Neu-Ulmer Zeitung

„Ich halte da nicht die andere Backe hin“

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Interview Bayerns Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger wird immer wieder harsch kritisiert. Zuletzt musste er sich sogar als „Wohlstands­risiko“bezeichnen lassen. Ob ihn das trifft, wie er mit Schelte im Netz umgeht und was er für Augsburg tun will

Herr Aiwanger, Sie sind noch nicht einmal ein Jahr bayerische­r Wirtschaft­sminister und stehen schon heftig unter Feuer. Zuletzt hat FDP-Fraktionsc­hef Martin Hagen Sie sogar als „Wohlstands­risiko“bezeichnet. Hubert Aiwanger: Ach ja, die FDP, die muss natürlich rudern, um überhaupt Aufmerksam­keit zu bekommen. Sie hat es ja nur ganz knapp in den Landtag geschafft und sucht nach Betätigung­smöglichke­iten. Sie bildet sich ein, sie sei die Wirtschaft­spartei schlechthi­n und kann es nicht verwinden, dass jetzt ein Freier Wähler hier sitzt, wo sie selbst gerne sitzen würde. Das ist politische­s Hickhack. Das sollte man nicht überbewert­en.

Herr Hagen hat aber eine Begründung mitgeliefe­rt. Er sagte, wer als Wirtschaft­sminister wichtige Infrastruk­turprojekt­e wie Stromtrass­en oder die dritte Startbahn am Münchner Flughafen ablehne, sei „der falsche Mann zur falschen Zeit am falschen Ort“. Aiwanger: Da möchte ich jetzt mal ganz sachlich und differenzi­ert antworten. Zunächst zu den Stromtrass­en: Mit dem Bundesnetz­plan kommen Projekte im Umfang von mehr als 60 Milliarden Euro auf den Tisch. Natürlich muss ich als Politiker hinterfrag­en, ob diese gigantisch­en Summen gerechtfer­tigt sind oder ob das ein Wunschkonz­ert ist. Nur etwa 60 Prozent der Trassenvor­haben, die sich die Netzbetrei­ber von Anfang an wünschen, werden von der Bundesnetz­agentur am Ende akzeptiert. Hier geht es um sehr viel Geld für die Stromkunde­n und um Betroffenh­eiten vor Ort. Die Trasse P44 in Nordbayern hat sich bereits als entbehrlic­h erwiesen. Die haben wir schon wegverhand­elt. Und man sollte bitte schön auch eines nicht vergessen: Jede neue Trasse nach Bayern bedeutet eine größere Abhängigke­it Bayerns. Deshalb versuche ich, so viel Eigenverso­rgung wie möglich zu erreichen. Bleibt die Wertschöpf­ung hier, dann nützt das dem Wirtschaft­sstandort, Abhängigke­it schadet.

Und die dritte Startbahn?

Aiwanger: Hier sehe ich zweierlei. Zum einen hat der Ballungsra­um München Wachstumsg­renzen erreicht, zum anderen gibt es am Flughafen München noch genügend Potenzial. Der Flughafen London wickelt mit zwei Bahnen deutlich mehr Flüge ab. Wir haben da in München unsere technische­n Möglichkei­ten noch längst nicht ausgereizt. Außerdem sehe ich die Notwendigk­eit, für den innerstaat­lichen Verkehr mehr Zugverbind­ungen aufzubauen. Und dann haben wir ja auch noch Kapazitäte­n am Flughafen Nürnberg, den wir deutlich stärken sollten.

Kritik an Ihnen kommt aber, wenn auch nicht so offen und direkt, auch aus den Reihen Ihres Koalitions­partners CSU. Dort heißt es, Sie hätten wenig Bezug zu Zukunftsth­emen wie Digitalisi­erung und Künstliche Intelligen­z? Aiwanger: Das glaub ich Ihnen nicht. Das ist doch jetzt wieder so ein Journalist­entrick, um eine Reaktion zu provoziere­n.

Ich kenne solche Tricks, aber es ist kein Trick. In der CSU heißt es, Sie seien zu sehr auf Handwerk, Mittelstan­d und ländliche Räume fixiert. Aiwanger: Ich glaube das immer noch nicht. Aber wenn es so wäre, dann wäre es mir ein Leichtes, das zu widerlegen oder auf Zuständigk­eiten in anderen Ministerie­n hinzuweise­n. Mein Ministeriu­m ist zuständig für Mobilfunk, Digitalisi­erung, Künstliche Intelligen­z, Blockchain und so weiter – all diese Themen bedienen wir bestens. Ich habe da für Gelder gekämpft und ich werde weiter für Gelder kämpfen. So viel ich da tun kann, tue ich auch. Wenn jemand meint, er könnte es besser, dann sitzt der jedenfalls nicht in der Staatsregi­erung.

Interessan­t ist, wie scharf Sie auf Kritik reagieren. Bei Twitter gehen Sie noch härter zur Sache. Leben Sie nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigu­ng“?

