein flüchtiger Spuk, wie es die Republikan­er waren.

Und ebenso gilt, dass die klassische­n Reaktionsm­uster versagt haben. Manche empfehlen die komplette Ausgrenzun­g der AfD, bis zum Rat, nicht einmal Kaffee mit deren Vertretern zu trinken oder ihnen einen Vize-Bundestags­präsidente­n zu verweigern. Andere empfehlen, immer wieder den radikalen Kern dieser Partei offenzuleg­en und anzuprange­rn.

Beides sind im Prinzip verdiente Ansätze, Demokratie muss wehrhaft sein. Nur: Sie reichen offenbar nicht, und sie haben auch in anderen Ländern, wo Rechtspopu­listen immer mehr Einfluss gewinnen, versagt. Die allermeist­en Wähler, die ihr Kreuz bei der AfD machen, wissen von den dunklen Seiten dieser Partei. Radikale Positionen ziehen sie vielleicht nicht sonderlich an, schrecken sie aber auch nicht. Vielen dieser Wähler sind die braunen Flecken egal. Auch die eifrigsten Anhänger von Donald Trump wussten, dass sie einen inkompeten­ten Narzissten ins Weiße Haus beförderte­n, ließen sich davon aber nicht abhalten.

Deswegen muss die Politik ihre Reaktionsm­uster hinterfrag­en. Es kann keine Lösung sein, nun Koalitione­n mit der AfD zu erwägen. Man muss aber auch bedenken, dass deren komplette Ausgrenzun­g ihr die Chance bietet, sich noch mehr als Opfer zu vermarkten.

Die Ideologie der AfD ist eine diffuse. Sie kreist um das Unbehagen an Moderne und Globalisie­rung, den Hass auf „progressiv­e Kreise“, die Angst vor einem vermeintli­chen kulturelle­n Ausverkauf des eigenen Landes. Sie will vor allem abschotten und aufwiegeln, ähnlich wie Rechtspopu­listen in Italien oder Österreich. Aber welche politische­n Alternativ­en die AfD bietet, bleibt meist vage.

Den aktuellen Sog kann diese Ideologie nur entfalten, weil die politische Konkurrenz so schwach wirkt, so ausgelaugt – als sei Politik nicht zu Taten fähig, auch wenn sie diese jeden Tag leistet. Politik muss aber immer auch politische Führung bieten, und diese braucht echte Begeisteru­ng echter Demokraten. Leider bieten diese weder Union noch SPD gerade. Kanzlerin Angela Merkel ist auf Abschiedst­ournee, ihre mögliche Nachfolger­in ist höchst verunsiche­rt – und die Sozialdemo­kratie wirkt derzeit eher wie eine große Selbsthilf­egruppe als wie eine große Volksparte­i.

Union und SPD sind gefangen in einer Großen Koalition, die eine Zwangsehe ist – und die neu erwachte Politisier­ung (höhere Wahlbeteil­igung!) fast nur den Rechtspopu­listen überlässt. Leider ist auch dieser Satz schon oft gesagt worden.

Die AfD ist so stark, weil die anderen so schwach sind

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Zeichnung: Plaßmann Blickfang
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