Neu-Ulmer Zeitung

„Frauen üben Macht anders aus“

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Interview Die ehemalige Managerin Wiebke Köhler analysiert, warum Frauen seltener aufsteigen als Männer – und verrät, wie sich Fallen im Arbeitsleb­en souverän umschiffen lassen

Frau Köhler, in den Dax-Vorständen sitzen aktuell 27 Frauen und über 200 Männer. Haben die Unternehme­n ein Problem mit den Frauen – oder die Frauen ein Problem mit der Macht? Wiebke Köhler: Ich bin davon überzeugt, dass viele Firmen ein ehrliches Interesse daran haben, Frauen auf Führungspo­sitionen zu bringen. Es ist aber nicht immer ganz leicht, die richtigen Kandidatin­nen zu finden. In der IT-Branche gibt es zum Beispiel per se weniger Frauen, die Auswahl ist dort von vorneherei­n geringer. Außerdem lässt sich nicht jede Frau überzeugen, eine solche Position anzunehmen. Und natürlich gibt es auch Unternehme­nskulturen, in denen Frauen weniger leicht aufsteigen als Männer.

Wie erklären Sie sich das?

Köhler: Führungskr­äfte befördern meist Kandidaten, die ihnen selbst ähnlich sind. Das ist in der Psychologi­e hinreichen­d bekannt. Viele wissen zwar – zumindest in der Theorie –, dass Diversität bestimmten Gremien guttut. Aber mental ist noch nicht jeder Mann für eine Frau als Führungskr­aft bereit – oder aber er hat sich noch nicht ausreichen­d damit beschäftig­t, dass Frauen einen anderen Führungsst­il haben. Und das führt dann dazu, dass man aus hehrem Willen eine Frau befördert, aber am Ende nicht mit der Persönlich­keit klarkommt.

Zuletzt haben zwei bekannte Managerinn­en ihren Arbeitgebe­r verlassen. Bei Siemens kündigte Janina Kugel ihren Abgang an, in der Bundesagen­tur für Arbeit musste Valerie Holsboer gehen. Sehen Sie da ein Muster?

Köhler: In den vergangene­n Jahren hat sich die Verweildau­er auf Vorstandsp­osten generell verkürzt. Weil es einfach weniger Frauen im Vorstand gibt, fällt das mehr auf. Ganz grundsätzl­ich sind aber auch Männer häufiger von Abberufung­en betroffen als noch vor 20 Jahren.

Für Ihr Buch haben Sie mit 50 Frauen gesprochen. Was ist Ihr Fazit: Welches Verhältnis haben Frauen zur Macht und zu Machtspiel­en?

Köhler: „Frauen und Macht“wird von manchen Männern noch als ungewohnt empfunden. Das ist unter anderem so, weil die Art, wie Frauen Macht ausüben, oft eine andere ist und mit einer anderen Messlatte bewertet wird als bei Männern.

Warum ist das so?

Köhler: Auf den Top-Positionen gibt es viel weniger Frauen als Männer. Dadurch haben sie eine ganz andere Sichtbarke­it. Äußerungen oder Taten werden sehr viel stärker wahrgenomm­en als bei Männern und in alle möglichen Richtungen interpreti­ert. Das kann auf der einen Seite positiv sein. Auf der anderen Seite kann es Frauen aber auch negativ ausgelegt werden, etwa wenn sie von einem gängigen Stereotyp abweichen. Ich habe zum Beispiel noch nie gehört, dass erwähnt wird, wenn ein Vorstand einen maßgeschne­iderten Anzug trägt. Wenn eine Vorständin mal in einem bunten Kleid oder in High Heels auftritt, wird das allerdings sehr häufig kommentier­t. Sind das schon Machtspiel­e – oder nicht doch einfach nur blöde Kommentare?

Köhler: Jeder braucht in seinem Beruf ein dickes Fell. Aber es ist immer die Frage, was die Kommentato­ren mit solchen Aussagen bezwecken. Es kann durchaus diskrediti­erend sein, wenn man von einer Managerin nur noch als von der „Frau mit den High Heels“spricht.

Was ist Ihre Lösung? Einfach ignorieren – oder letztlich doch bei diesem Spiel mitmachen?

Köhler: Jeder, der sich in einer von Machtspiel­en geprägten Arbeitskul­tur bewegt, sollte so umsichtig sein, nicht in bestimmte Fallen zu tappen. Durch die Vielzahl an Rückmeldun­gen auf mein Buch bin ich davon überzeugt, dass Frauen öfter als Männern der Sensor dafür fehlt. Sie glauben zu häufig noch, es sei wichtig, von allen gemocht zu werden. Das wäre natürlich ein Kompliment. Wichtig ist es aber nicht. Wichtig ist, dass ein Chef respektier­t wird für das, was er fachlich kann, und dafür, dass er klare Entscheidu­ngen trifft. Parallel dazu laufen vielerorts Machtspiel­e, die von Frauen frühzeitig als solche erkannt werden sollten. Wenn man glaubt, es würde Rommé gespielt, und um einen herum spielen alle Monopoly, dann kommt man nicht weiter.

Ist Macht am Ende wichtiger als Leistung?

Köhler: Ich stehe für Leistung, inhaltlich­e Problemlös­ung und Gemeinscha­ftsgeist. Und Macht ist an sich nichts Verwerflic­hes, wenn mit ihr sorgsam, wertschätz­end und verantwort­ungsvoll umgegangen wird. Von daher darf Macht durchaus ausgeübt werden, nur sollte es nicht um negative Machtspiel­e gehen. Die Realität ist aber, dass viele Unternehme­n in dieser neuen Welt noch nicht angekommen sind. Machtspiel­e sind dort noch gang und gäbe. Wer sich in einer solchen Konstellat­ion als Einzelpers­on findet, muss sich eine Art Überlebens­strategie überlegen, die Regeln zu seinen Gunsten nutzen und sich Verbündete suchen – Männer wie Frauen übrigens.

Ist Ihre Lösung also: mehr Ellenbogen, weniger Harmonie?

Köhler: Nein, das wäre nicht meine Empfehlung. Ich rate eher, sich von Situation zu Situation anzupassen. Bin ich umgeben von Menschen, die alle den gleichen Geist haben? Dann kann man natürlich teamorient­iert sein. Wenn ich aber von Menschen umgeben bin, die mir nicht wohlgesonn­en sind und nur warten, dass ich einen Fehler mache, dann muss ich meinen Führungsst­il entspreche­nd anpassen und Grenzen setzen. Ich sollte nicht jedem blind mein Vertrauen schenken.

Interview: Sarah Schierack Wiebke Köhler

arbeitete lange als Headhunter­in, zuletzt war sie Mitglied des Vorstands des Versicheru­ngskonzern­s Axa.

 ?? Foto: stock.adobe.com ?? Viele Frauen würden zu sehr darauf achten, im Job gemocht zu werden, sagt Personal-Expertin Köhler. Dabei komme es letztlich auf andere Dinge an.
Foto: stock.adobe.com Viele Frauen würden zu sehr darauf achten, im Job gemocht zu werden, sagt Personal-Expertin Köhler. Dabei komme es letztlich auf andere Dinge an.
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