Grün war die Hoffnung
Leitartikel Bei den Landtagswahlen im Osten legen die Grünen zu, aber der Höhenflug ist gebremst. Im gemeinsamen Kampf gegen die AfD wird die Partei dringend benötigt
Ein richtig großes Geburtstagsgeschenk ist es nicht, das die Grünen in Sachsen und Brandenburg ihrem Bundesvorsitzenden Robert Habeck gemacht haben. Die ehemalige Öko-Partei legte zwar in beiden Bundesländern zu, blieb aber hinter den Erwartungen zurück, die zuvor von den Umfragen genährt worden waren. Zu Habecks 50. Geburtstag am Montag musste die ganz große Torte also im Kühlschrank bleiben.
Zum Feiern haben die Grünen auch gar keine Zeit. Schließlich basteln sie an ihrem großen Durchbruch, in Grünen-Kreisen wird schon die Frage nach einem eigenen Kanzlerkandidaten oder einer eigenen Kanzlerkandidatin gestellt. Da sind Ergebnisse wie die knapp elf Prozent in Brandenburg oder die knapp neun in Sachsen wenig förderlich. Beides sind respektable Resultate,
keine Frage. Aber zur Einordnung: Bei der Landtagswahl in Bayern schafften die Grünen 17,5 Prozent. In Hessen konnten sie ihr Ergebnis auf knapp 20 Prozent fast verdoppeln. Dagegen wirken die Zahlen im Osten mager. Man muss aber auch dort gewinnen, um im Bund erfolgreich zu sein.
Geburtstagskind Habeck sprach in seiner Wahlanalyse von grünen „Leihstimmen“, mit deren Hilfe CDU und SPD gewählt worden seien. Das war ein ganz schwaches, vielfach gehörtes Statement von einer Partei, die Großes vorhat und die Wahlen in Sachsen und Brandenburg hätte nutzen können, um den Bundesparteien von SPD und Union Dampf zu machen.
Die Grünen machen derzeit aber weder in Berlin Druck noch nutzen sie die Chance, sich nun bei den Wählerinnen und Wählern in Thüringen stärker ins Bewusstsein zu bringen, wo am 27. Oktober gewählt wird. Auch da sieht es für die Grünen den Umfragen zufolge zwar nicht schlecht, aber eben auch nicht überbordend gut aus.
Dieser mangelnde Enthusiasmus bei den Grünen ist bedenklich. Denn sie sind es, denen im demokratischen Spektrum der Bundestagsparteien die in Zukunft tragende Rolle zukommt. Sie sind mindestens die Königsmacher, womöglich sogar die Thronfolger.
Die Linke fällt für größere Aufgaben in der Bundespolitik offenbar aus. Sie kann zumindest derzeit nicht einmal im Osten punkten und muss jetzt fieberhaft nach einer Begründung suchen, warum man sie in der Fläche wählen soll. Für die FDP gilt Ähnliches. Die Liberalen haben es in Sachsen und Brandenburg nicht über die Fünf-ProzentHürde geschafft. Das strahlt fatal auf die Bundesebene ab, in der sich die FDP derzeit auch nicht ganz so weit entfernt von dieser Hürde bewegt. Linke und Liberale taugen also im Moment nicht für stabile Regierungsbündnisse.
Es bleibt also die grüne Bundespartei. Die will oder kann aus
Angst vor der eigenen Courage ihr offensichtliches Potenzial derzeit aber nicht ausschöpfen. Vor allem macht sie es wie Union und SPD und liefert keine Antwort auf die Herausforderung AfD. Die Alternative für Deutschland wiederum wird dadurch, bei gleichzeitig sehr schwachen Sozial- und sehr schwächelnden Christdemokraten, immer stärker. Sie verspottet jetzt schon unverhohlen die „fragilen Regierungsbündnisse“in Sachsen und Brandenburg und reklamiert für sich, „Volkspartei“zu sein.
Das wird all diejenigen in den sogenannten etablierten Parteien beflügeln, die Koalitionen mit der AfD nicht ganz abgeneigt sind. Deren Zahl ist im Moment noch überschaubar. Sie wird aber größer werden, wenn CDU und SPD in Zukunft nur noch unter größten Schwierigkeiten Koalitionen bilden können, die dann womöglich nicht einmal lange halten. Wenn die Grünen nicht kämpfen und stärker werden, wird die AfD genau in dieses Vakuum vorstoßen.
Der mangelnde Enthusiasmus ist bedenklich