Neu-Ulmer Zeitung

Der Fall Metzelder

- VON DANIEL WIRSCHING

Presserech­t Welche Rolle die Bild-Zeitung spielte und wie Medien über die Kinderporn­o-Vorwürfe gegen den früheren Fußballsta­r berichten sollten

Augsburg Der FDP-Politiker und Rechtsanwa­lt Wolfgang Kubicki ist erbost, als er am späten Mittwochab­end in der Talkshow von Sandra Maischberg­er über den „Fall Christoph Metzelder“spricht. „Unverschäm­t“nennt er die Berichters­tattung über den früheren Fußballnat­ionalspiel­er, gegen den die Hamburger Staatsanwa­ltschaft wegen des Verdachts der Verbreitun­g von Kinderporn­ografie ermittelt.

Kubicki, der Metzelder mehrmals getroffen habe, ärgerte sich offensicht­lich vor allem über die die groß auf ihrer Titelseite berichtet hatte – samt unverpixel­ten Fotos und Namensnenn­ung. Die Staatsanwa­ltschaft habe einen Anfangsver­dacht bejaht, erklärte Kubicki. Sie müsse jetzt logischerw­eise ermitteln. „Aber dass eine Zeitung so groß schon so tut, als sei das erwiesen, das zieht mir die Schuhe aus.“

Kubicki ist mit seiner Kritik nicht allein. Eine noch striktere Position nimmt in diesem Fall die Hamburger Rechtsanwä­ltin Gül Pinar ein, Mitglied des Strafrecht­sausschuss­es des Deutschen Anwaltvere­ins. Im Gespräch mit unserer Redaktion zweifelt sie an, dass überhaupt über Metzelder berichtet hätte werden dürfen: Er sei nicht prominent genug, als dass das öffentlich­e Interesse eine identifizi­erende Berichters­tattung rechtferti­ge – würde es sich dagegen um einen Politiker handeln, wäre es ihrer Ansicht nach anders. „Was uns immer aufstößt, ist, dass in solchen Fällen eine Beweiswürd­igung nicht den Gerichten vorbehalte­n bleibt, sondern durch Medien vorgenomme­n wird“, sagt sie. Eine Verdachtsb­erichterst­attung sei immer ein Problem, da die Gefahr einer Vorverurte­ilung bestehe. Gül Pinar appelliert an Journalist­en, besonders vorsichtig zu berichten.

Auch der Erlanger Medienethi­kProfessor Christian Schicha kritisiert im Gespräch mit unserer Redaktion: „Was die und andere Boulevardz­eitungen gemacht haben, ist hochproble­matisch.“Die

sei mit mehreren Reportern im Einsatz und berichte großflächi­g, und über jedes Detail. „Es entsteht durch die Berichters­tattung ja fast schon der fatale Eindruck, dass Metzelder eine Straftat begangen hat, obwohl eine mögliche Schuld in keiner Weise bewiesen ist, sondern zunächst ein Anfangsver­dacht besteht.“Auf die Unschuldsv­ermutung sollte in jedem Fall in der Berichters­tattung zusätzlich verwiesen werden, empfiehlt er.

Kubicki, Pinar und Schicha betonen in großer Übereinsti­mmung, dass Metzelder bereits jetzt „erledigt“sei: „Egal wie die Sache ausgeht – der Ruf von Christoph Metzelder wird auch dann langfristi­g beschädigt sein, wenn er nicht schuldig ist“, meint Schicha. Generell hält er in diesem Fall eine Berichters­tattung für gerechtfer­tigt – nur seriös müsse sie sein.

