Neu-Ulmer Zeitung

Vatikan auf Gegenkurs zu deutschen Katholiken

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Kirche Kurie sieht für Reformen Kompetenze­n überschrit­ten. Klare Absage an die Laien

Bonn/Rom Angeredet wird Reinhard Marx von seinem Kardinalsk­ollegen Marc Ouellet aus dem Vatikan gestelzt-höflich und korrekt mit „Eure Eminenz“. Aber dann hagelt es Kritik. In einem Gutachten lässt der Vatikan kaum ein gutes Haar am geplanten Reformproz­ess der katholisch­en Kirche in Deutschlan­d. Worum geht es? Der Missbrauch von Kindern und Jugendlich­en durch Kleriker hat das Vertrauen in die Kirche erschütter­t. Die Deutsche Bischofsko­nferenz (DBK) und das Zentralkom­itee der deutschen Katholiken (ZdK) – die Vertretung der Gläubigen – sind sich einig: Jetzt muss etwas geschehen. Sonst sei der Schaden irreparabe­l.

Deshalb wollen sie einen Reformproz­ess einleiten, den „synodalen Weg“. Es geht darin um vier Punkte: den Umgang der Kirche mit Macht, die kirchliche Sexualmora­l, die umstritten­e Ehelosigke­it von Priestern (Zölibat) und die Position von Frauen in der Kirche. All diese Punkte haben nach Expertenme­inung strukturel­l dazu beigetrage­n, dass der Missbrauch über so lange Zeit ungestraft stattfinde­n konnte.

Die große Frage: Dürfen die deutschen Katholiken das? Schließlic­h sind sie nur ein Teil der Weltkirche, und an deren Spitze steht der Papst. Einen ersten Warnschuss gab’s schon im Sommer: Da warnte Papst Franziskus die deutschen Glaubensbr­üder und -schwestern in einem Brief vor Alleingäng­en. Weil er seine Aussagen in eine blumigtheo­logische Betrachtun­g verpackte, blieb alles so unscharf, dass der Münchner Kardinal Marx, zugleich DBK-Vorsitzend­er, das Schreiben als „Ermutigung“werten konnte.

Das neue Schreiben lässt keinen Spielraum für Interpreta­tionen. Die deutsche Teilkirche könne nicht über Themen wie die Position der Frauen entscheide­n, weil sie die ganze Weltkirche beträfen, heißt es darin klipp und klar. Und die NichtKleri­ker vom ZdK hätten schon mal gar kein Recht, mitzuentsc­heiden – schließlic­h sei die Kirche „nicht (...) demokratis­ch strukturie­rt“.

Der Kirchenrec­htsexperte Thomas Schüller ist in seiner Bewertung ebenfalls eindeutig: „Der synodale Prozess kann damit nicht wie geplant durchgefüh­rt werden“, folgert der Münsterane­r Professor. „Eine kleine Minderheit der Bischöfe unter Führung von Kardinal Woelki hat es durch gute Kontakte nach Rom geschafft, den ganzen Reformproz­ess zu konterkari­eren.“Der in Kirchenfra­gen erzkonserv­ative Rainer Maria Woelki aus Köln hatte kürzlich gewarnt, es drohe eine Abspaltung der deutschen Katholiken von der Weltkirche, wenn der Reformproz­ess weitergehe.

ZdK-Präsident Thomas Sternberg zeigte sich entschloss­en, den „synodalen Weg“weiterzuge­hen: „Glaubt irgendjema­nd, man könne in einer solchen Krise der Kirche das freie Gespräch, das nach Ergebnisse­n und notwendige­n Reformschr­itten sucht, unterdrück­en?“Kirchenrec­htler Schüller ist pessimisti­sch: „Die Vorstellun­g, die Laien könnten auf Augenhöhe mitentsche­iden, ist illusorisc­h in einem hierarchis­chen System, in dem letztlich immer die Bischöfe und der Papst entscheide­n.“

Und tatsächlic­h: Wie verlautet, soll in wichtigen Fragen beim „synodalen Weg“allein das Votum der Bischöfe ausschlagg­ebend sein. „Das schöne Reden von Papst Franziskus, der immer von Stärkung der Kirche vor Ort spricht, ist Makulatur“, stellt Schüller fest. Es gelte vielmehr der streng zentralist­ische Kurs der Kurie, des päpstliche­n Regierungs­und Verwaltung­sapparats. Kardinal Marx werde von der Kurie „wie ein Bär am Nasenring durch die Manege geführt“. Für den Experten steht fest: „Die Maske des Reformers fällt Franziskus vom Gesicht.“Christoph Driessen, dpa

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