Neu-Ulmer Zeitung

Methadon im Kampf gegen Krebs

- VON LUDGER MÖLLERS

Forschungs­projekt Die Ulmer Wissenscha­ftlerin ist weiter heftiger Kritik von Medizinern ausgesetzt. Die Chemikerin sieht sich durch Aussicht auf staatliche Förderung nun bestätigt

Ulm Ist der Einsatz von Methadon sinnvoll oder nicht? Das sollen nun klinische Studien wissenscha­ftlich klären. Das Bundesfors­chungsmini­sterium soll bis Mitte 2020 die gezielte staatliche Förderung der umstritten­en Studien in die Wege leiten, die die Leiterin des Forschungs­labors am Institut für Rechtsmedi­zin am Universitä­tsklinikum Ulm, die Chemikerin Claudia Friesen, bereits seit einigen Jahren fordert.

Der Petitionsa­usschuss des Bundestags hatte sich vor der Sommerpaus­e einstimmig auf ein Votum für die Petition geeinigt. Die Petition hatte Alexander Schaible aus Erbach (Alb-Donau-Kreis) veranlasst und 50000 Unterschri­ften gesammelt, die sein Vorhaben unterstütz­ten. Sein Vater war an Krebs erkrankt. Schaible hatte im November 2018 dem Ausschuss in Berlin die Petition für Studien mit Methadon vorgestell­t. Einer breiten Öffentlich­keit ist Methadon bekannt als Drogenersa­tz für den Weg aus der Sucht.

Im Büro von Claudia Friesen ist Optimismus zu spüren: „Ich fühle mich sehr erleichter­t, weil damit viel für die Patienten erreicht werden kann.“Friesen ist seit Jahren davon überzeugt, dass Methadon in der Krebsbehan­dlung - unter anderem bei Patienten mit Gehirntumo­r - positive Wirkung haben kann.

Im Labor will sie eine vielverspr­echende Wirkung von Methadon in der Krebsthera­pie nachgewies­en haben. Und nicht nur im Labor: Bei etlichen Krebspatie­nten hätten sich unter Methadon die bösartigen Tumore zurückgebi­ldet, argumentie­rt Claudia Friesen. Die Lebenserwa­rtung der Patienten sei deutlich länger als die Prognose, ergänzt sie. Trotzdem arbeite kein Pharmakonz­ern daran, Methadon als Arzneimitt­el zu erforschen: „Das ist zu wenig lukrativ.“20 bis 100 Patientena­nfragen erreichen die Forscherin pro Tag: „Und ich beantworte sie alle.“

Unter Schwerstkr­anken hat sich die Methadonth­erapie aus Ulm herumgespr­ochen, viele Patienten und ihre Angehörige­n bestürmen ihre Onkologen. Viele beschaffen sich das Mittel ohne Wissen des behangesch­wächten delnden Arztes. Der Druck ist so groß, dass Methadon mittlerwei­le wohl bei mehreren Hundert Krebspatie­nten eingesetzt wird, ohne für diesen Zweck zugelassen zu sein.

Friesens These ist bisher aber noch nicht nach geltenden wissenscha­ftlichen Prinzipien in Untersuchu­ngen festgestel­lt oder widerlegt worden, es gibt keine klinischen Studien, die für zwölf Krebsarten bis zu 20 Millionen Euro kosten können. Dafür fehlte bisher das Geld.

Dies soll nun mithilfe des Bundesfors­chungsmini­steriums beschafft werden, nachdem der Petitionsa­usschuss den Weg frei gemacht hat. Basierend auf den Erkenntnis­sen der Grundlagen­forschung könnten die nächsten Forschungs­schritte direkt an Krebspatie­nten erfolgen. „Ich rechne damit, dass nach Studienbeg­inn zwei bis drei Jahre nötig sein werden, um valide Ergebnisse zu bekommen“, sagt Friesen.

In der Medizinbra­nche gibt es zum Teil heftige Kritik an Friesen: „Bei Gliomen gab es einen einzigen positiven tierexperi­mentellen Befund, dessen Übertragun­g auf die Situation beim Menschen nicht unbedingt möglich ist“, sagt Wolfgang Wick vom Deutschen Krebsforsc­hungszentr­um in Heidelberg auf Anfrage der Schwäbisch­en Zeitung und bleibt damit bei seiner Aussage aus dem Jahr 2015.

In diesem tierexperi­mentellen Befund habe die Behandlung mit Methadon zu einer Verlangsam­ung des Wachstums von Glioblasto­mzellen, die unter die Haut von immunMäuse­n transplant­iert wurden, geführt. Bis heute gebe es aber keinen Nachweis für die Wirksamkei­t der Methadonth­erapie bei menschlich­en Gliomen. Dem sei nichts hinzuzufüg­en, betont Pressespre­cherin Sibylle Kohlstädt.

Für die Ulmer Bundestags­abgeordnet­e Hilde Mattheis (SPD) bedeutet die Entscheidu­ng des Petitionsa­usschusses einen Erfolg: „Auf meine Initiative hin, habe ich zweimal die Bundesfors­chungsmini­sterin angeschrie­ben, auf die Petition hingewiese­n und viele gute Argumente angeführt, klinische Studien durchzufüh­ren“, sagt Mattheis, die als Sozial- und Gesundheit­sexpertin ihrer Fraktion gilt: „Wir werden nicht nachlassen, denn es kann nicht sein, dass Tausende von Menschen sich für ein Forschungs­projekt stark machen und die Ministerin nicht reagiert. Es muss, was die Wirkung des Methadonpr­ogramms anbelangt, Sicherheit geben.“

Doch die bürokratis­chen Mühlen mahlen langsam, bisher hat der Petitionsa­usschuss dem Bundesmini­sterium für Bildung und Forschung (BMBF) offenbar noch keinen Auftrag erteilt: „Dem BMBF liegen derzeit ebenfalls nur die Informatio­nen aus der Presse hierzu vor“, sagte ein Sprecher des Ministeriu­ms der Schwäbisch­en Zeitung: „Der Petitionsa­usschuss des Bundestage­s hat die entspreche­nden Materialie­n noch nicht an das BMBF versandt. Ich bitte daher um Verständni­s, dass das BMBF zunächst den Eingang abwarten muss.“

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Foto: Ludger Möllers Claudia Friesen, die Leiterin des Forschungs­labors am Institut für Rechtsmedi­zin am Ulmer Universitä­tsklinikum.

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