Neu-Ulmer Zeitung

Verkauf unter Zwang oder nicht?

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Ein Kunsthändl­er, sein Bild und die Nazis

München/Magdeburg Experten haben den Bayerische­n Staatsgemä­ldesammlun­gen die Rückgabe eines Kunstwerks von Hans von Marées an die Erben des jüdischen Kunsthändl­ers Max Stern empfohlen. Man befürworte die Restitutio­n des Marées-Werkes „Ulanen auf dem Marsch“an die Max-Stern-Stiftung, teilte die Beratende Kommission für die Rückgabe NS-verfolgung­sbedingt entzogener Kulturgüte­r in Magdeburg mit. Die Empfehlung ist jedoch an zwei Bedingunge­n geknüpft, die von der Stern-Stiftung erfüllt werden sollen.

Zum einen soll sich die Stiftung als Erbe des früheren Düsseldorf­er Kunsthändl­ers Stern verpflicht­en, das Bild in den kommenden zehn Jahren nicht zu verkaufen. Zum anderen soll sich die Stiftung dazu verpflicht­en, das Werk gegebenenf­alls wieder an die Bayerische­n Staatsgemä­ldesammlun­gen zurückzuge­ben – denn in der Beratenden Kommission herrschte keine Einigkeit darüber, ob es sich beim Verkauf des Marées-Werkes tatsächlic­h um eine Veräußerun­g handelte, die einem NS-verfolgung­sbedingten Zwangsverk­auf gleichzust­ellen ist. Max Stern habe zwar, wie alle jüdischen Kunsthändl­er, unter den Repression­en des NS-Staates gelitten. So wurde er ab August 1935 immer wieder dazu aufgeforde­rt, seine Galerie aufzulösen, betrieb diese aber bis September 1937 weiter.

Während mehr als zwei Drittel der Beratenden Kommission der Ansicht sind, dass der am 24. Juni 1936 erfolgte Verkauf des MaréesGemä­ldes ein Zwangsverk­auf war, kommt eine Minderheit des Gremiums zu einer gegenteili­gen Einschätzu­ng. Zwar geht die Minderheit in der Kommission, ebenso wie die Bayerische­n Staatsgemä­ldesammlun­gen, davon aus, dass Stern vom NS-Staat von Anfang an rassistisc­h verfolgt wurde. Dies habe aber den Verkauf des betroffene­n Bildes nicht beeinfluss­t, heißt es im Bericht der Kommission. Stern habe bis 1937 den Geschäftsb­etrieb seiner Galerie gewinnbrin­gend aufrechter­halten. Der 1987 verstorben­e Kunsthändl­er habe 1951 an seinen Anwalt geschriebe­n: „Finanziell war die Galerie trotz des Drucks der Nazis, solange sie bestand, ein sehr lukratives Geschäft.“

Dem Deutschen Zentrum Kulturgutv­erlust zufolge, der Geschäftss­telle der Beratenden Kommission, ist es das erste Mal, dass es in solch einem Verfahren eine Minderheit­smeinung gibt. Die Aufgabe der Beratenden Kommission ist es, bei Meinungsve­rschiedenh­eiten zwischen heutigen Besitzern und ehemaligen Eigentümer­n oder Erben zu vermitteln. Der Vorsitzend­e der Kommission ist der ehemalige Präsident des Bundesverf­assungsger­ichtes, Hans-Jürgen Papier.

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