Dieses Auto ist weltweit einzigartig
Motorsport Bernd Ruetz aus Illertissen ist mit seinem zum Notarztfahrzeug umgebauten Ford Mustang auf Strecken in ganz Deutschland unterwegs
Illertissen/Ulm Eine Tiefgarage mitten in Illertissen. Nicht gerade viele Stellplätze sind an diesem frühen Nachmittag unter der Woche besetzt. Ein Gefährt sticht aber sofort ins Auge: Neben einer Betonsäule ist ein tiefergelegter, knallig orangefarbener Ford Mustang zentimetergenau rückwärts eingeparkt, zwei schwarze Streifen ziehen sich über die Motorhaube bis zum Heck. Quer über dem Dach thront eine Signalanlage. Als Besitzer Bernd Ruetz diese einschaltet, beginnen die gelben und grellweißen Lichter zu blinken und erhellen den dunklen Abstellplatz. Doch nicht nur deshalb hebt sich Ruetz’ Mustang von anderen Sportwagen des amerikanischen Herstellers ab: An mehreren Stellen – unter anderem an der Seitentür, wo auch das Logo des Ulmer Motorsport Clubs (UMC) prangt – ist der Schriftzug „Medical Intervention Car“aufgeklebt.
Vor rund fünf Jahren haben sich Ruetz und der UMC dazu entschieden, das Auto zu einem solchen Notarztfahrzeug umzubauen. Auch aus Eigeninteresse, wie der 48-Jährige erklärt. Der Sicherheitsaufwand bei Rennveranstaltungen sei in den vergangenen Jahren größer geworden und auch mit erheblichen Kosten verbunden. Das gilt auch für die jährlich stattfindende Rallye des UMC: „Da ist es gut, so ein Auto selbst zu haben.“
Die Modifikationen wurden durch Ruetz und den Verein finanziert und beschränken sich längst nicht auf das äußere Erscheinungsbild. Im Fahrzeuginneren wird es hinter den beiden Vollschalensitzen mit ihren speziellen Renngurten eng: Pulver- und Schaumlöscher, Medizinkoffer, Rettungsscheren sowie andere Spezialwerkzeuge sind auf engstem Raum untergebracht. Die Ausstattung werde durch den internationalen Dachverband FIA (kurz für Fédération Internationale de l’Automobile) genau vorgeschrieben, erklärt Ruetz. Deutschlandweit gebe es nur zwei weitere private Anbieter von Medical Intervention Cars. Sein Mustang sei sogar der weltweit einzige, der zu solch einem Auto umgebaut wurde: „Sogar in amerikanischen Foren wird darüber diskutiert“, erzählt der 48-Jährige stolz.
Auch Ruetz selbst muss bestimmte Qualifikationen vorweisen, besitzt eine Rennlizenz, ist Feuerwehrmann und Rettungssanitäter. Im Bereich Motorsport absolvierte er zahlreiche Fortbildungen: Denn, auch wenn Rennautos sicherer als herkömmliche Fahrzeuge sind, sei ein ganz anderes Vorgehen gefragt, um einen verunglückten Fahrer aus seiner käfigähnlichen Zelle zu befreien. „Die meisten Unfälle gehen aber zum Glück glimpflich aus“, sagt Ruetz. Gerade bei Rallyes, wo sich an manchen Streckenabschnitten Bäume direkt am Fahrbahnrand befinden, komme es bei Zusammenstößen aber schon des Öfteren zu schwereren Verletzungen.
Mit seinem Mustang ist Ruetz mittlerweile in ganz Deutschland unterwegs: Neben Rallyes auch bei Beschleunigungs- oder Rundstrecken-Rennen, wie in etwa einem Monat beim Lauf der „Nascar Whelen Euro-Serie“am Hockenheimring, an dem ausschließlich professionelle Fahrer teilnehmen. Immer als Beifahrer an seiner Seite: Bundeswehrund Notarzt Gerd Kremers. „Wir harmonieren hervorragend“, sagt Ruetz über die Zusammenarbeit.
An Rennwochenenden, die sich nicht selten von Donnerstag bis Sonntag erstrecken, sind die beiden im Dauereinsatz, müssen auch an Meetings und Übungen teilnehmen. „Das ist schon stressig“, sagt Ruetz. Wenn die Autos auf der Strecke sind, wartet er gemeinsam mit Kremer in seinem Mustang, bis es ernst wird und sie ausrücken müssen. Das Medical Intervention Car entspreche einem Notarzt-Einsatzfahrzeug. Zum Patiententransport sei es jedoch nicht geeignet – die Hauptaufgaben sind die medizinische Erstversorgung, Brandbekämpfung und technische Rettung.
Ruetz habe schon immer das Bedürfnis gehabt, zu helfen. Bereits in seiner Jugend schloss er sich der Feuerwehr an, arbeitete später als Berufsfeuerwehrmann und ist mittlerweile im Hochsicherheitsdienst tätig. Sein Arbeitgeber sei, was die nötige Zeit für die Rennen angeht, sehr entgegenkommend und auch seine Lebensgefährtin unterstütze ihn. „Mittlerweile ist der Rennsport auch für sie zum Hobby geworden.“
Dass sich darum vieles im Leben der beiden dreht, verrät ein Blick in Ruetz’ Wohnung in Illertissen. An der Wand hängt ein roter Rennoverall, gleich daneben ein Lenkrad. Eine Tischplatte wird von vier übereinanderliegenden, ausgedienten Autoreifen getragen – darüber befindet sich ein gerahmtes Bild des orangefarbenen Mustangs, den Ruetz auch als Tattoo auf seinem linken Unterarm trägt.
Im Alltag ist der 48-Jährige mit dem 350 PS starken Gefährt auch auf den Straßen der Vöhlinstadt unterwegs: „Damit einkaufen zu fahren, ist mittlerweile aber eher schwierig“, sagt er mit einem Lächeln. Im Kofferraum sei wegen der Ausrüstung schlichtweg kein Platz mehr. An seinen freien Wochenenden geht es für Ruetz zu US-CarTreffen, wo er nach eigenen Angaben mit seinem Mustang schon einige Pokale abgeräumt hat: „Die Szene boomt.“Auch deswegen gründete er vor sechs Jahren den US-Car Club Ulm: Bei einem Treffen Anfang August auf dem Magirus-Parkplatz in Ulm-Donautal waren dort rund 500 amerikanische Fahrzeuge zu bewundern.
Sogar in Amerika wird über den Wagen diskutiert