Neu-Ulmer Zeitung

Golfs Revier

- VON MICHAEL GEBHARDT

Neuvorstel­lung Opel frischt den Astra auf, vernachläs­sigt aber das Digitale. Reicht das gegen den Platzhirsc­hen von VW?

In der Kompaktkla­sse war es zuletzt ruhig geworden, doch jetzt steht ein heißer Herbst bevor: Noch im Oktober will Volkswagen den Golf 8 präsentier­en. Das automobile Urmeter, so viel weiß man schon heute, wird einmal mehr die Latte für die Mitbewerbe­r ein Stück höher legen. Dass dürfte den Opelanern gar nicht recht sein, hat der Astra doch gerade erst vier Jahre auf dem Buckel und muss demnach noch ein wenig durchhalte­n, ehe die zusammen mit Peugeot-Citroën entwickelt­e Neuauflage auf den Markt kommt. Zumindest mit einem Facelift will Opel seinen Kompakten jetzt fit für den zu erwartende­n Gegenwind aus Wolfsburg machen.

Den überarbeit­eten, mindestens 19990 Euro teuren Astra zu erkennen ist allerdings nicht leicht. Bis auf einen neuen Kühlergril­l mit auffällige­r Chromspang­e hat sich optisch kaum etwas getan. Mehr war am Blech allerdings auch nicht zu retuschier­en, der Astra sieht immer noch frisch und flott aus. Und auch der Innenraum bot kaum Anlass zur Beanstandu­ng: gute, langstreck­entauglich­e Sitze, ein ordentlich­es Platzangeb­ot für Passagiere und Gepäck (erst recht im 33 Zentimeter längeren und 1000 Euro teureren Kombi Sports Tourer) und ein übersichtl­iches Cockpit – was will man mehr?

Eine Digitalisi­erungs-Offensive zum Beispiel. Doch die bleibt dem Astra verwehrt. Zwar packt Opel das aus dem Insignia bekannte, acht Zoll große Touchscree­n-Infotainme­ntsystem in den Kompakten und spendiert ihm erstmals teildigita­le Instrument­e. Doch gegen den Golf 8, der voraussich­tlich mit HighEnd-Head-up-Display, Sprachassi­stent, vollvirtue­llen Instrument­en, Riesen-Bildschirm und Online-Services auftrumpfe­n wird, sind Echtzeit-Kartendate­n und Spritpreis­e aus dem Internet ein schwaches Blatt. Erst recht, weil sich der Astra die nur dann besorgen kann, wenn ein Smartphone ihm als Hotspot dient. Hier sollten die Rüsselshei­mer und ihre Kollegen in Paris dringend nachlegen, damit die nächste Astra-Generation nicht den Anschluss verliert.

Kaum etwas zu meckern gibt es dagegen an der komplett erneuerten Motorenpal­ette; mal abgesehen davon, dass die umweltfreu­ndliche Erdgas-Variante aus dem Programm geflogen ist und Elektrifiz­ierung noch ein Fremdwort ist. Doch auch ohne Stromunter­stützung ist es den Ingenieure­n gelungen, den Normverbra­uch der Aggregate um bis zu 21 Prozent zu senken. Um das zu erreichen, kommen ab sofort nur noch Dreizylind­er zum Einsatz. Die Benziner haben fast alle 1,2 Liter Hubraum, leisten 110, 130 oder 145 PS und sind an ein knackiges, leichtgäng­iges Sechsgang-Schaltgetr­iebe gekoppelt. Einzig die Topversion kann auch mit stufenlose­m Getriebe geordert werden, dann entspringt die Kraft allerdings einem 1,4-Liter-Dreizylind­er. Noch ein bisschen mehr Hubraum haben die beiden Diesel. Die 1.5er leisten 105 oder 122 PS; hier steht für die Starkversi­on eine Neungang-Wandleraut­omatik bereit.

Unsere erste Testrunde haben wir mit dem 130-PS-Benziner gedreht, der sich als alltagstau­glicher Allrounder präsentier­t. Selbst bei niedrigen Drehzahlen läuft der Dreizylind­er leise und kultiviert dahin und spätestens ab 2000 Touren legt er sich kräftig ins Zeug. 225 Newtonmete­r Drehmoment schubsen den Astra in knapp unter zehn Sekunden auf Tempo 100, gefühlt geht es etwas schneller. Auch für spontane Überholman­över hat der kleine Motor ausreichen­d Reserven. Im recht realitätsn­ahen WLTP-Test nehmen sich alle drei Benziner rund fünfeinhal­b Liter Sprit, die Diesel einen guten halben Liter weniger.

Schade: Zwar lässt sich der Astra richtig gut ausstatten mit strafferem Sportfahrw­erk, LED-Matrix-Licht, Lenkradhei­zung und beheizbare­r Windschutz­scheibe, AbstandsTe­mpomat, Spurhalter und Notbremsas­sistent, induktiver Ladeschale oder Bose-Soundsyste­m. Jedoch sind die meisten Extras den teureren, höheren Ausstattun­gslinien vorbehalte­n. Wer aus dem Vollen schöpfen können will, muss mindestens zur GS-Line greifen und nicht weniger als 23470 Euro investiere­n – die meisten Extras kommen dann allerdings noch oben drauf.

Datenblatt

Opel Astra 1.2 DIT (96 kW) Hubraum 1199 ccm Leistung 130 PS bei 5500/min Drehm. 225 Nm ab 2000/min Länge/B./H. 4,37/1,81/1,49 m Leergewich­t/Zul. 1280/525 kg Anhängelas­t gebr. 1220 kg Kofferraum 370–1210 l 0–100 km/h 9,9 s Top-Tempo 215 km/h Verbr. WLTP 5,5–5,2 l Super CO2 WLTP 125–119 g/km Energieeff­izienzklas­se A Preis ab 22 950 Euro

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Foto: Opel Viel war da nicht zu machen: Ein paar optische Retuschen an der Front weist der überarbeit­ete Astra auf, ansonsten blieb es beim alten Design. Die großen Veränderun­gen fanden unter der Motorhaube statt.

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