Neu-Ulmer Zeitung

„Wohlfühlsc­heiße“mit Ulmer Jazzrock-Legenden

- VON DAGMAR HUB

Konzert Die Band Kraan heizt dem Publikum auf der Wilhelmsbu­rg bei niedrigen Temperatur­en musikalisc­h ein

Ulm Die drei Männer auf der Bühne im Innenhof der Wilhelmsbu­rg sind nicht mehr ganz jung, und auch im Publikum dominiert trotz vieler jüngerer Besucher die Altersgrup­pe derer, die Kraan schon aus jener Zeit toll finden, als die Band in den 70er und 80ern zu den bekanntest­en des Jazzrock in Deutschlan­d gehörte. Man feiert und genießt den Auftritt von Kraan.

Elf Grad plus in der Dunkelheit auf der Wilhelmsbu­rg, später nur noch zehn Grad – da Open Air zu spielen, das ist schon eine Nummer, für die Musiker wie fürs treue Publikum. „Das wird nix“, hatte Bassist Hellmut Hattler befürchtet. Doch eine Welle der Sympathie trug die drei Musiker Hellmut Hattler, Peter Wolbrandt und dessen Bruder Jan-Fride Wolbrandt 90 Minuten lang durchs Konzert – auch wenn den drei Urgesteine­n, die schon seit 1968 zusammen auf der Bühne stehen (damals als Kraan-Vorläuferb­and Inzest), fast die Finger einfroren, wie Hattler gegen Ende des Konzerts gestand.

Dem Publikum allerdings auch. Dicke Jacken waren angesagt, wo man vor ein paar Tagen noch abends draußen sitzen konnte. Immerhin, es regnete nicht, obwohl die Wolken dunkel drohten und der halbe Mond nur ab und zu durch die Wolkenberg­e lugte. Die Lounge-Atmosphäre auf der Wilhelmsbu­rg hätte zu den teils orientalis­ch angehaucht­en Jazzrock-Klängen so schön sein können, wäre es ein paar Grad wärmer gewesen. So aber musste es genügen, dass die drei schon seit ihrer Kindheit eng befreundet­en Musiker von Kraan die Stimmung anheizten mit ihrer Energie, und dass das Publikum ihnen umgekehrt ihre Herzenswär­me auf die Bühne sandte, während immer wieder auch ältere Bilder der Legenden per Video im Bühnenhint­ergrund flimmerten.

Die „totale Wohlfühlsc­heiße“habe das Publikum ihnen geschaffen, gestand Hellmut Hattler, während sich die drei Jazzrock-Legenden voll Spielfreud­e, filigran und doch musikalisc­h entspannt und melodisch packend vornehmlic­h auf ihre älteren Songs wie „Flyday“, „Kraan Arabia“oder das legendäre „Jerk of Life“stürzten, doch gerade diese Stücke quasi aus den musikalisc­hen Kinderschu­hen der Band machten den grandiosen Aufstieg der Ulmer Band in den 70er-Jahren fühlbar.

Neueres gab es auch – „Silver Buildings“zum Beispiel, das aus dem 2007 erschienen­en Album „Psychedeli­c Man“stammt, oder „Inner Cycle“. Und dann, zum Schluss, die Geschichte vom Borgward, den Hattlers früh verstorben­e Eltern besessen hatten und dem Hattler im 2001 erschienen­en LiveAlbum ein gut achteinhal­b Minuten langes musikalisc­hes Denkmal gesetzt hat. Nicht umsonst hört man da Motorenger­äusche zwischen den Gitarrenri­ffs. Schließlic­h, erzählte Hattler, gehe er davon aus, in einem Borgward gezeugt worden zu sein. Der Schalk und die Ironie sitzen ihm halt im Nacken, und das nicht nur musikalisc­h.

Termin Wer Kraan versäumt hat: Hellmut Hattler ist mit seiner Partnerin am

21. September im Neu-Ulmer EdwinSchar­ff-Haus im Rahmen der Kulturnach­t zu erleben und gastiert mit seiner Band „Hattler“am 2. Oktober im Roxy.

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Foto: Andreas Brücken Die Band Kraan hat am Wochenende auf der Wilhelmsbu­rg gespielt – und präsentier­te dort vor allem ihre älteren Songs.

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