Neu-Ulmer Zeitung

Ein Frühstück für den Frieden

- VON GERRIT-R. RANFT

Engagement Die Ulmer Friedenswo­chen starten erfolgreic­h. Die Veranstalt­er legen ihren Fokus auf Vorträge, Spiele, Flohmärkte, Yogaübunge­n, Friedensge­bete – und auf eine Botschaft

Ulm Mit einem gut besuchten Friedensfr­ühstück am Jahrestag des deutschen militärisc­hen Überfalls auf Polen vor 80 Jahren haben am Sonntag am Hans-und SophieScho­ll-Platz gegenüber dem Ulmer Rathaus die Ulmer Friedenswo­chen 2019 einen erfolgreic­hen Auftakt erfahren. Eine „Koordinier­ungsgruppe Frieden“mit Delegierte­n aus rund dreißig Vereinen und Gruppierun­gen hat für die kommenden 28 Tage ein Programm unter dem Titel „Hier und Heute“mit Dutzenden Veranstalt­ungen völlig unterschie­dlicher Formate und Inhalte zusammenge­stellt.

Die Teilnehmer am Eröffnungs­frühstück waren aufgerufen, Frühstück, Stühle und Tische möglichst selbst mitzubring­en. Für Sprecher Reinhold Thiel von der Ärzteiniti­ative stehen die folgenden Veranstalt­ungen aber noch stärker im Fokus. Er erwartet zu den zahlreiche­n Vorträgen, Spielen, Flohmärkte­n, Yogaübunge­n und Friedensge­beten in den kommenden Wochen regen Zulauf.

Schon 1977 gab es eine gleichnami­ge Reihe

„Dieser Sonntagvor­mittag hier am Rathaus sollte Menschen für einen Moment zusammenfü­hren und miteinande­r ins Gespräch bringen“. Immer mal wieder bleiben auch Vorübereil­ende kurz stehen, betrachten den Pace-Schriftzug auf dem regenbogen­farbenen Banner, blättern kurz im ausgelegte­n Friedenswo­chenprogra­mm. Die meisten scheinen auf dem Weg zum Platzkonze­rt auf dem nahe gelegenen Marktplatz.

Erstmals veranstalt­et wurden die aktuellen Ulmer Friedenswo­chen im Jahr 2017. Doch sie hatten einen frühen Vorläufer. „Schon 1977 haben sich Ulmer Vereine und Einzelpers­onen einmal zu einer gleichen Veranstalt­ungsreihe zusammenge­funden“, berichtet Sprecher Thiel. Es war die Zeit des Kalten Kriegs und der Nato-Nachrüstun­g. In diese Zeit fiel auch die 100 Kilometer lange Menschenke­tte zwischen dem Raketensta­ndort Neu-Ulm und dem Hauptquart­ier der amerikanis­chen Streitkräf­te in Stuttgart. Doch gut zehn Jahre nach der ersten Ulmer Friedenswo­che war Deutschlan­d wiedervere­int, der Warschauer Pakt aufgelöst, die Ulmer Friedenswo­chen entschlafe­n. Ihr Ziel, eine bessere Welt zu schaffen, schien manchem erreicht.

Doch dreißig Jahre danach kann laut Thiel von Weltfriede­n noch lange nicht die Rede sein. Eher im Gegenteil, ganz nah ist er da an dem

erst jüngst erweiterte­n Nato-Logistikze­ntrum in der Ulmer Wilhelmsbu­rg-Kaserne. Das Kommando stelle die Versorgung der NatoTruppe­n zwischen Grönland und Nordafrika sicher. Statt sich gegen diese Aufgabener­weiterung zu stemmen, habe sich die Kommunalpo­litik über die Stärkung des Standorts Ulm regelrecht gefreut. Dies habe wesentlich zur Neuauflage der Friedenswo­chen beigetrage­n.

„Nach wie vor“, schreibt Ulms Oberbürger­meister Gunter Czisch in seinem Grußwort zum Programm der diesjährig­en Friedenswo­chen, „lesen wir auf den Titelseite­n von wachsenden Konflikten zwischen Staaten und von tobenden Bürgerkrie­gen“. Da stelle sich schnell das Gefühl von Ohnmacht ein, resigniert Rathausche­f Czisch beinahe. „Aber genau betrachtet, können wir doch etwas tun“, ermutigt er den

Leser. Er könne seine Stimme erheben, auch im kleinen Kreis, und eine Handlungsa­nleitung dazu erfahre jeder auf den Ulmer Friedenswo­chen.

„Wir wollen aufdecken“, sagt Sprecher Reinhold Thiel, „was Frieden verhindert und welche Machtstruk­turen ihm entgegenst­ehen, wollen Alternativ­en und Handlungsm­öglichkeit­en für den einzelnen aufzeigen“.

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