Wenigstens einer kann sich freuen
Basketball-WM Deutschland ist raus, der frühere Ulmer Trainer Mike Taylor ist mit Polen weiter. Dabei meistert er einen Spagat
Ulm/Shenzhen Die Weltmeisterschaft in China hätte dem deutschen Basketball wenige Wochen vor dem Beginn der neuen Bundesliga-Saison einen gewaltigen Schub geben können und sollen. Stattdessen hat sich die deutsche Nationalmannschaft am Dienstag mit einer peinlichen Vorstellung und einer 68:70-Niederlage gegen die Dominikanische Republik in der 12,5-Millionen-Einwohner-Stadt Shenzhen schon in der Vorrunde verabschiedet. Am Debakel beteiligt waren mit Ismet Akpinar, Robin Benzing und Daniel Theis drei ehemalige Spieler von Ratiopharm Ulm sowie mit Andreas Obst ein aktueller. Wobei den zumindest an der Niederlage gegen die Dominikanische Republik keine Schuld trifft. Obst stand keine Sekunde auf dem Feld. Beim 74:78 gegen Frankreich hatte er am Sonntag immerhin fast acht Minuten bekommen, aber ein wirklicher Faktor war der neue Ulmer auch in dieser Partie nicht.
Völlig ohne Reiz ist die Weltmeisterschaft aber auch nach dem deutschen Ausscheiden für die Fans von Ratiopharm Ulm nicht. Sie könnten beispielsweise der Mannschaft von Neuseeland die Daumen drücken, die noch alle Chancen auf den Einzug in die Zwischenrunde hat. Schließlich spielt bei den „Kiwis“Isaac Fotu, der sich nach der abgelaufenen Saison aus Ulm zum italienischen Erstligisten Treviso verabschiedet hat. Vor allem aber sind da die Polen mit dem ganz und gar erstaunlichen Mike Taylor. Der seit wenigen Tagen 47 Jahre alte Amerikaner hat von 2003 bis 2011 als Cheftrainer in Ulm gearbeitet und derzeit meistert er überaus erfolgreich einen schwierigen Spagat. Taylor ist erstens Trainer des BundesligaAufsteigers Hamburger Towers, die sich natürlich derzeit auf die Saison im deutschen Oberhaus vorbereiten. Vor Ort daran beteiligt ist er aber nicht, denn Taylor ist zweitens Trainer der polnischen Nationalmannschaft und deswegen weilt er derzeit in China. Die Polen haben mit einem 80:69 gegen Venezuela und einem 79:76 nach Verlängerung gegen Gastgeber China in einem dramatischen Spiel über zwei Stunden und 40 Minuten bereits die Zwischenrunde erreicht – bei der ersten Teilnahme an einer Weltmeisterschaft seit 52 Jahren wohl gemerkt. Man kann getrost davon ausgehen, dass Mike Taylor derzeit nicht allzu viel Schlaf bekommt.
In einem Interview mit dem
hat Mike Taylor unlängst geschildert, wie er mit dieser Doppelbelastung umgeht. Seine Arbeitstage haben demnach schon vor Beginn der Weltmeisterschaft oft um 6 Uhr morgens begonnen und erst weit nach Mitternacht geendet. Während des Turniers ist alles noch ein bisschen komplizierter und aufwendiger, denn natürlich legt man auch in Hamburg großen Wert auf die Meinung und die Einschätzungen des Cheftrainers. Taylor bekommt von seinen Assistenten Benka Barloschky und Austen Rowland regelmäßig Videoclips der Trainingsspiele zugeschickt. Zumindest gedanklich muss er also ständig umschalten zwischen Hamburg und der polnischen Nationalmannschaft. Was ihm bemerkenswert leicht fällt. Im Interview mit dem Abendblatt verwies Taylor darauf, dass beide Teams ähnliche taktische Systeme spielen: „Das hilft mir und den Towers ungemein.“
Die Fans in Ulm können also weiterhin einen wie immer ungemein emotionalen Mike Taylor bei der WM in China genießen und sie dürfen sich freuen auf das Wiedersehen mit dem nach Basketball verrückten Amerikaner beim Spiel gegen Hamburg in der Ratiopharm-Arena am 24. November. Es ist zu erwarten, dass Mike Taylor die Towers dann ganz besonders heißmachen wird. Sein Abschied aus Ulm nach acht Jahren im Amt des Cheftrainers war schließlich von gewaltigen und unschönen Nebengeräuschen begleitet.