So sieht es ebenfalls Hendrik Zörner, Pressespre­cher des Deutschen Journalist­en-Verbands. Dass die

über die Vorwürfe gegen den Profikicke­r Metzelder berichte, sei „völlig legitim“, erklärt er auf Anfrage. „Dass sie das von der ersten Geschichte an mit voller Namensnenn­ung tut, kommt jedoch einer Vorverurte­ilung gleich. Journalist­en sind Berichters­tatter und nicht Richter.“

Auf besonderes Unverständ­nis stößt bei Rechtsanwä­lten, dass BildJourna­listen einem Tagesspieg­el-Bericht zufolge der Polizei „nicht nur vor Wochen gesteckt“haben, „dass Metzelder kinderporn­ografische Bilder per WhatsApp-Chat an eine Freundin in Hamburg geschickt haben soll, sie begleitete­n am Dienstag auch die Durchsuchu­ngen bei ihm zu Hause in Düsseldorf und holten den Ex-Kicker mit aus der Sportschul­e in Hennef“.

Gab es hier also ein Gegengesch­äft nach dem Motto Tipp gegen Tipp? Ein Sprecher der Hamburger Polizei bestätigte dem Tagesspieg­el jedenfalls, dass die Bild-Zeitung sich mit dem Verdacht gemeldet habe – nicht die Empfängeri­n der Bilder. In Justizkrei­sen fühlt man sich an die Verhaftung des ehemaligen Postfortwä­hrend Chefs Klaus Zumwinkel erinnert, der vor laufenden Kameras am Valentinst­ag 2008 festgenomm­en worden war.

Dass über Metzelder berichtet werden darf, ja muss, ist unter Journalist­en mehrheitli­ch unstrittig. Ziffer 13 des Pressekode­x, an den sich die meisten Zeitungen halten, erinnert sie gleichwohl daran: „Der Grundsatz der Unschuldsv­ermutung gilt auch für die Presse.“Die Berichters­tattung über Ermittlung­sund Gerichtsve­rfahren diene der sorgfältig­en Unterricht­ung der Öffentlich­keit. Voraussetz­ung dafür ist unter anderem: ein begründete­r Verdacht, der auf sorgfältig recherchie­rten Tatsachen beruht. Dazu eine Sprache, die möglichst sachlich bleibt, nicht skandalisi­erend oder sensations­heischend ist.

Die selbst hat das zum Thema in einem Artikel gemacht. Er endet mit dem Satz: „Wenn man sich für eine Berichters­tattung entscheide­t, muss auf Ausgewogen­heit geachtet werden.“ Pläne von der Verschmelz­ung des menschlich­en Gehirns mit Künstliche­r Intelligen­z schmiedet. „Das wird die Ausrichtun­g der Welt stärker verändern als die Erfindung der Atombombe und des Internets zusammen“, schwadroni­ert der Hirnforsch­er.

Leider ist die zurechtgeb­astelte Story so wenig überzeugen­d wie Bezzels Wissenscha­ftler, dem man die Besessenhe­it nicht abnimmt. Gott will er spielen, aber er schafft nicht mal einen Frankenste­in der Neuzeit. Odenthal, der man die Frühpensio­nierung wünscht, und ihre Kollegin Johanna Stern (Lisa Bitter) witzeln gelegentli­ch zwar miteinande­r, aber können mit den zynischen Duos der „Tatort“-Gegenwart schon nicht mehr konkurrier­en. Ein Lob verdient Gregor Bloéb als zwielichti­ger Werkstattb­esitzer, der den optisch notwendige­n Kontrast zu der sauberen Klinik setzt. Es interessie­rt wenig, dass der Krimi sichtbar auf Nachhaltig­keit setzt. So fährt der Professor ein Elektroaut­o, die Schauspiel­er reisten mit der Bahn an. Rupert Huber

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Foto: Uwe Speck, Witters Christoph Metzelder, hier im Trikot von Schalke 04, war ein Fußballsta­r, gewann die deutsche und spanische Meistersch­aft. Medien-Experten sehen seinen Ruf durch die Berichters­tattung von Boulevardz­eitungen zerstört.
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Foto: SWR, Sabine Hackenberg Sebastian Bezzel scheitert als Bösewicht.

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