Neu-Ulmer Zeitung

Trost vor dem ersten Schultag

- VON ERICH PAWLU

Es gab Zeiten, da ließ sich die Welt noch leicht erklären. Große Denker entdeckten die Gesetzmäßi­gkeit allen Geschehens. Verliebte Paare gaben sich Sicherheit mit einem gemeinsame­n Blick ins Sparbuch. Eltern beantworte­ten mühelos die Fragen ihrer Kinder nach dem tieferen Sinn der Schulpflic­ht.

Alles vorbei. Heute gerät selbst der Philosoph ins Stottern, wenn er erklären soll, warum ein Mensch mit Sparguthab­en keine Gutschrift­en, sondern Strafzinse­n zu erwarten hat. Verliebte blicken vor der Heirat nicht mehr ins Sparbuch, sondern auf zahllose Onlineseit­en, weil sie unter den Inseraten einen Hinweis auf bezahlbare­n Wohnraum finden wollen. Und zum Schulanfan­g müssen viele bayerische Eltern ihren Kindern erklären, warum Schule nötig ist.

Da dürfen sie nicht an die steigende Zahl der beschulten Analphabet­en denken. Auch die Berichte vom Leiden hochbegabt­er Kinder sollten sie nicht kennen. Und sie sollten nichts wissen von den Statistike­n, die nachweisen, dass immer mehr Schulpflic­htige den Lernstoff für sinnlos halten.

Aber um den Nachwuchs nicht zu entmutigen, können Eltern von heute das fragende Kind mit einem schönen Ausspruch von gestern trösten: Dass auch der erfolglose Schulbesuc­her nicht verzweifel­n muss, hat Kurt Tucholsky 1921 in der „Weltbühne“klargestel­lt. Er schrieb: „So … dämlich wie ein Regierungs­assessor der guten, alten Schule ist keiner.“

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