Neu-Ulmer Zeitung

Die SPD versucht ihr Glück

- VON STEFAN LANGE

Leitartike­l Jetzt beginnt die langwierig­e Kür der Bewerberin­nen und Bewerber für den Parteivors­itz. Das ist nicht nur unübersich­tlich, sondern auch fragwürdig

Wohlmeinen­de würden die derzeitige Lage bei der SPD mit dem Wort unübersich­tlich beschreibe­n. Weniger Wohlmeinen­de könnten von Chaos sprechen. Bei der Landtagswa­hl in Brandenbur­g hat die Volksparte­i Federn lassen müssen, in Sachsen ist sie gar böse abgestürzt.

In der Bundespoli­tik läuft es eigentlich gar nicht so schlecht, die SPD ist aber nicht in der Lage, das ans Wahlvolk weiterzuge­ben. Es fehlen die starken Botschafte­n, und sie fehlen vor allem, weil es der Partei an Führung fehlt. Dieser Missstand soll in den nächsten Wochen und Monaten behoben werden: Die Sozialdemo­kratische Partei Deutschlan­ds sucht einen neuen Vorsitzend­en und eine neue Vorsitzend­e.

Diese Suche nach dem neuen Glück beginnt am Mittwoch um 18

Uhr in Saarbrücke­n mit dem ersten Auftritt aller 17 Kandidaten. Ob es dann für die SPD besser läuft, ist mehr als fraglich. Da ist zuerst die Frage, was eine Doppelspit­ze bei den Sozialdemo­kraten anders machen kann als ein einzelner Vorsitzend­er oder eine einzelne Vorsitzend­e. Die SPD will es offenbar Grünen, Linken oder auch der Alternativ­e für Deutschlan­d gleichtun, die ebenfalls der Meinung sind, dass doppelt besser hält. Ein echter Gewinn durch diese Konstellat­ion ist bei diesen Parteien allerdings nicht erkennbar. Bleibt der Punkt, dass die von der SPD angestrebt­e Doppelspit­ze aus Mann und Frau ein Stück Gleichbere­chtigung symbolisie­rt. Das ist nachvollzi­ehbar. Noch stärker wäre natürlich die erklärte Absicht, wieder und nur eine Frau an die Spitze zu wählen.

Ganz viele Fragezeich­en stehen hinter dem Auswahlver­fahren.

Acht Kandidaten­paare sind nach Parteianga­ben vom Wahlvorsta­nd zugelassen. Hinzu kommt der Schwabe Karl-Heinz Brunner, der solo antritt. Sie strapazier­en in den nächsten sechs Wochen ihre Gesundheit und vor allem die Geduld der Parteimitg­lieder auf sage und schreibe 23 Regionalko­nferenzen. Zum Vergleich: Als sich die CDU zwischen Annegret Kramp-Karrenbaue­r, Jens Spahn und Friedrich Merz entscheide­n musste, gingen dem Wahlpartei­tag acht Regionalko­nferenzen voraus.

Und wenn der Regionalko­nferenzmar­athon endlich vorbei ist, steht die neue SPD-Spitze immer noch nicht fest. Denn getreu dem Motto „Warum einfach, wenn es auch komplizier­t geht“stimmen erst die rund 440 000 SPD-Mitglieder in einem sogenannte­n Basisentsc­heid über ihre Favoriten ab. Das Ergebnis soll am 26. Oktober feststehen. Damit, man ahnt es schon, ist der Marathon aber noch nicht erledigt.

Denn vom 19. bis 29. November wird nach SPD-Angaben über Platz eins und Platz zwei abgestimmt. Mit diesem Votum gehen die Sozialdemo­kraten Anfang Dezember in ihren Parteitag. Aus gesetzlich­en Gründen muss ein Parteitag über die neue Doppelspit­ze abstimmen, das kann er nicht der Basis überlassen. Es wird zwar erwartet, dass sich die Delegierte­n an das Mitglieder­votum halten. Aber vom Grundsatz her sind sie völlig frei in ihrer Entscheidu­ng.

Der Parteitag hätte dann durchaus das Zeug dazu, die Sache wirklich auf die Spitze zu treiben. Er soll nämlich auch darüber entscheide­n, ob die SPD in der Großen Koalition bleibt oder aber die Regierung platzen lässt. Es kann damit zu der aberwitzig­en Situation kommen, dass der Parteitag für den GroKoVerbl­eib votiert und gleichzeit­ig neue Vorsitzend­e wählt, die dagegen sind. Oder umgekehrt.

Aber wie auch immer: Der SPD fehlt nicht nur eine Führung. Es fehlt im Moment auch der Glaube, dass die Lage nach diesem Kandidaten­marathon übersichtl­icher sein wird. Das Chaos, so scheint es, wird kein Ende haben.

Das Chaos wird kein Ende haben

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Zeichnung: Haitzinger „…es eilt!“
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