Dinner for One
Gesellschaft Es gibt Dinge, die machen die meisten nicht gern allein. Ins Restaurant gehen etwa. Und wenn doch?
Hamburg In den 1950er Jahren wäre es undenkbar gewesen: Eine Frau, die allein ins Restaurant geht. „Da hätte man gesagt, das ist wohl eine Prostituierte“, beschreibt Hans-Peter Erb die damalige Situation. Erb ist Sozialpsychologe und Professor an der Hamburger HelmutSchmidt-Universität der Bundeswehr. Noch heute sei es so: „Wenn ich allein ausgehe als Frau, riskiere ich, dass ich bestimmte Absichten hervorrufe.“
Tatsächlich gehen in Deutschland mehr Männer als Frauen alleine essen, wobei das viele verschiedene Gründe haben kann. In einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag des Online-Reservierungsportals OpenTable gaben 72 Prozent der befragten Männer an, regelmäßig oder zumindest selten allein eine Gaststätte aufzusuchen. Bei den Frauen waren es nur 57 Prozent. Tendenziell sind Solo-Restaurantbesucher zudem eher älter. 45 Prozent aller Befragten gaben an, selten alleine essen zu gehen, fast jeder Fünfte tut dies regelmäßig. Ein Drittel der Befragten ist noch nie allein im Restaurant gewesen. Zumeist, so ein weiteres Ergebnis der Umfrage, gehen die Allein-Besucher in ihrer Freizeit ins Restaurant (56 Prozent) – oder in ihrer Mittagspause (49 Prozent).
Es sind viele Gründe vorstellbar, warum Menschen in ihrer Freizeit alleine ins Restaurant gehen. Zum Beispiel, um unter Leuten zu sein. Oder aus genau dem gegenteiligen Grund: um für zwei Stunden seine Ruhe zu haben. Oder weil man schlicht zu faul zum Kochen ist. Wissenschaftliche Studien zum „Solo Dining“gebe es nicht, doch ließen sich die Ergebnisse der Umfrage mit Trends wie Vereinzelung und Individualisierung in Einklang bringen, sagt Erb. „Es gibt immer mehr Single-Haushalte und auch ein großes Problem mit Einsamkeit, was die Menschen sehr stark belastet.“Beim Online-Reservierungsportal OpenTable sind nach Unternehmensangaben die Reservierungen für eine Person von 2014 bis 2018 um sagenhafte 321 Prozent gestiegen. Martina Scheffler, dpa