Mister „Ordeeer“kündigt Rücktritt an
Großbritannien II Die Ordnungsrufe des Parlamentssprechers Bercow sind legendär. Viele seiner Gegner sind Parteifreunde
London Vermutlich war es für Boris Johnson die beste Nachricht des gestrigen Tages, als sein Parteifreund John Bercow verkündete, dass er als Unterhaussprecher zurücktreten werde. Der Mann, der mit seinen lang gezogenen „Ordeeeer“-Rufen auch außerhalb Großbritanniens Kultstatus erlangt hat, will spätestens am 31. Oktober sein Amt aufgeben.
Für viele Beobachter fasst die Entscheidung des Redetalents, der die Debatten seit seiner Wahl 2009 wie ein Entertainer mit viel Humor Disziplin inszeniert, die Krise des Königreichs zusammen: Hier der moderate, liberale Ordnungshüter Ihrer Majestät, von dem bekannt ist, dass er beim Referendum für den EU-Verbleib gestimmt hat. Dort die unnachgiebigen, europaskeptischen Hardliner, für die Bercow eine Hassfigur, ein „BrexitZerstörer“ist. Immer wieder ließ der zur Überparteilichkeit verpflichtete Bercow Anträge zu, die der Regierung nicht passten. Das sorgte für Unmut.
„Mr Speaker“wurde so als Verteidiger des Parlamentarismus häufig zum Gegenspieler der jeweiligen Premierminister, erst von Theresa May, danach auch von Boris Johnson. Als der aktuelle Regierungschef den Abgeordneten eine Zwangspause auferlegte, sprach Bercow kurzerhand von einem „verfassungsrechtlichen Skandal“. Und erlaubte den Parlamentariern dann eine Notfalldebatte. Dieser Schritt war die Voraussetzung dafür, dass die Opposition gegen den Willen der Regierung ein Gesetz gegen einen NoDeal-Brexit einbringen konnte.
Bercow hört sich selbst ein wenig zu gerne reden, kritisieren sogar wohlgesonnene Beobachter oft. Auch gestern, als wichtige Entscheiund dungen auf dem Programm standen und die Uhr aufgrund der bevorstehenden Zwangspause des Parlaments tickte, ließ sich der Sprecher von den Kollegen zunächst ausgiebig preisen und holte weit aus mit seiner „für die Umstände sehr langen Abschiedsrede“, wie eine
urteilte. Seit Monaten wird über eine Entmachtung des 56-Jährigen gemunkelt. So gab es bei den Tories etwa Überlegungen, den Unterhaussprecher bei einer vorgezogenen Abstimmung in dessen Wahlkreis mit einem BrexitKandidaten herauszufordern. Nun geht Bercow freiwillig. der ultranationalistischen Liberaldemokratischen Partei Russlands und den Kommunisten.
Die Wahlen auf regionaler und kommunaler Ebene galten als wichtiger Stimmungstest für Kremlchef Putin und die Regierungspartei. Insgesamt waren 56 Millionen Wähler zur Stimmabgabe aufgerufen – das ist fast die Hälfte aller Wahlberechtigten Russlands. Die Wahlbeteiligung war landesweit teils sehr niedrig. In Moskau lag sie bei 21,63 Prozent. Die Aufmerksamkeit war jedoch vor allem auf die Hauptstadt mit ihren mehr als zwölf Millionen Einwohnern gerichtet.
Wochen vor der Wahl war es zu massiven Protesten gekommen, weil dutzende Oppositionelle von der Wahl ausgeschlossen worden waren. Kremlkritiker Alexej Nawalny hatte deshalb zu einer „smarten Abstimmung“aufgerufen. Die Bürger sollten alles wählen – nur nicht die Kandidaten der Kremlpartei. Das sei die einzige Möglichkeit, um das Monopol von Geeintes Russland zu brechen, sagte Nawalny. Rund 13 Sitze verlor die Partei im Stadtparlament von Moskau. Vor allem die Kommunisten sowie die gemäßigte Oppositionspartei Jabloko konnten davon profitieren. Auf Videos war zu sehen, wie Wähler mehrere Stimmzettel gleichzeitig in die Wahlurne warfen. Zudem kursierten Fotos mit massenweise vorausgefüllten Stimmzetteln für die Kremlpartei. Um die Wahlbeteiligung nach oben zu treiben, sollen Mitarbeiter von Staatsbetrieben zur Abstimmung gezwungen und teils in Bussen zu den Wahllokalen transportiert worden sein. Zudem sollen Stimmen gekauft worden sein. Konzerne wiesen die Vorwürfe zurück. Wahlleiterin Ella Pamfilowa und das Innenministerium erklärten hingegen, dass es zu keinen ernsthaften Verstößen gekommen sei. Der Wahltag sei sehr ruhig verlaufen. Gleichzeitig gab es am Sonntag einige Festnahmen. Der Pressesprecher von Golos sei von der Polizei abgeführt worden.