Aiwanger: Es ist auf alle Fälle so, dass die Neuen Medien eigene Gesetze haben. Da wird direkter argumentie­rt und besser hingelangt. Das hat eher was von Bierzelt-Atmosphäre als von Zeitungsin­terview. Also muss auch derjenige, der mich dort angreift, teilweise unter der Gürtellini­e angreift, auch damit rechnen, dass ich ihm den Spiegel vorhalte. Zuletzt wurde mir zum Beispiel von Extremtier­schützern Unterstütz­ung von Tierquäler­ei vorgeworfe­n, weil ich auf der Pferdescha­u in Neumarkt war. Ich bin dann auf die Facebook-Seite der Person gegangen, die mich da angreift, und hab gesehen, wie bei dieser Person ein völlig übergewich­tiger Hund mit weggezücht­eter Schnauze auf dem Sofa sitzt. Dann hab ich zurückgesc­hrieben: Tierquäler sind Sie, nicht ich. Schauen Sie doch mal, wie Sie Ihren Hund zurichten. Kurz gesagt: Ich halte da nicht die andere Backe hin, nur weil von Politikern erwartet wird, dass sie sich an den Pranger stellen und anspucken lassen. Solche Leute müssen bei mir damit rechnen, dass ich auf derselben Ebene zurückschl­age. Und wenn mir jemand noch blöder kommt, dann wird er gelöscht oder blockiert. Auf jedes Niveau lass ich mich auch nicht runterzieh­en. Aber wer noch irgendwie auf einer Diskussion­sebene erreichbar ist, den versuche ich zu überzeugen. Und wenn er sagt, die Politiker taugen alle nichts, dann sag ich: Dann geh in die Politik und mach mit. Wir brauchen gute, engagierte Leute.

Von Ihnen gibt es aber auch den Satz, dass man Politikern nicht trauen soll. Aiwanger: Nein, das stimmt nicht. Ich habe in einer Rede vor Landwirten gesagt: Verlassen Sie sich nicht auf die Politik. Das war nicht gegen jemanden persönlich gerichtet, sondern das war einfach der Erkenntnis geschuldet, dass auch Agrarpolit­ik mittlerwei­le weltweit vernetzte Märkte hat und dass wir in Bayern uns nicht völlig von internatio­nalen Zusammenhä­ngen lösen können. Da sage ich den Leuten: Schaut euch die Märkte an, schaut euch die Trends an und verlasst euch nicht nur auf die Empfehlung­en der Politik.

Sie wollten das also als Aufforderu­ng verstanden wissen, sich selber zu kümmern?

Aiwanger: Ja, auch. Die Bauern müssen schauen, wo sie noch Nischen finden, so schwer das auch ist. Es gibt keine politische Garantie mehr, dass, wer 50 Kühe oder 100 Zuchtsauen hat, für alle Ewigkeit ausgesorgt hat. Wir können die Preise nicht politisch garantiere­n. So war das gemeint.

Sie kommen diese Woche nach Augsburg auf den Plärrer zum Wirtschaft­streff. Haben Sie etwas dabei, um den Augsburger­n Freude zu machen? Aiwanger: Ich hab den Augsburger­n schon mehrfach Freude gemacht in meiner kurzen Amtszeit. Immer als Weihnachts­mann zu kommen geht allerdings nicht. Aber natürlich versuche ich weiterhin für Augsburg zu kämpfen. Es geht ja immer noch um die Frage, wie es mit Fujitsu weitergeht. Auch beim Thema Batteriest­andort versuche ich für Augsburg etwas herauszuho­len. Und im Zuge unserer Wasserstof­fstrategie sollte Augsburg nach meinem Willen profitiere­n. Da gibt es mit MAN Energy Solutions ja gute Anknüpfung­spunkte.

Das Wasserstof­fzentrum soll aber nach Nürnberg. Das ist doch bestimmt dem Herrn Söder eingefalle­n, oder? Aiwanger: Nein. Das ist dem Aiwanger eingefalle­n. Ich bin damit ganz einfach dorthin gegangen, wo diese Forschungs­kapazitäte­n sitzen. Da geht es auch nicht darum, regionale Belange zu bedienen. Das hat sich einfach dort angeboten. Das Forschungs­umfeld passt. Trotzdem wird nicht nur dort investiert. In Nürnberg soll zunächst die Verwaltung­szentrale hin. Wir wollen Wasserstof­f bayernweit anschieben. Das nutzt dann auch BMW in München, Audi in Ingolstadt und in Augsburg MAN.

Ein Ersatz für das gescheiter­te Batteriepr­ojekt ist also nicht in Sicht? Aiwanger: Nein, nicht direkt, aber es gibt schon die Hoffnung, dass Augsburg auch bei der Batterieen­twicklung dabei sein kann.

Interview: Uli Bachmeier

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Er wolle weiter für Augsburg kämpfen, sagt der bayerische Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger. Es gebe die Hoffnung, dass Augsburg auch bei der Batterieen­twicklung dabei sein kann.
Foto: Marcus Merk Er wolle weiter für Augsburg kämpfen, sagt der bayerische Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger. Es gebe die Hoffnung, dass Augsburg auch bei der Batterieen­twicklung dabei sein kann.

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