Neu-Ulmer Zeitung

Ulm verkündet die Botschaft der Steine

- VON MARCUS GOLLING

Aktionswoc­henende Die Münstersta­dt blickt der bundesweit­en Eröffnung des Tags des offenen Denkmals entgegen. Nicht nur der Oberbürger­meister freut sich auf die Veranstalt­ung, bei der einem Verein eine besondere Ehre zuteilwird

Ulm Die Stadt Ulm und Rekorde, das passt zusammen – der höchste Kirchturm der Welt, das schiefste Hotel, und jetzt auch noch die Eröffnung der größten Kulturvera­nstaltung Deutschlan­ds: Am Sonntag, 8. September, wird um 11 Uhr auf dem Münsterpla­tz der bundesweit­e Startschus­s für den Tag des offenen Denkmals gegeben – zum zweiten Mal in Baden-Württember­g, zum ersten Mal in Ulm. Oberbürger­meister Gunter Czisch ist glücklich über diese Gelegenhei­t, „die Schätze, an denen man oft vorbeiläuf­t und die Vielfalt, die die Stadt zu bieten hat, zu präsentier­en“. Insgesamt 110 Veranstalt­ungen sind am Wochenende in Ulm geplant, bundesweit sind es rund 8000.

Czisch nahm gestern an einer Pressekonf­erenz teil, bei der das Programm präsentier­t wurde. Ebenfalls anwesend waren Katrin Schütz, Staatssekr­etärin im Stuttgarte­r Wirtschaft­sministeri­um, Claus Wolf, Leiter des Landesamte­s für Denkmalpfl­ege und Vertreter der Deutschen Stiftung Denkmalsch­utz. Steffen Skudelny aus dem Vorstand betonte, dass das diesjährig­e Motto „Modern(e): Umbrüche in Kunst und Architektu­r“in wenigen Städten „so gut erlebbar wie in Ulm“sei. Das sei auch ein Grund gewesen, warum die Münstersta­dt ausgewählt wurde. Ulm hatte sich vergangene­s Jahr offiziell für die Eröffnung beworben und sich gegen mehrere Konkurrent­en durchgeset­zt.

„Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus“, freute sich auch Staatssekr­etärin Schütz, die gestern zusammen mit Ober-Denkmalpfl­eger Wolf eine Denkmal-Tour durchs Ländle gestartet hat. Die Politikeri­n hob besonders den Bezug der Ulmer Hochschule für Gestaltung (HfG) zum Bauhaus hervor, dessen 100. Geburtstag Inspiratio­n für das Motto des Denkmaltag­s war. „Ulm verbindet Alt und Neu, Tradition und Moderne“, so Schütz, die der Stadt ein „großartige­s Denkmal-Wochenende“prophezeit.

Tatsächlic­h steht ein, wie Vorstand Skudelny von der Stiftung es nennt, ein „Doppel-Paukenschl­ag“bevor. Denn auch das Land hat seine offizielle Denkmaltag-Eröffnung nach Ulm gelegt, sodass es am Samstag, 7. September, zusätzlich eine Nacht des offenen Denkmals gibt. An diesem Abend wird unter anderem die Ausstellun­g „Baudenkmal HfG – Ästhetik des Einfachen“im Gebäude Münsterpla­tz 25 eröffnet, auf der spielen die JazzrockLe­genden Kraan, im Münster ist die Licht-Ton-Installati­on „Resonanzen“zu sehen – und an den Endhaltest­ellen des Ulmer Nahverkehr­s gibt es schon nachmittag­s besondere Führungen.

Dass die Menschen am DenkmalWoc­henende auch mal den Weg hinaus in die „Peripherie“wagen, lag OB Czisch beim Pressegesp­räch beDenkmals­chutz sonders am Herzen. Staatssekr­etärin Katrin Schütz pflichtete ihm bei: So viele Menschen engagierte­n sich freiwillig am Tag des offenen Denkmals, einige öffneten die Türen zu ihren Privathäus­ern – sie hätten Interesse als Belohnung verdient.

Am Sonntag gibt es neben zahlreiche­n Führungen und Besichtigu­ngsmöglich­keiten auch offizielle­s Programm: Schütz und der VorsitWilh­elmsburg zende des Stiftungsr­ats der Deutschen Stiftung Denkmalsch­utz, Jörg Haspel, eröffnen um 11 Uhr auf dem Münsterpla­tz den Aktionstag, es folgen eine Gesprächsr­unde mit Bürgern und Denkmalpfl­egern und ein buntes Nachmittag­sprogramm.

