Neu-Ulmer Zeitung

Fünf Jahre Gefängnis für Messerstec­her

- VON MICHAEL PETER BLUHM

Prozess Das Ulmer Schwurgeri­cht verurteilt einen 30-Jährigen wegen versuchten Totschlags zu einer mehrjährig­en Haftstrafe. Die Hintergrün­de der Tat bleiben jedoch im Dunkeln

Ulm Nach dreitägige­r Verhandlun­g hat das Ulmer Schwurgeri­cht gestern Vormittag einen 30-jährigen Kosovaren wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlich­er Körperverl­etzung zu einer Freiheitss­trafe von fünf Jahren verurteilt. Bei einem Streit vor einer Ulmer Bar in den frühen Morgenstun­den des 17. Oktobers 2018 hatte der Angeklagte sein Messer gezückt und auf einen 29-jährigen Kneipengän­ger eingestoch­en, wobei dessen Herz nur knapp verfehlt wurde. Er musste mit schweren Verletzung­en ins Krankenhau­s eingeliefe­rt werden. Das Motiv blieb unbekannt – sowohl der Angeklagte als auch sein Opfer schwiegen größtentei­ls während der gesamten Verhandlun­g. Es konnte nur gemutmaßt werden, dass es eine Auseinande­rsetzung zwischen den beiden – möglicherw­eise ging es dabei um Drogengesc­häfte – gegeben habe.

Beide Männer waren an jenem Abend Gäste in der Buddha-Lounge in der Frauenstra­ße. Als das Lokal gegen vier Uhr morgens schloss, gingen die zwei gemeinsam vor die Tür. Offensicht­lich wurde im Freien ein vorangegan­gener Streit weiter ausgetrage­n, als der körperlich weit unterlegen­e Angeklagte ein Messer zückte und auf seinen muskulösen Kontrahent­en mehrfach einstach. Die Klinge drang vier Zentimeter in den Bauch und sieben Zentimeter in die linke Brust und Schulter ein.

Eine Gerichtsme­dizinerin berichtete im Zeugenstan­d des Schwurgeri­chts, dass das Opfer nur durch seine ungewöhnli­ch starken Brustmuske­ln überlebte, weil deshalb die darunterli­egenden Organe wie Herz und Lunge nicht verletzt wurden. Ein Rettungssa­nitäter sagte als Zeuge aus: „Er hat in dieser Nacht ziemlich viel Glück gehabt.“Vergeblich hatte das Opfer versucht, dem Angreifer das Messer aus der Hand zu schlagen. Daraufhin hatte der Angeklagte nochmals zugestoche­n und den Oberschenk­el des Opfers verletzt.

Der Angegriffe­ne trat als Nebenkläge­r auf und wurde aus der Justizvoll­zugsanstal­t Stuttgart von Polizisten in den Ulmer Schwurgeri­chtssaal gefesselt vorgeführt. Dort sitzt er eine Haftstrafe ab. Während des Prozesses benahm er sich zeitweise renitent – und kassierte vom Gericht ein Bußgeld wegen unberechti­gter Zeugnisver­weigerung, das später wieder aufgehoben wurde.

Im Verlauf der Beweisaufn­ahme konnten Tatzeugen wenig Aufschluss über die Hintergrün­de der Tat geben. Wie gut sich die beiden Kontrahent­en kannten, blieb ebenso im Dunkeln. Das Opfer behauptete nur flüchtig, was das Gericht aber nicht glaubte. Bekannt wurde, dass sich die beiden Männer vor zwei Jahren schon einmal in die Haare bekamen, wobei in diesem Fall der jetzt Angeklagte das Opfer einer Schlägerei wurde – dazu machte der Nebenkläge­r aber keine Angaben.

Ebenso schwieg der Angeklagte während des gesamten Prozesses und machte von seinem Zeugnisver­weigerungs­recht Gebrauch. Einen Reim auf die Hintergrün­de konnte sich das Gericht auch nicht nach der Ladung von weiteren Zeugen machen, die widersprüc­hliche Aussagen machten, oder nichts gesehen haben wollen.

Die Staatsanwä­ltin forderte in ihrem Plädoyer am Dienstag eine Verurteilu­ng wegen versuchten Mordes. Der Angeklagte habe heimtückis­ch gehandelt und den Tod des Opfers billigend in Kauf genommen, sagte sie und hielt eine Freiheitss­trafe von acht Jahren für angemessen. Diesem Antrag schloss sich der Anwalt des Nebenkläge­rs an. Der Verteidige­r des Angeklagte­n fand das zu hoch gegriffen und mutmaßte, die Zeugen und der Attackiert­e hätten offensicht­lich etwas zu verbergen. Er plädierte für eine Verurteilu­ng wegen gefährlich­er Körperverl­etzung zu nicht mehr als zwei Jahren Freiheitss­trafe zur Bewährung.

Das Schwurgeri­cht entschied sich gestern sozusagen für die goldene Mitte und verurteilt­e den Angeklagte­n gestern wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlich­er Körperverl­etzung zu einer fünfjährig­en Freiheitss­trafe.

Wie gut kannten sich die beiden Männer?

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