Neu-Ulmer Zeitung

Mit Diabetes auf einem Siebentaus­ender

- VON FRANZISKA WOLFINGER

Krankheit Michael Duile aus Kellmünz zeigt, was man mit einem starken Willen erreichen kann. Er will ein Vorbild sein

Kellmünz Mehr als 7000 Meter über dem Meeresspie­gel: So hoch kommen die meisten Menschen nur im Flugzeug. Sandra und Michael Duile aus Kellmünz haben sich kürzlich einen Traum erfüllt und haben diese Höhe zu Fuß erklommen. Ihre Hochzeitsr­eise im Juli ging nach Kirgisista­n, wo sie den 7134 Meter hohen Pik Lenin bestiegen haben. Widrigkeit­en, von denen sich andere vielleicht von einem solchen Vorhaben abbringen lassen würden, lässt das bergbegeis­terte Paar nicht gelten. Michael Duile ist chronisch krank. Als er noch ein Kleinkind war, wurde bei dem heute 29-Jährigen Diabetes diagnostiz­iert.

Nicht zuletzt dank fortschrit­tlicher Medizintec­hnik können die meisten Betroffene heutzutage gut mit der Krankheit umgehen. Doch die Krankheit zu unterschät­zen könne gerade im Hochgebirg­e schnell sehr gefährlich werden, erklärt Verpackung­smittelmec­haniker Michael Duile. Etwa, wenn er durch einen Zuckerscho­ck plötzlich das Bewusstsei­n verlieren und stürzen würde. Und ein Sturz am Berg kann schnell tödlich enden.

In seinen 27 Jahren als Diabetiker hat Michael Duile gelernt, im Alltag gut mit der Krankheit umzugehen. In der Regel trägt Duile eine Insulinpum­pe und einen Messsensor, mit dem er seine Zuckerwert­e im Blick behält. Mit diesen Geräten seien seine Einstellun­gsmöglichk­eiten sehr gut und die Werte in jeglicher Situation gut händelbar. Auf dem Pik Lenin, wo es eigentlich besonders wichtig ist, die Krankheit im Griff zu haben, musste der Kellmünzer auf seine modernen Hilfsgerät­e verzichten. Laut Hersteller funktionie­ren die nur bis zu einer Höhe von 3000 Meter über dem Meeresspie­gel. Für die Besteigung des 7000ers musste Duile sich daher nicht nur körperlich vorbereite­n.

Gemeinsam mit einer Diabetolog­in, die häufig Extremspor­tler berät, hat der Bergsteige­r die Reise zum Pik Lenin geplant. Denn zu beachten gibt es vieles: Es sind nicht nur die modernen Geräte, die in der Höhe nicht mehr funktionie­ren und die Duile mit älterer Technik ersetzen musste. Auch die extremen Temperatur­en – an manchen Tagen war es bis zu -40 Grad kalt – haben Einfluss auf die Zuckerwert­e. Dann ist das Essen auf dem Berg natürlich ganz anders als im Tal oder zu Hause in Deutschlan­d. Schließlic­h gibt es oben nur das, was die Bergsteige­r im Rucksack selbst hochtragen können, Instantnud­eln und Trockenkar­toffelbrei also, die mit geschmolze­nem Schnee zubereitet wurden. Diabetiker Duile hatte außerdem Traubenzuc­ker und Energierie­gel um schnell eingreifen zu können, wenn der Zuckerspie­gel unten ist. Für die Dauer der Expedition hat der Bergsportl­er seinen Blutzucker­zielbereic­h außerdem von 150 auf 250 Milligramm pro Deziliter erhöht, um das Risiko einer Unterzucke­rung weiter zu senken.

Bei all den Schwierigk­eiten, die die Krankheit Diabetes beim Bergsteige­n mit sich bringt: Eine solche Expedition ist auch für einen gesunden Menschen eine große Herausford­erung. Zu zehnt seien sie zu Gipfelbest­eigung gestartet, erzählt Duile. Geschafft hatten es am Ende nur sechs, laut den Bergführer­n kommen im Schnitt nur rund 30 Prozent der Bergsteige­r am Gipfel an. Für einige sei die Höhe dann doch zu viel. Auch Sandra und Michael Duile scheiterte­n im ersten Versuch. Weil das Wetter zu schlecht war, mussten sie auf rund 6600 Metern umkehren. 17 Tage hat die Besteigung inklusive Akklimatis­ierungstou­ren und Reservetag­en für den Fall, dass das Wetter schlecht ist, gedauert. Doch für den Moment auf dem Gipfel haben sich alle Strapazen gelohnt. Da sind sich die beiden einig. Er entschädig­t sogar für die Eiseskälte, den beißeneing­epackt, den Wind und das Schlafen in den kalten Zelten, in denen sogar das Kondenswas­ser an die Planen gefriert. Das Gehen habe sich wie in Zeitlupe angefühlt, sagt Sandra Duile. In den wesentlich niedrigere­n Alpen schaffen die beiden bis zu 600 Höhenmeter pro Stunde. Auf dem Pik Lenin waren es nur 150 Meter pro Stunde.

Rund ein Jahr hatte das Paar speziell für die Besteigung des hohen Berges trainiert. Nahezu jedes Wochenende verbrachte­n sie im Gebirge. Mit extra schweren Rucksäcken haben sie versucht, sich an das Gewicht der Ausrüstung für die Pik

Lenin-Expedition zu gewöhnen. In längeren Touren haben sie ihre Ausdauer trainiert und waren auch mehrmals auf den 4000ern in der Schweiz. Duile will mit seiner Geschichte anderen Diabetes-Patienten Mut machen: Die Krankheit macht ihm bei seinem Hobby keinen Strich durch die Rechnung. Um auch künftig ein positives Vorbild zu sein, sucht er nach Sponsoren, die ihm weitere Expedition­en ermögliche­n. Denn solche Besteigung­en sind teuer. Allein die Ausrüstung kostet rund 2500 Euro. Die Reise – je nachdem, wo sie gebucht wird – kostet weitere 2500 bis 5000 Euro.

 ?? Fotos: Sammlung Duile ?? Sandra und Michael Duile haben es auf den Gipfel des Pik Lenin geschafft. Das junge Ehepaar aus Kellmünz hat sich mit dieser Bergexpedi­tion einen lang gehegten Traum erfüllt: In ihrer Hochzeitsr­eise haben sie den mehr als 7000 Meter hohen Berg bestiegen.
Fotos: Sammlung Duile Sandra und Michael Duile haben es auf den Gipfel des Pik Lenin geschafft. Das junge Ehepaar aus Kellmünz hat sich mit dieser Bergexpedi­tion einen lang gehegten Traum erfüllt: In ihrer Hochzeitsr­eise haben sie den mehr als 7000 Meter hohen Berg bestiegen.
 ??  ?? Sonnenaufg­ang im Hochgebirg­e: Die Bergsteige­r übernachte­n während der 17 Tage dauernden Besteigung des Pik Lenin in kleinen Zelten.
Sonnenaufg­ang im Hochgebirg­e: Die Bergsteige­r übernachte­n während der 17 Tage dauernden Besteigung des Pik Lenin in kleinen Zelten.
 ??  ?? Sandra und Michael Duile sind fast jedes Wochenende in den Bergen.
Sandra und Michael Duile sind fast jedes Wochenende in den Bergen.

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