In dessen Rahmen verleiht die Stiftung Denkmalsch­utz erstmals den mit 5000 Euro dotierten Förderprei­s „Für deine Stadt – Denkmalsch­utz leben“. Preisträge­r ist die Bürgergeme­inschaft Pro Ulma. Der Verein hat laut Geschäftsf­ührerin Sabine Kühne seit seiner Gründung 1977 bereits 136 Projekte in der Stadt gefördert, mit insgesamt knapp 720000 Euro. Pro Ulma hat das Ziel, historisch­e Gebäude zu erhalten, deren Besitzer zum denkmalger­echten Umgang zu motivieren, sie zu beraten und bei Renovierun­gen finanziell zu unterstütz­en.

Der Verein hat allerdings ein Problem: Es gibt mehr Todesfälle als Neuzugänge. Allgemein, so Steffen Skudelny von der Stiftung Denkmalsch­utz, sei es nicht leicht, neue Menschen für das Thema Denkmalsch­utz und -pflege zu begeistern. Aber auch dazu soll das Programm in Ulm beitragen. Auf sieben Schaubaust­ellen können Besucher hautnah am Sonntagnac­hmittag erleben, wie historisch­e Gebäude saniert werden. An Jugendlich­e richtet sich eine Speedführu­ng durch Ulmer Denkmäler, an Familien eine Denkmal-Rallye: Wer viele Stempel in einem Pass sammelt, kann Preise gewinnen.

Der Tag des offenen Denkmals in Ulm soll Aufmerksam­keit erzeugen. Die sei auch wichtig, wie Claus Wolf vom Landesamt für Denkmalpfl­ege erklärte: Durch den Wohnungsma­ngel käme es derzeit verstärkt zu Konflikten zwischen Bauherren und Denkmalsch­ützern. Die Akzeptanz für junge Denkmäler sei außerdem noch immer gering. Am Denkmaltag lassen sich in Ulm wichtige Bauten der Nachkriegs­moderne erleben: das HfG-Gebäude beispielsw­eise – oder die Technische Hochschule, das erste Funktionsg­ebäude in Deutschlan­d, das komplett aus Fertigteil­en gebaut wurde. Noch eine Ulmer Spitzenlei­stung, aber eine, die kaum einer kennt.

Das Motto ist in Ulm besonders gut erlebbar

Programm Eine Übersicht bietet das in Ulm und Neu-Ulm ausliegend­e Programmhe­ft, das auch digital unter anderem auf ulm.de abrufbar ist.

Der Bücherwurm zählte nicht unbedingt zu jenen, die für den 50er-Jahre-Bau des Neu-Ulmer Bahnhofs kämpften, als er vor Jahren abgerissen wurde. So schön fand er das Gebäude nicht. Ein bisschen Nostalgie wehte den Bücherwurm aber dennoch an, als er überrasche­nd bei Ebay auf den Verkauf des Neu-Ulmer Bahnhofs als Modellbau-Set aus den 60er-Jahren stieß. Vom Dachboden stammte das gute Stück, hieß es da. Natürlich weckte das Angebot Bilder im Kopf – dereinst die Oma abgeholt am Bahnhof, nach einer ihrer letzten Bahnfahrte­n, die sie noch reisen konnte. An Gebäuden kann viel Erinnerung hängen – selbst, wenn sie nur als Modellbaus­atz vor dem inneren Auge stehen, melancholi­sche zumal.

Richtig schmunzeln musste der Bücherwurm aber dann darüber, was der Anbieter des Nachbaus eines nicht mehr existenten Bahnhofes geschriebe­n hatte: Er verlegte das Gebäude als einen „Nachbau des Bahnhofs Ulms“über die Landesgren­ze. Und auch, wenn der Ulmer Bahnhof aktuell zwischen Bauzäunen ziemlich unkenntlic­h ist – er sieht doch etwas anders aus als sein früheres Pendant auf NeuUlmer Seite.

 ?? Foto: Horst Hörger ?? Freuen sich auf den Tag und die Nacht des offenen Denkmals in Ulm: (von links) Claus Wolf vom Landesamt für Denkmalpfl­ege, Oberbürger­meister Gunter Czisch, Staatssekr­etärin Katrin Schütz sowie Steffen Skudelny und Ursula Schirmer von der Deutschen Stiftung Denkmalpfl­ege am östlichen Münsterpla­tz.
Foto: Horst Hörger Freuen sich auf den Tag und die Nacht des offenen Denkmals in Ulm: (von links) Claus Wolf vom Landesamt für Denkmalpfl­ege, Oberbürger­meister Gunter Czisch, Staatssekr­etärin Katrin Schütz sowie Steffen Skudelny und Ursula Schirmer von der Deutschen Stiftung Denkmalpfl­ege am östlichen Münsterpla­tz.
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DIENSTAG, 3. SEPTEMBER 2019

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