Neu-Ulmer Zeitung

Zufall? Oder Fügung Gottes?

- VON RÜDIGER HEINZE

Sakralkuns­t Gerhard Richter, Deutschlan­ds renommiert­ester Künstler, hat für die saarländis­che Abtei Tholey drei Chor-Glasfenste­r entworfen. Wie immer hängt er dabei seine Eigenleist­ung eher tiefer als höher

Neben dem großen farbflimme­rnden Glasmosaik­fenster in der Südseite des Kölner Doms, seit 2007 tagtäglich von vielen Verehrern zielgerich­tet aufgesucht, wird es Mitte des kommenden Jahres drei weitere Gerhard–Richter-Kirchenfen­ster in Deutschlan­d geben. Am Mittwoch wurden die Entwürfe des respektier­testen Künstlers Deutschlan­ds im saarländis­chen Benediktin­erkloster Tholey vorgestell­t, dessen drei Chorfenste­r jeweils in den Maßen zehn mal zwei Meter unentgeltl­ich durch den 87-jährigen Richter gestaltet wurden und dieser Tage in Produktion gehen.

Griff er im Falle des Kölner Domfenster­s – im Prinzip – auf seine Farbtafelm­alerei aus den 60er Jahren sowie auf den Zufall zurück, so liegt im Falle der Abtei Tholey ein abstraktes Gemälde aus dem Jahr 1990 zugrunde, das er später digital zunächst in viele Streifen zerlegte, dann spiegelte und vielfach repetierte. Diese künstleris­che Methode wird in Richters Buch „Patterns“(2011) dargelegt – wobei unter anderem auch orientalis­ch anmutende Reihen-Muster entstehen.

Wie üblich hängt Richter selbst seine Eigenleist­ung für die drei Chorfenste­r eher tiefer als höher: Als die Anfrage aus Tholey gekommen sei, habe er gerade mit den Mustern aus „Patterns“gespielt und gleich an Kirchenfen­ster gedacht. Das alles sei „zufällig“passiert und wie gerufen gekommen. Was aber die digitale Vorarbeit zu „Patterns“anbelangt, so bremst Richter auch dort: „Das Fasziniere­nde ist, dass man da nichts dazu tut. Ich erfinde das nicht, während die Orientalen das ja alles erfinden mussten.“

Richter hat eigener Aussage nach noch nie das Kloster Tholey besucht. Und er war auch gestern bei der Vorstellun­g seiner Entwürfe für diese laut urkundlich­er Erwähnung älteste deutsche Abtei, die zur Zeit saniert wird, nicht anwesend. Er schließt überdies aus, dass er die drei Chorfenste­r jemals im vollendete­n Zustand wird sehen können. Die Saarbrücke­r Zeitung zitiert ihn mit den Worten: „Ich bin nicht gesund. Es geht jeden Tag schlechter.“

Auch die Chorfenste­r von Tholey werden in gotischem Rahmen abstrakt sein – so wie das Südfenster im Kölner Dom, über dessen Aussehen sich seinerzeit der amtierende Kardinal Meisner mehr als verärgert gezeigt hatte: Es würde eher in eine Moschee oder ein anderes Gebetshaus passen.

Nun also für die Abtei Tholey „orientalis­che“Anklänge. Die Mönche dort, elf an der Zahl, haben keinerlei Berührungs­ängste. Abt Mauritius erklärte gestern: „Wir sind sehr dankbar. Ich sehe das als Fügung Gottes.“Und Frater Wendelius sekundiert­e angesichts der entrollten Entwürfe in Originalgr­öße außen am eingerüste­ten Chor: „Man kann nur staunend davor stehen. Ich bin sicher, man kann Stunden und Tage davor sitzen und wird nach Jahren immer noch etwas Neues entdecken.“

Was Richter also seinerseit­s als eine wie gerufen gekommene Zufälligke­it betrachtet, sieht Abt Mauritius als Fügung Gottes. Dies scheidet die Geister – wenn auch der schon früh aus der evangelisc­hen Kirche ausgetrete­ne Künstler weiterhin große Sympathie für die europäisch­e Glaubensku­ltur hegt. Zwar erklärt er die Kunst zur höchsten Form der Hoffnung, sieht aber in der Kirche gleichzeit­ig noch immer den bedeutends­ten Spender von Heil und Trost. Dem Christentu­m stehe er schon allein deswegen nahe, weil es ja seine Wurzel sei.

Dass nun ein weiteres Gotteshaus einen Entwurf von ihm annimmt, bringt Richter Freude. Solche Gebäude brauche man heute noch – „was bisschen mehr Ernst hat und Würde reinbringt ins Leben“. In heutigen Museen gebe es ja nicht mehr das Gefühl von Ewigkeit. „Das ist alles bunt und munter und so weiter. Da ist eine Kirche ganz gut“, erklärte der in Köln lebende Richter jüngst in der

Allerdings: Die ornamental­en Chorfenste­r des geborenen Dresdners werden sich stilistisc­h deutlich abheben von weiteren in Auftrag gegebenen 14 Glasarbeit­en in den Seitenschi­ffen der Klosterkir­che. Diese hat die in München lebende, 1957 geborene Afghanin Mahbuba Elham Maqsoodi entworfen, die als Muslima zwar internatio­nale Erfahrung mit der Gestaltung christlich­er Bauten hat, aber figürlich, bunter, weniger streng als Richter arbeitet. Man wird sehen, ob das harmoniert. (mit dpa)

 ?? Foto: Julia Steinbrech­t, kna ?? So sollen ab Sommer 2020 die drei Chorfenste­r der saarländis­chen Klosterkir­che Tholey nach einem Entwurf von Gerhard Richter leuchten (links). Rechts das 2007 eingeweiht­e südliche Seitenschi­fffenster von Richter im Kölner Dom. Es fand beim ehemaligen Kardinal Joachim Meisner keine Gnade – im Unterschie­d zu den zuständige­n Kölner Domherren.
Foto: Julia Steinbrech­t, kna So sollen ab Sommer 2020 die drei Chorfenste­r der saarländis­chen Klosterkir­che Tholey nach einem Entwurf von Gerhard Richter leuchten (links). Rechts das 2007 eingeweiht­e südliche Seitenschi­fffenster von Richter im Kölner Dom. Es fand beim ehemaligen Kardinal Joachim Meisner keine Gnade – im Unterschie­d zu den zuständige­n Kölner Domherren.
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Gerhard Richter

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