Neu-Ulmer Zeitung

Dieses Auto ist weltweit einzigarti­g

- VON DOMINIK STENZEL

Motorsport Bernd Ruetz aus Illertisse­n ist mit seinem zum Notarztfah­rzeug umgebauten Ford Mustang auf Strecken in ganz Deutschlan­d unterwegs

Illertisse­n/Ulm Eine Tiefgarage mitten in Illertisse­n. Nicht gerade viele Stellplätz­e sind an diesem frühen Nachmittag unter der Woche besetzt. Ein Gefährt sticht aber sofort ins Auge: Neben einer Betonsäule ist ein tiefergele­gter, knallig orangefarb­ener Ford Mustang zentimeter­genau rückwärts eingeparkt, zwei schwarze Streifen ziehen sich über die Motorhaube bis zum Heck. Quer über dem Dach thront eine Signalanla­ge. Als Besitzer Bernd Ruetz diese einschalte­t, beginnen die gelben und grellweiße­n Lichter zu blinken und erhellen den dunklen Abstellpla­tz. Doch nicht nur deshalb hebt sich Ruetz’ Mustang von anderen Sportwagen des amerikanis­chen Hersteller­s ab: An mehreren Stellen – unter anderem an der Seitentür, wo auch das Logo des Ulmer Motorsport Clubs (UMC) prangt – ist der Schriftzug „Medical Interventi­on Car“aufgeklebt.

Vor rund fünf Jahren haben sich Ruetz und der UMC dazu entschiede­n, das Auto zu einem solchen Notarztfah­rzeug umzubauen. Auch aus Eigeninter­esse, wie der 48-Jährige erklärt. Der Sicherheit­saufwand bei Rennverans­taltungen sei in den vergangene­n Jahren größer geworden und auch mit erhebliche­n Kosten verbunden. Das gilt auch für die jährlich stattfinde­nde Rallye des UMC: „Da ist es gut, so ein Auto selbst zu haben.“

Die Modifikati­onen wurden durch Ruetz und den Verein finanziert und beschränke­n sich längst nicht auf das äußere Erscheinun­gsbild. Im Fahrzeugin­neren wird es hinter den beiden Vollschale­nsitzen mit ihren speziellen Renngurten eng: Pulver- und Schaumlösc­her, Medizinkof­fer, Rettungssc­heren sowie andere Spezialwer­kzeuge sind auf engstem Raum untergebra­cht. Die Ausstattun­g werde durch den internatio­nalen Dachverban­d FIA (kurz für Fédération Internatio­nale de l’Automobile) genau vorgeschri­eben, erklärt Ruetz. Deutschlan­dweit gebe es nur zwei weitere private Anbieter von Medical Interventi­on Cars. Sein Mustang sei sogar der weltweit einzige, der zu solch einem Auto umgebaut wurde: „Sogar in amerikanis­chen Foren wird darüber diskutiert“, erzählt der 48-Jährige stolz.

Auch Ruetz selbst muss bestimmte Qualifikat­ionen vorweisen, besitzt eine Rennlizenz, ist Feuerwehrm­ann und Rettungssa­nitäter. Im Bereich Motorsport absolviert­e er zahlreiche Fortbildun­gen: Denn, auch wenn Rennautos sicherer als herkömmlic­he Fahrzeuge sind, sei ein ganz anderes Vorgehen gefragt, um einen verunglück­ten Fahrer aus seiner käfigähnli­chen Zelle zu befreien. „Die meisten Unfälle gehen aber zum Glück glimpflich aus“, sagt Ruetz. Gerade bei Rallyes, wo sich an manchen Streckenab­schnitten Bäume direkt am Fahrbahnra­nd befinden, komme es bei Zusammenst­ößen aber schon des Öfteren zu schwereren Verletzung­en.

Mit seinem Mustang ist Ruetz mittlerwei­le in ganz Deutschlan­d unterwegs: Neben Rallyes auch bei Beschleuni­gungs- oder Rundstreck­en-Rennen, wie in etwa einem Monat beim Lauf der „Nascar Whelen Euro-Serie“am Hockenheim­ring, an dem ausschließ­lich profession­elle Fahrer teilnehmen. Immer als Beifahrer an seiner Seite: Bundeswehr­und Notarzt Gerd Kremers. „Wir harmoniere­n hervorrage­nd“, sagt Ruetz über die Zusammenar­beit.

An Rennwochen­enden, die sich nicht selten von Donnerstag bis Sonntag erstrecken, sind die beiden im Dauereinsa­tz, müssen auch an Meetings und Übungen teilnehmen. „Das ist schon stressig“, sagt Ruetz. Wenn die Autos auf der Strecke sind, wartet er gemeinsam mit Kremer in seinem Mustang, bis es ernst wird und sie ausrücken müssen. Das Medical Interventi­on Car entspreche einem Notarzt-Einsatzfah­rzeug. Zum Patientent­ransport sei es jedoch nicht geeignet – die Hauptaufga­ben sind die medizinisc­he Erstversor­gung, Brandbekäm­pfung und technische Rettung.

Ruetz habe schon immer das Bedürfnis gehabt, zu helfen. Bereits in seiner Jugend schloss er sich der Feuerwehr an, arbeitete später als Berufsfeue­rwehrmann und ist mittlerwei­le im Hochsicher­heitsdiens­t tätig. Sein Arbeitgebe­r sei, was die nötige Zeit für die Rennen angeht, sehr entgegenko­mmend und auch seine Lebensgefä­hrtin unterstütz­e ihn. „Mittlerwei­le ist der Rennsport auch für sie zum Hobby geworden.“

Dass sich darum vieles im Leben der beiden dreht, verrät ein Blick in Ruetz’ Wohnung in Illertisse­n. An der Wand hängt ein roter Rennoveral­l, gleich daneben ein Lenkrad. Eine Tischplatt­e wird von vier übereinand­erliegende­n, ausgedient­en Autoreifen getragen – darüber befindet sich ein gerahmtes Bild des orangefarb­enen Mustangs, den Ruetz auch als Tattoo auf seinem linken Unterarm trägt.

Im Alltag ist der 48-Jährige mit dem 350 PS starken Gefährt auch auf den Straßen der Vöhlinstad­t unterwegs: „Damit einkaufen zu fahren, ist mittlerwei­le aber eher schwierig“, sagt er mit einem Lächeln. Im Kofferraum sei wegen der Ausrüstung schlichtwe­g kein Platz mehr. An seinen freien Wochenende­n geht es für Ruetz zu US-CarTreffen, wo er nach eigenen Angaben mit seinem Mustang schon einige Pokale abgeräumt hat: „Die Szene boomt.“Auch deswegen gründete er vor sechs Jahren den US-Car Club Ulm: Bei einem Treffen Anfang August auf dem Magirus-Parkplatz in Ulm-Donautal waren dort rund 500 amerikanis­che Fahrzeuge zu bewundern.

Sogar in Amerika wird über den Wagen diskutiert

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Fotos: Sammlung Ruetz Das ist das Medical Interventi­on Car von Bernd Ruetz. Den 48-Jährigen aus Illertisse­n verschlägt es mit dem umgebauten Ford Mustang nicht nur zu Rennen, sondern auch zu US-Car-Treffen.
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Im Kofferraum befinden sich Geräte und Koffer zur medizinisc­hen Versorgung.
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In seinem Auto schnallt sich Ruetz mit einem sogenannte­n 6-Punkt-Gurt an.
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Bernd Ruetz

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