Warum Firmen und Azubis nicht zusammenfinden
Beruf Für tausende junge Leute beginnt die Lehre. Doch obwohl Firmen mehr Azubis suchen, stieg die Zahl der Bewerber ohne Job
Augsburg Betriebe buhlen nach wie vor um Auszubildende – ihre künftigen Fachkräfte. Viele Unternehmen schaffen sogar zusätzliche Ausbildungsplätze. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Bewerber ab. In Schwaben suchten heuer 11450 junge Menschen einen Ausbildungsplatz, 5,6 Prozent weniger als im Vorjahr, geht aus Zahlen der Agentur für Arbeit hervor. Gleichzeitig ist die Zahl der Stellen um 2,8 Prozent auf 15 540 gestiegen. Weniger Bewerber kommen auf mehr Plätze. Trotzdem haben heuer mehr Jugendliche keine gefunden: 1666 Bewerber haben bislang keine Zusage bekommen, 1,6 Prozent mehr als im Vorjahr – obwohl fast 5000 Plätze frei sind.
Dass weniger junge Leute sich für eine Ausbildung entscheiden, hat zwei Hauptgründe: Erstens sinkt die Zahl der Schulabgänger wegen des demografischen Wandels, zweitens zieht es immer mehr von ihnen an die Hochschulen. Die Industrieund Handelskammer Schwaben hat dennoch 0,5 Prozent mehr Ausbildungsverträge abgeschlossen als im vergangenen Jahr. Allerdings bleiben laut der Kammer „hunderte Ausbildungsplätze unbesetzt“. Während weniger bekannte Berufe wie der Verfahrensmechaniker für Kunststoff- und Kautschuktechnik selten von Bewerbern nachgefragt würden, tendieren mehr Bewerber zu kaufmännischen Berufen.
Dazu kommt noch etwa anderes: Weniger Geflüchtete beginnen eine Ausbildung bei den Unternehmen der IHK. „Das liegt aber nicht an einer gesunkenen Bereitschaft von Unternehmen oder Geflüchteten, sondern daran, dass ihre Zahl abgenommen hat und viele keine Ausbildung beginnen dürfen“, sagt Thomas Schörg, Sprecher der Kammer.
Im Handwerk sind die abgeschlossenen Ausbildungsverträge heuer um 2,2 Prozent zurückgegangen. Allerdings verweist Volker Zimmermann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für Schwaben, auf eine Zunahme um sechs Prozent im Vorjahr. Im Handwerk herrsche nach wie vor „Topkonjunktur“. Weil der Fachkräftemangel anhalte, setzten die Betriebe verstärkt auf die Ausbildung. Manche Gewerke wie das Kfz-Handwerk tun sich bei Suche leichter, doch gerade die Lebensmitteloder die Baubranche haben es schwer.
Zahlen dazu, wie viele Pflegeschüler es heuer geben wird, liegen erst im Oktober vor, teilt das zuständige Gesundheitsministerium mit. Die Schüler werden genau wie etwa Auszubildende zum Erzieher weder von der Arbeitsagentur noch von einer der Kammern erfasst. Dennoch ist gerade in der Pflege der Bedarf an Nachwuchs enorm. In den vergangenen fünf Jahren war diese Schülerzahl von 6432 auf 6682 gestiegen. Ob das reicht, um den Bedarf an Pflegekräften zu decken? Ein Ministeriumssprecher antwortet: 2030 werde es 21,7 Prozent mehr Pflegebedürftige geben als noch 2017. „Vor diesem Hintergrund ist eine erhebliche Steigerung der Anzahl der Pflegekräfte erforderlich.“
Die regionalen Wirtschaftskammern berichten von immer größeren Anstrengungen ihrer Mitgliedsbetriebe, den Auszubildenden zusätzliche Anreize zu bieten: Sie erzählen etwa von Azubi-Autos für besondere Leistungen.
Aus Sicht von Matthias Jena, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes Bayern, reicht das nicht. Er sagt, viele Betriebe trügen selbst die Schuld daran, dass sie keine Azubis finden: „Über den Fachkräftemangel jammern und gleichzeitig Lehrlinge und solche, die es werden wollen, mit schlechten Arbeitsbedingungen vergraulen – das passt nicht zusammen.“Viele Arbeitgeber würden Auszubildende als billige Arbeitskräfte missbrauchen. In solchen Fällen sei es kein Wunder, dass Lehrlinge ihre Ausbildung abbrechen oder Bewerbungen ausbleiben. Und der Gewerkschafter kritisiert noch etwas anderes: Er hat einen „Akademisierungswahn“bei Unternehmen beobachtet. Viele Mittelschulabsolventen blieben auf der Strecke, weil Jugendliche mit höheren Schulabschlüssen bevorzugt würden, sagt Jena. Die Wortwahl ist auffällig, beklagen doch gerade die Unternehmer sehr häufig und gerne einen „Akademisierungswahn“in der Gesellschaft. Also eine Tendenz zu immer höheren Schulabschlüssen und weg von der Ausbildung.