Ein Sieg für den toten Freund
Formel 1 Charles Leclerc kann nicht richtig jubeln. Die Trauer um Anthoine Hubert ist zu groß. Der Tod des Formel-2-Piloten überschattet auch den Großen Preis von Belgien, bei dem Leclerc zum ersten Mal siegt
Spa-Francorchamps Charles Leclerc zeigte mit dem Finger in den Himmel: Im Moment seines bisher größten Triumphs in der Formel 1 war er mit den Gedanken bei seinem toten Freund Anthoine Hubert. An einem weiteren enttäuschenden Rennsonntag für seinen FerrariTeamkollegen Sebastian Vettel konnte der Monegasse seine Triumphfahrt beim Großen Preis von Belgien von der Pole aus nur mit verhaltener Freude genießen.
Knapp 24 Stunden, nachdem Hubert im Rennen der Formel 2 verunglückt und danach gestorben war, nahm Leclerc seine erste Siegertrophäe mit einem Trauerflor entgegen. Auf eine Champagnerdusche mit dem Zweitplatzierten Lewis Hamilton und dem Drittplatzierten Valtteri Bottas von Mercedes verer auch, er nahm nicht mal einen Schluck aus der Magnum-Flasche. Den Sieg widmete er Hubert. „Es ist sehr schwer“, sagte Leclerc: „Ich kann meinen ersten Sieg nicht wirklich genießen, aber ich werde ihn für immer in Erinnerung behalten.“Das gilt auch für Hubert, mit dessen Schriftzug auch Leclercs Ferrari geschmückt war.
Nach den in der Schlussphase verpassten Siegen von Bahrain und Österreich, nutzte Leclerc die dritte Pole seiner Karriere diesmal souverän und brachte die Kräfteverhältnisse bei Ferrari weiter ins Wanken. Vettel kam nicht über Platz vier hinaus, die Siegloszeit geht weiter, der 52. und bis dato letzte Erfolg war dem 32 Jahre alten Deutschen vor gut einem Jahr in Spa gelungen. Im WM-Klassement hat Vettel nun 99 Punkte Rückstand auf den unangefochtenen WM-Spitzenreiter Hamilton (268), der auf dem Weg zum sechsten Titel ist. „Ich habe mich heute einfach schwergetan und nicht das Gefühl gefunden“, sagte Vettel. Der Sieg für Leclerc sei schön fürs Team und den Kollegen, der eigene Eindruck sei aber der, der am stärksten durchdringe.
Als normales Rennen wird dieser Große Preis nicht in Erinnerung bleiben. Eine Absage hatte aber nicht zur Disposition gestanden. Bevor es losging, versammelten sich alle Piloten zu einer Schweigeminute um eizichtete nen Helm Huberts. Dessen Mutter und Bruder kämpften hinter Sonnenbrillen mit den Tränen. Auch die Fahrer rangen um Fassung, vor allem für Leclerc war es hart, vor vier Jahren hatte er in Jules Bianchi schon einmal einen guten Freund infolge eines tödlichen Unfalls verloren.
Als am Sonntag in Spa die roten Ampeln erloschen, wurde es turbulent auf dem legendären Kurs in den Ardennen – zum Glück diesmal ohne schlimmere Folgen. Leclerc kam gut weg, Teamkollege Vettel wurde direkt von Hamilton attackiert, der Brite zog am Deutschen vorbei, doch Vettel konterte umgehend. Nach der legendären Eau Rouge eroberte Vettel aber den zweiten Platz zurück. So weit kam Max Verstappen erst gar nicht. Das Heimrennen für den in Belgien geborenen Niederländer war nach rund zwei Kilometern schon vorbei. Der Sieger des Österreich- und Deutschland-Rennens kollidierte mit seinem Red Bull in der ersten Kurve mit dem Alfa Romeo von Routinier Kimi Räikkönen – innen wollte sich Verstappen vorbeidrücken, es wurde aber zu eng. Beim anschließenden Mutstück durch die Eau Rouge brach die Radaufhängung, Verstappen landete in den Reifenstapeln, passiert war dem 21-Jährigen aber nichts.
Nach der Freigabe versuchte Hamilton vergeblich, noch mal an Vettel ranzukommen. Auf den langen Geraden der längsten Strecke im Rennkalender spielte die Scuderia ihre Motorenpower aus. Ganz vorn fuhr Leclerc zunächst ein souveränes Rennen. Würde der Monegasse, der bei seinen Poles in Bahrain und Spielberg erst gegen Ende von Platz eins verdrängt wurde, es diesmal schaffen?
Ein früher Reifenwechsel half Vettel auch nicht. Die Hoffnung, dadurch Hamilton auf Distanz zu halten und womöglich sogar Leclerc zu schlagen, platzte im weiteren Rennverlauf, selbst wenn Vettel kurzzeitig in Führung lag. Ein weiterer Reifenwechsel entfernte ihn dann aber auch noch vom Podium. Bei all den Strategien bekamen die Piloten von einem weiteren ergreifenden Moment an diesem emotionalen Wochenende in Belgien kaum etwas mit.
Zu Ehren Huberts standen die Zuschauer in der 19. Runde auf und applaudierten – der tödlich verunglückte Franzose trat in der Formel 2 mit der Nummer 19 an. Es blieb ein Rennen zwischen Business as usual und Schockzustand.