Und wieder brennt es in Hongkong
Proteste Die Festnahme führender Köpfe der Demokratiebewegung hat die Stimmung aufgeheizt. Trotz des Demonstrationsverbots protestieren Tausende. China rasselt mit dem Säbel
Hongkong Schwere Ausschreitungen haben Hongkong am Wochenende ins Chaos gestürzt. Nach heftigen Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten am Samstag störten Tausende am Sonntag vorübergehend wieder den Betrieb am internationalen Flughafen. Es war das 13. Wochenende in Folge, an dem in der autonom verwalteten chinesischen Sonderverwaltungsregion demonstriert wurde. Der Unmut richtet sich gegen die Regierung, gegen Polizeigewalt, aber auch gegen Chinas kommunistische Führung. Mit neuen Truppenverlegungen an die Grenze und Übungen von Spezialkräften erhöhte Peking den Druck auf Hongkong.
Das Wochenende begann am Samstag mit einem friedlichen Umzug, endete aber in Gewalt. Trotz des Verbots einer Großdemonstration zogen am Samstag Tausende in einem als religiös deklarierten Marsch durch die asiatische Wirtschaftsund Finanzmetropole. Die Polizei hatte eine größere Demonstration verboten und dies mit Sicherheitsbedenken begründet. Damit wollten die Demonstranten eigentlich den fünften Jahrestag des Scheiterns der Wahlreform 2014 begehen, die freiere Wahlen ermöglicht hätte, aber damals von der kommunistischen Führung in Peking blockiert wurde. „Es ist ein Gedenktag für uns“, sagte die Demonstrantin Beatrix Wong. „Deswegen haben wir uns versammelt, um gemeinsam für unser Recht zu kämpfen. Wir tun es ohne Erlaubnis, weil es ein Menschenrecht ist.“
Im Anschluss kam es allerdings nahe dem Regierungssitz zu schweren Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizeikräften, die bis in die Nacht andauerten. Radikale Aktivisten blockierten Verkehrsadern, warfen Steine, Brandsätze und legten Feuer an Straßenblockaden. Die Polizei ging mit Tränengas und Wasserwerfern vor. In das Wasser wurde blaue Farbe gemischt, offenbar um Protestler später leichter identifizieren zu können. Ein Video von Sicherheitskräften, die in der U-Bahn flüchtende Demonstranten festnehmen wollten und dabei mit Pfefferspray und Schlagstöcken auch gegen normale Passagiere vorgingen, sorgte für Empörung. An vielen Orten schallte Polizisten der Ruf „Gangster“entgegen. Eine Aktivistin, die am Sonntag an der Aktion am Flughafen teilnahm und nur ihren Vornamen Natalie nennen wollte, beklagte die Polizeigewalt: „Was gestern passiert ist, ist nicht hinnehmbar.“Ähnliches sagte eine Büroangestellte namens Vincy, die am Flughafen demonstrierte: „Es ist völlig unangemessen – und dies ist ein Weg, um unsere Verärgerung über die Regierung und die Polizei zu zeigen. Bürger zu verprügeln ist irrwitzig – egal, was sie sagen.“
Stundenlang belagerten Tausende von außen den Flughafen. Der normale Betrieb des Drehkreuzes in Asien wurde schwer behindert. Der Zugservice zum Flughafen musste ausgesetzt werden. Als Verstärkung mit Spezialkräften eintraf, bliesen die Demonstranten zum Rückzug. Erstmals in der Geschichte der asiatischen Millionenmetropole wurde am Samstagabend der Verkehr auf fünf U-Bahnlinien komplett eingestellt. Bisher waren nur einzelne Stationen nicht mehr angefahren worden. Durch den Verkehrskollaps strandeten tausende Menschen und kamen nicht nach Hause. Möglicherweise als Warnung an die Demonstranten berichteten chinesische Staatsmedien, dass Chinas Militär neue paramilitärische Kräfte nach Shenzhen an der Grenze zu Hongkong verlegt habe. In Videoaufnahmen waren Militärwagen zu sehen, die am Samstagmorgen in der Grenzstadt einrollten. Angeblich soll es sich um „Spezialkräfte“der „Wujing“genannten paramilitärischen Elitetruppe handeln.
Die politische Atmosphäre in Hongkong war auch deswegen besonders aufgeheizt, da mehrere führende Mitglieder der Demokratiebewegung vorübergehend festgenommen wurden. Unter ihnen sind auch drei oppositionelle Abgeordnete des Parlaments. Gegen insgesamt neun prominente Köpfe der Bewegung wurde inzwischen Anklage erhoben. Es geht um Vorwürfe wie Aufruf zu einer illegalen Versammlung, Behinderung der Polizei oder Angriff auf Polizisten.
Erin Hale und Andreas Landwehr, dpa
Tausende belagerten den Flughafen