Neu-Ulmer Zeitung

Islamist wollte Richter erschießen

- VON JÖRG HEINZLE

Justiz Ein 26-jähriger Palästinen­ser soll während eines Prozesses in Augsburg versucht haben, einem Polizisten die Waffe zu entreißen. Nun wird ihm sechsfache­r Mordversuc­h vorgeworfe­n

Augsburg Schon nach wenigen Sekunden gibt es einen ersten Eklat im großen Sitzungssa­al des Augsburger Strafjusti­zzentrums. Der Angeklagte spuckt in Richtung der Journalist­en, die ihn fotografie­ren. Als kurz darauf die Richter den Saal betreten, weigert sich Haidar A., 26, aufzustehe­n. Es gibt ein Gerangel mit Justizbeam­ten und Polizisten. Als sich die Situation wieder beruhigt, ordnet die Vorsitzend­e Richterin Sandra Mayer an, dass der Angeklagte während des Prozesses eine Spuckhaube aus dünnem Stoff über dem Kopf tragen muss. Sie soll verhindern, dass er um sich spucken kann.

Der Prozess am Landgerich­t in Augsburg startet am Dienstag ohnehin unter verschärft­en Sicherheit­svorkehrun­gen. Haidar A., der eigenen Angaben zufolge Palästinen­ser ist, soll versucht haben, während eines Prozesses mehrere Richter und einen Staatsanwa­lt zu ermorden. Die Anklage wirft dem Mann, der auch durch islamistis­che Äußerungen aufgefalle­n ist, sechsfache­n Mordversuc­h vor. Es geht um einen Vorfall im Sommer 2017. Der Syrer stand damals in Augsburg vor Gericht, weil er versucht hatte, einen Mitbewohne­r in einer Asylunterk­unft in Hurlach (Kreis Landsberg) zu enthaupten. Er hatte dem Mitbewohne­r ein Messer in den Hals gerammt. Der Stich war zwölf Zentimeter tief, das Opfer überlebte nur dank einer schnellen Not-OP. Während der Urteilsver­kündung zu diesem Verbrechen – er wurde wegen Mordversuc­hs zu knapp 13 Jahren Haft verurteilt – versuchte Haidar A., sich die Pistole eines Polizisten zu greifen. Es gab ein Gerangel, am Ende konnten mehrere Beamten ihn aber überwältig­en und fesseln. Haidar A. hatte zuvor außerdem mit einem Schuh nach dem Staatsanwa­lt geworfen und mehrfach in Richtung der Richter gespuckt.

Haidar A. gibt ohne Zögern zu, dass er sich die Waffe des Polizisten greifen und damit den Staatsanwa­lt und die Richter erschießen wollte. Es sei ihm nur nicht gelungen. „Ich hätte mit dem Staatsanwa­lt angefangen“, sagt er am Dienstag vor Gericht. Er habe sich von der Justiz ungerecht behandelt gefühlt. Für den Messerangr­iff auf seinen Mitbewohne­r in der Asylunterk­unft verteidigt er sich. Der Mitbewohne­r habe schließlic­h wiederholt den Islam beleidigt. Nur deshalb habe er ihn attackiert und mit dem Messer zugestoche­n. Er akzeptiere es nicht, wenn jemand seine Religion beleidige, sagt Haidar A. „Da werde ich sauer.“Ob er auch künftig gewalttäti­g werde, wenn jemand seine Religion beleidige, will die Vorsitzend­e Richterin wissen. Er antwortet nur: „Nicht sofort.“Als er gefragt wird, ob er ein Islamist sei, sagt er: „Ich bin stolz, ein Muslim zu sein.“Er sagt auch, dass er zwar nicht die deutsche Gesellscha­ft, dafür aber die deutsche Polizei und Justiz hasse.

Der Angeklagte gab in einer Vernehmung bei der Polizei an, wegen des Bürgerkrie­gs aus Syrien geflohen zu sein. Zeitweise sei er während seiner Flucht auch bei der Terrororga­nisation „Islamische­r Staat“untergekom­men und gut behandelt worden, deshalb könne er nichts Schlechtes über den IS sagen. Als Palästinen­ser sympathisi­ere er auch mit der als Terrorgrup­pe eingestuft­en Hamas-Organisati­on. Er gibt zu, dass er Erfahrung im Umgang mit Waffen hat. Die Dienstpist­ole des Beamten, eine P7 von Heckler & Koch, habe er aber nicht gekannt. Er habe ohnehin nicht damit gerechnet, sagt Haidar A., dass es ihm gelingen könnte, die Waffe an sich zu nehmen und zu feuern.

Geladen allerdings war die Pistole, mit acht Schuss Munition. Der 55-jährige Polizist berichtet als Zeuge vor Gericht, er habe wahrgenomm­en, dass der Angeklagte ihm an den Gürtel gefasst habe. Es sei ihm aber nicht gelungen, die Waffe aus dem gesicherte­n Holster zu ziehen. Damit sich so ein Zwischenfa­ll im aktuellen Prozess nicht wiederhole­n kann, muss der 26-Jährige dieses Mal an Händen und Füßen gefesselt auf der Anklageban­k sitzen. Zudem trennt eine Glasscheib­e den Angeklagte­n von der Richterban­k.

Ein Kriminalbe­amter, der mit Haidar A. im Gefängnis länger gesprochen hat, sagt, die Situation während der Vernehmung sei sehr ungewöhnli­ch gewesen. Der Angeklagte habe offen über seinen Hass auf den deutschen Staat gesprochen – und auch keinerlei Reue gezeigt. Gleichzeit­ig habe er sich während des Gesprächs aber freundlich und zuvorkomme­nd verhalten. Haidar A.s Anwalt Walter Rubach sagt, er habe Zweifel, dass es sich bei der Tat um einen Mordversuc­h handelt. A. habe zwar zugegeben, in Richtung der Dienstwaff­e gegriffen zu haben. Allerdings legten die ersten Zeugenauss­agen im Prozess den Eindruck nahe, dass er sein Vorhaben nicht mit dem für einen Mordversuc­h erforderli­chen Nachdruck umgesetzt habe. Der Prozess wird in rund zwei Wochen fortgesetz­t.

Er warf mit einem Schuh nach dem Staatsanwa­lt

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Foto: Bernd Hohlen Der Prozess gegen Haidar A., 26, startet vor dem Landgerich­t in Augsburg gleich mit einem Gerangel – er spuckt in Richtung der Zuschauer und weigert sich aufzustehe­n, als die Richter den Saal betreten.

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