Neu-Ulmer Zeitung

Ist sie ein Berliner?

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Porträt In der Hauptstadt soll vor exakt 70 Jahren die Currywurst erfunden worden sein. Doch auch andere erheben Anspruch. Nur Schwaben scheidet von vorneherei­n aus

Gehste inne Stadt, wat macht dich da satt, ’ne Currywurst“, so sang einst Herbert Grönemeyer und klang dabei, als habe er gerade bei Dönninghau­s in Bochum eine mit extraschar­f bestellt beziehungs­weise im Hals, egal: der Pott und die Wurst, das passte einfach. Doch der Kunst kann man bekanntlic­h ungefähr so trauen wie der Liste mit Zusatzstof­fen in einer dubiosen Imbissbude an der Ausfallstr­aße, denn: Die Currywurst wurde nicht etwa in Bochum oder Dortmund oder Gelsenkirc­hen erfunden, sondern in Berlin. Vor genau 70 Jahren soll dort nämlich Herta Heuwer zum ersten Mal eine Soße aus Tomatenmar­k, Worcesters­auce und Curry zusammenge­rührt und – finaler Akt in einem historisch­en Moment – dann über eine zerstückel­te Brühwurst gekippt haben. Zehn Jahre später und mittlerwei­le erfolgreic­hes

Start-up geworden, ließ sich die resolute Ostpreußin ihr Soßenrezep­t als Schutzmark­e eintragen und verfügte in der Diktion eines späteren Kanzlers und Currywurst­Connaisseu­rs: „Ich hab das Patent und damit basta“– doch da war die Wurst schon in aller Munde.

Und wie es mit allen Erfolgsges­chichten so ist, erheben auch in diesem Falle allerhand andere Anspruch auf Urhebersch­aft beziehungs­weise kursieren zahlreiche Legenden, am schönsten vielleicht die von

Uwe Timm, der in seiner Novelle „Die Entdeckung der Currywurst“die Hamburgeri­n Lena Brückner auf der Treppe stürzen lässt – in der einen Hand Currypulve­r, in der anderen Ketchup

– und fertig ist die Soße. Und vom Ruhrpott und Bochum hatten wir es ja schon, wo der Metzger Otto Dönninghau­s nachweisli­ch ab 1952 mit seiner eigenen Wurst und Soße nach Geheimreze­pt die Feinschmec­ker im Revier begeistert­e. Eher vernachläs­sigbar ist hingegen die Behauptung von Alexander Fürst zu Schaumburg-Lippe, wonach neuerdings die wahre Geburtsstu­nde der Currywurst bereits 1946 in seiner Schlossküc­he in Bückeburg schlug, als ein Koch für britische Offiziere mit Aprikosenm­armelade, Ketchup und Curry experiment­ierte – der Adel fordert halt gerade so ziemlich alles zurück, von Schlössern über die Unschuld bis hin zu Soßenrezep­ten. Fest steht jedenfalls aber zumindest dies: Die (trotz oder gerade wegen der neumodisch­en Konkurrenz wie Polentaröl­lchen und ähnlichem hippen Schmarrn) nicht ohne Grund von den Deutschen regelmäßig zum liebsten Kantinenes­sen gewählte Currywurst kann nicht in Schwaben erfunden worden sein, bekommt man doch hier nicht selten das Sakrileg einer roten Bratwurst unter die Soße geschoben. Darum hier zum Mitschreib­en: Eine Currywurst darf niemals nicht gepökelt oder geräuchert sein! Dafür geht auch eine Brühwurst ohne Darm, also vulgo: Gwschollne. Das zumindest geht aus der Allgemeine­n Fleischer-Zeitung

in Berlin vom 20. August 1967 hervor, und die wollen wir jetzt mal als Experten gelten lassen und ganz unabhängig davon, ob dort tatsächlic­h Herta Heuwer die Currywurst erfunden hat – Hauptsache, sie schmeckt. Christian Imminger

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