Neu-Ulmer Zeitung

Hongkongs politische­r Star

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Porträt Joshua Wong ist das Gesicht der Proteste in der ehemaligen britischen Kronkoloni­e. Dafür saß er auch schon im Gefängnis. Sein Kampf begann, als er 14 war

Joshua Wong wirkte gefasst, als er nach mehr als sieben Stunden in Gewahrsam aus dem Dienstgebä­ude der Hongkonger Polizei tritt. „Wir werden unseren Kampf fortsetzen, egal wie sie uns verhaften und verfolgen“, rief er seinen Anhängern zu, die seit Stunden vor der Polizeista­tion ausgeharrt hatten. Am Freitag war das. Am Wochenende kommt es dann genau so.

Joshua Wong war am frühen Freitagmor­gen auf dem Weg zur Zentrale der von ihm gegründete­n Partei Demosisto, als Polizisten aus einem Zivilauto stiegen und ihn mitnahmen. Zuvor hatten die Behörden sämtliche Kundgebung­en für das Wochenende verboten. Nicht zuletzt die zeitweise Festnahme erzürnte die Demokratie-Aktivisten so sehr, dass sie trotz Verboten auf die Straße gingen. Und diese Proteste verliefen heftiger denn je.

Auch wenn die Bewegung darauf großen Wert legt, keine Führungsfi­gur zu haben, ist Student Wong das Gesicht der Proteste. Geboren 1996, machte der Sohn evangelisc­h-lutherisch­er Eltern bereits im jungen Alter von 14 Jahren von sich reden. Er hatte mit Freunden die Initiative „Scholarism“gegründet. Sie wandte sich gegen die Pläne der Hongkonger Regierung, an den Schulen künftig mehr „moralische und patriotisc­he Erziehung“zu betreiben. Wong sah darin eine gezielte Strategie der kommunisti­schen Führung in Peking, rote Propaganda auch in Hongkong zu betreiben.

Dabei gilt seit Hongkongs Übergabe 1997 der Grundsatz „Ein Land, zwei Systeme“. Peking hatte versproche­n, dass die Stadt für weitere 50 Jahre ihre Rechtsordn­ung samt Meinungs- und Versammlun­gsfreiheit beibehalte­n darf. Peking versprach, sich nicht in die innenpolit­ischen Belange einzumisch­en. Im Sommer 2012 mobilisier­ten Wong und seine Mitstreite­r mehr als 100 000 Demonstran­ten. Diese Demonstrat­ion gilt als der Beginn der Hongkonger Demokratie­bewegung. Spätestens bei den Demokratie­protesten vor fünf Jahren machte sich Wong weltweit einen Namen. Ein damals 17-Jähriger, der der mächtigen kommunisti­schen Führung in Peking die Stirn bietet und für die größten Proteste seit der Rückgabe der ehemaligen britischen Kronkoloni­e an die Volksrepub­lik 1998 sorgt – das konnte kein Medium ignorieren.

Auf Wongs Anliegen gingen weder die Regierung in Hongkong noch die Zentralreg­ierung in Peking ein. Im Gegenteil: Die Hongkonger Behörden sorgten dafür, dass er wegen der von ihm mitorganis­ierten Protestakt­ionen 2015 zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. Als die Proteste Anfang Juni wieder aufflammte­n, war Wong gar nicht beteiligt. Er musste seine zweimonati­ge Haft absitzen, die er nach einem Monat wegen guter Führung aber vorzeitig abbrechen konnte.

Seitdem vergeht kein Tag, an dem er nicht Interviews gibt, Reden hält oder auf andere Weise sich für die Bewegung engagiert. Am 10. September will er auch nach Berlin kommen. Felix Lee

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Foto: dpa

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