„Die Kirche ist weg“
Unwetter Erst wütete Hurrikan „Dorian“auf den Bahamas, jetzt zieht er weiter Richtung Florida
Nassau Ein Mann filmt mit dem Handy einen Erkundungsgang durch den Ort Marsh Harbour auf der Bahamas-Insel Great Abaco. Auf der Straße ist nur noch wenig Wasser, jetzt ist sie von Schutt und Trümmern übersät. Neben Teilen von eingestürzten Hauswänden, verstreuten Stofffetzen und Autoreifen liegen unter dem noch immer grau verhangenen Himmel umgeknickte Bäume. Die Leitungen eines schief stehenden Strommasts verlaufen hüfthoch, quer auf der Straße liegt ein Schnellboot. „Das hier war Bay View“, kommentiert der Mann seinen Gang durch die Nachbarschaft. „Bay View ist weg.“
„Meine Güte“, schiebt er nach. „Hier war dieses kleine Restaurant – das ist weg.“Ein paar Schritte weiter: „Die Kirche – die Kirche ist weg.“Alles sei zerstört, sagte er. „Ja, so schlimm ist es.“
Während das Ausmaß der Zerstörung durch „Dorian“sich auf den Abaco-Inseln – wo der Sturm zuerst gewütet hat – allmählich offenbart, stecken die Bewohner der Insel Grand Bahama noch mittendrin. Wegen der reißenden Flutwellen, aus denen an manchen Stellen nur die oberen Stockwerke von Häusern und die Spitzen der Bäume ragen, kommen die Helfer mehr als einen Tag nach Ankunft des Sturms noch nicht zu den Bewohnern durch.
„Viele Menschen dort sind in ernster Not“, hat Premierminister Hubert Minnis über Grand Bahama gesagt. „Ihnen wird geholfen, sobald die Wetterbehörde grünes Licht gibt.“Mit Nachrichten und Videos in sozialen Medien dokumentieren die Betroffenen ihre Not. Manche stecken inmitten der Fluten in den Trümmern ihrer Häuser fest und rufen um Hilfe. Andere suchen verzweifelt ihre Angehörigen. Es gibt Berichte über Menschen, die vom Wasser mitgerissen wurden. Regierungschef Minnis sprach von fünf bestätigten Todesopfern. Wenn der Sturm weitergezogen ist und die Lage übersichtlicher wird, dürfte diese Zahl steigen.
Der Hurrikan hat die Bahamas schwer getroffen. „Dorian“erreichte den karibischen Inselstaat bereits am Sonntag. Bei seiner Ankunft fegte der Sturm mit Windgeschwindigkeiten von fast 300 Kilometern pro Stunde über die Inselgruppe hinweg – als Hurrikan der gefährlichsten Kategorie fünf. Nun steuert der Sturm – inzwischen als Hurrikan der Kategorie drei – weiter Richtung Norden. Es sieht so aus, als würde „Dorian“nicht direkt auf die USKüste treffen, allerdings so nahe daran vorbeiziehen, dass Sturmfluten, gefährliche Winde, heftige Regenfälle und Überschwemmungen zu befürchten sind. Die Menschen in Florida rüsten sich seit Tagen für den Sturm.
In Melbourne stehen Susan und Chuck Brower am Strand. Sie hätten niemanden, zu dem sie gehen könnten, erzählt das Paar. In eine Notunterkunft wollten sie nicht. Stattdessen haben sie ihr Zuhause für den Sturm präpariert, einen Generator besorgt und Vorräte angelegt. Die Stadt an der Ostküste Floridas ist ein beliebter Touristenort. Eigentlich. Im Moment ist eher eine Geisterstadt. Die Geschäfte in dem Ort sind geschlossen und zum Großteil verrammelt. Stephanie Brooks betreibt dort einen Friseursalon. Seit Tagen hatte sie keine Kunden. Auch sie hat ihren Laden mit Sandsäcken gesichert. „Ich hoffe, dass alles gut geht“, sagt sie. „Vielleicht werden wir Glück haben.“(dpa)